​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Aug 10 2021
12:51

Start einer Forschungskooperation mit Bangladesch für bessere Notfallmedizin bei Überflutungen 

Katastrophenschutz weltweit stärken und voneinander lernen

Eine bessere medizinische Notfallversorgung bei Flutkatastrophen in Bangladesch sieht das Forschungsprojekt „FlutNetz“ von Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt, der RWTH Aachen und des ISOE-Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt zusammen mit Partnern aus Bangladesch vor. 2020 wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Förderung des Projekts von 2,4 Millionen Euro zugesagt. Nach pandemiebedingter Verzögerung geht „FlutNetz“ nun an den Start.

FRANKFURT. Bangladesch gehört zu den Ländern, die von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen sind. Auf Platz sieben des Klima-Risiko-Indexes, wird das Land jährlich während der Regenzeit von Flutkatastrophen heimgesucht. Wie die medizinische Versorgung im Land verbessert werden kann und Länder im Katastrophenschutz voneinander lernen können, untersucht nun das Forschungsprojekt „FlutNetz“ von Wissenschaftlern der Goethe-Universität, der RWTH Aachen und des ISOE Institut Frankfurt. Das Projekt wird im Rahmen der BMBF-Maßnahme "Internationales Katastrophen- und Risikomanagement – IKARIM“ gefördert, die seit 2018 im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ der Bundesregierung innovative, anwendungsrelevante Lösungsansätze zur Katastrophenprävention und –vermeidung unterstützt.

„Wegen seiner Erfahrung mit Zyklonen ist Bangladesch mittlerweile gut darauf vorbereitet, im Katastrophenfall große Teile der Bevölkerung rechtzeitig zu evakuieren“, sagt Dr. Ulrich Kuch vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität, der den Forschungsverbund koordiniert. „Trotzdem sterben dort bei Überflutungen viele Menschen, am häufigsten durch Ertrinken, Schlangenbisse, Blitze und defekte Stromleitungen; bei der Vorbeugung und Behandlung solcher Gefahren gibt es großen Nachholbedarf.“ Um zu erforschen, wie notfallmedizinische Versorgung während Flutkatastrophen wirkungsvoll verbessert werden kann, verfolgt das FlutNetz-Projekt eine mehrteilige Strategie.

Für die Wissenschaftler der Goethe-Universität stehen folgende Forschungsfragen im Zentrum: Welche Bevölkerungs- und Berufsgruppen in den am schlimmsten betroffenen Regionen können am besten zu Katastrophen- und Ersthelfern sowie professionellen Rettungskräften ausgebildet werden, nach wie langer Zeit können sie die neu gewonnenen Fähigkeiten noch richtig anwenden, und wie wirksam sind sie im Ernstfall? Parallel dazu wird ein mit speziell ausgebildeten Ärzten besetztes Notfallzentrum mit Telefon-Hotline eingerichtet, das Menschen in schwer erreichbaren Regionen erreichen soll.

Im Rahmen des Forschungsverbunds wird zudem ein unbemanntes Flugsystem eingesetzt, das Notfallpatienten mit lebensrettenden Medikamenten versorgen soll. Zu diesem Zweck wurde an der RWTH Aachen ein Flugsystem so angepasst, dass es in Bangladesch Medikamente wie Schlangengift-Antivenine transportieren und am Standort der Patienten abliefern kann. Um den herausfordernden Wetterbedingungen während der Regenzeit zu trotzen, wird ein Hochleistungs-Kippflügelsystem eingesetzt. Dieser Flugzeugtyp kann vollautomatisch bei Tag und Nacht über größere Distanzen betrieben werden und hält auch starken Winden stand.

In vielen Ländern haben Frauen und Mädchen sowie marginalisierte Gruppen aufgrund geschlechtsspezifischer Rollenerwartungen und gesellschaftlicher Normen einen schlechteren Zugang zur Versorgung bei und nach Flutkatastrophen – so auch in Bangladesch. Kinder und alte Menschen kommen deshalb in den Fluten häufiger zu Tode. Um wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für einen gerechteren Zugang zu medizinischer Versorgung geben zu können, bringt das ISOE seine Expertise zu Fragen der geschlechtersensiblen sozial-ökologischen Forschung ein: Projektübergreifend werden Daten zur Rolle der Geschlechterzugehörigkeit sowie der Zugehörigkeit zu ethnischen, kulturellen, religiösen, Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen gesammelt und ausgewertet.

„Im Kontext von Naturkatastrophen und Katastrophenschutz können wir von Bangladesch viel lernen. Umgekehrt gibt es dort großen Bedarf für Verbesserungen des Zugangs zu Gesundheitsversorgung und ihrer Qualität; dabei sind Innovationen und Erkenntnisse der zivilen Sicherheitsforschung Deutschlands ebenso gefragt wie die aus unserer Gesundheitsforschung“, erklärt Kuch. „Die Zusammenarbeit von Bangladesch und Deutschland bei diesem Thema dient aber auch anderen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika, von denen viele bei Flutereignissen ganz ähnliche Risikolagen haben. Wir rechnen damit, dass sich Konzepte und Ergebnisse des FlutNetz-Projektes gut auf betroffene Regionen anderer Länder übertragen lassen.“

Neben der Goethe-Universität Frankfurt, der RWTH Aachen und dem ISOE-Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt arbeiten mehrere staatliche Organisationen wie die Gesundheits- und Katastrophenschutzministerien Bangladeschs sowie Universitätskliniken in Bangladesch, medizinische Fachgesellschaften und die Nicht-Regierungsorganisation Center for Injury Prevention and Research Bangladesh (CIPRB) in dem Projekt mit.

Link BMBF / Hightech-Strategie 2025: https://www.sifo.de/files/Projektumriss_FlutNetz.pdf

Weitere Informationen:
Dr. Ulrich Kuch
Abteilung Tropenmedizin und Global Health
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Goethe-Universität Frankfurt
kuch@med.uni-frankfurt.de
Tel.: +49 (0)69 6301-6650


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Aug 9 2021
15:39

Eröffnung der Ausstellung im Wissenschaftsgarten der Goethe-Universität

Neue Wilde - Globalisierung in der Pflanzenwelt 

FRANKFURT. Die vom Verband Botanischer Gärten realisierte Ausstellung "Neue Wilde - Globalisierung in der Pflanzenwelt" im Wissenschaftsgarten informiert über faszinierende Arten aus aller Welt, ihre Biologie, Herkunft und Reisewege. Im Wissenschaftsgarten werden 14 Thementafeln sowie 16 Steckbriefe zu besonders wichtigen und interessanten pflanzlichen Neubürgern (Neophyten) gezeigt, natürlich zusammen mit den lebenden Pflanzen und vielen anderen "Neuen Wilden", die im Wissenschaftsgarten kultiviert werden. Im unmittelbaren Anschluss an die Eröffnung werden etwa einstündige Führungen zu den Themen Neophyten, Arzneipflanzen sowie zum Wissenschaftsgarten allgemein angeboten. 

Zum Hintergrund: Unsere Umwelt unterliegt einer ständigen Veränderung durch zurückgehende und verschwindende Arten, aber auch durch die Einwanderung von Pflanzen und Tieren aus aller Welt. In den allermeisten Fällen ist der Mensch der Verursacher dieses Wandels, sei es durch die absichtliche oder unabsichtliche Ausbreitung von Samen oder Früchten oder durch die Bereitstellung besonderer Standorte. Gerade in Städten ist der Anteil der eingeführten Arten (der "Neuen Wilden") besonders hoch, so verdanken fast 40% der Pflanzenarten in Frankfurt ihr Vorkommen der Tätigkeit des Menschen. Einige dieser Arten finden besondere Aufmerksamkeit, wenn sie Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben (z.B. Riesen-Bärenklau, Ambrosie) oder sich sehr stark vermehren und ausbreiten (z.B. Götterbaum, Staudenknöteriche, Indisches Springkraut).

Eröffnung der Ausstellung "Neue Wilde - Globalisierung in der Pflanzenwelt" im Wissenschaftsgarten der Goethe-Universität Campus Riedberg, am Freitag, 13.8.2021, 11:00 Uhr.

Gemäß dem Hygienekonzept der Goethe-Universität ist für die Ausstellungseröffnung eine Anmeldung unter wissenschaftsgarten@uni-frankfurt.de notwendig!

Anfahrt zum Wissenschaftsgarten: https://www.uni-frankfurt.de/51838989/Anfahrt


Weitere Informationen: Prof. Dr. Georg Zizka, Wissenschaftliche Leitung Wissenschaftsgarten, Goethe-Universität Frankfurt. Georg.Zizka@senckenberg.de

Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Aug 6 2021
11:49

Physiker der Goethe-Universität demonstrieren Zusammenhang von der Arbeitsweise des Gehirns und Entscheidungen vieler

Lassen sich kollektive Entscheidungen vorhersagen?

Am Beispiel der Charts und Bestsellerlisten zeigen Physiker der Goethe-Universität, dass unsere Entscheidungsprozesse statistischen Gesetzen folgen, die von der Arbeitsweise unseres Gehirns beeinflusst sind. Wichtigste Annahme ist, dass Informationen aus der Außenwelt im Gehirn zunächst komprimiert und dann optimiert werden.

FRANKFURT. Lässt sich statistisch vorhersagen, was passiert, wenn eine große Anzahl von Menschen vor ähnlichen Entscheidungen steht? Das hat eine Gruppe unter Leitung von Claudius Gros vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität am Beispiel der Musikcharts, Bestsellerlisten und Tweets untersucht. Sie konnten zeigen, dass die Lebensdauer auf den Top-Positionen statistischen Gesetzen folgt, die sich aus der Verarbeitung von Informationen im Gehirn ableiten lassen.

Ein Hit landet auf Platz eins der Charts, weil ihn viele Menschen kaufen. Er läuft wiederholt im Radio, in Kaufhäusern und Restaurants. Noch mehr Menschen werden auf ihn aufmerksam, und das verstärkt seine Beliebtheit. Was andere gut finden, beeinflusst die Kaufentscheidungen vieler Einzelner. Claudius Gros interessiert, ob die Entscheidungen vieler statistischen Gesetzmäßigkeiten folgen. Aus Erfahrung weiß man, dass sich nur einige wenige Hits wochenlang ganz oben in den Charts halten, während die große Masse von Neuerscheinungen schon eine Woche später durch etwas Neues verdrängt wird. Tatsächlich lässt sich die Verteilung der unterschiedlichen Lebensdauer von bestplatzierten Hits, Büchern oder Tweets statistisch vorhersagen.

Claudius Gros und seine Gruppe haben sich die Bestsellerlisten von klassischen Medien für Musik und Bestseller Charts für Bücher vorgenommen, weil diese teilweise schon seit den 1960er Jahren nach denselben Kriterien aufgestellt werden. Als modernes Pendant untersuchten sie die Zahl der Downloads für Musikalben auf Spotify und im Nachrichtensektor die Anzahl von Retweets auf Twitter sowie von Kommentaren auf der Diskussionsplattform Reddit. Allen ist gemeinsam, dass die Platzierung aus den Entscheidungen vieler Einzelpersonen hervorgeht, die sich untereinander beeinflussen.

Der Ansatz der Theoretiker um Gros beruht auf der Annahme, dass unser Entscheidungsverhalten davon beeinflusst wird, wie unser Gehirn die Masse an Informationen aus der Außenwelt prozessiert und Relevantes herausfiltert. Das heißt, wenn man eine große Menge von Menschen untersucht, zeigt sich, dass ihre Entscheidungen statistischen Gesetzen folgen, die prägnant durch die Verarbeitungsprozesse im Gehirn bestimmt werden. Genauer gesagt: den Prozessen der Verdichtung und Optimierung von Informationen.

Unser Gehirn nimmt ständig neue Informationen auf. Da es aber nur eine begrenzte Speicherkapazität hat, muss es diese komprimieren – ähnlich wie bei einer Zip-Datei. Aus den Neurowissenschaften ist bekannt, dass zum Verdichten logarithmische Skalen verwendet werden. Das spiegelt sich etwa in unserer Einteilung der Zeit in Sekunden, Minuten und Stunden sowie Tage, Wochen, Monate und Jahre wider. So kann unser Gehirn konzeptionell mit fast beliebig großen und kleinen Zeiten arbeiten.

Neben den logarithmischen Skalen, mit denen die primäre Information komprimiert wird, muss das Gehirn noch eine inhaltliche Auswahl vornehmen. Dafür versucht es, insbesondere den statistischen Informationsgehalt zu optimieren. (In der Informationstheorie wird der Informationsgehalt durch die Shannon-Entropie ausgedrückt.) Die von Gros und seinen Mitarbeitern entwickelte Theorie beruht auf der Annahme, dass unser Gehirn nicht den Informationsgehalt der direkten Sinneswahrnehmungen optimiert, sondern die bereits komprimierten Informationen. Das Gehirn kann für die Auswahl relevanter Inhalte nämlich nur auf die interne Darstellung der Welt zugreifen, die schon verdichtet wurde. Komprimieren und Optimieren wären damit zwei aufeinanderfolgende Schritte. Für die Optimierung der internen Information haben die Forscher präzise mathematische Zusammenhänge entwickelt.

Eine gute Übereinstimmung zwischen Theorie und Daten wurde für die Verteilung der Lebensdauer von Musikalben auf Download Charts von Spotify gefunden. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass die Lebenszeit für tagesaktuelle Charts einer logarithmischen Verteilung folgt. Für wöchentliche Charts ist dagegen ein Potenzgesetz charakteristisch. Diesen auffallenden Unterschied zwischen täglichen und wöchentlichen Charts erklären Gros und seine Gruppe dadurch, dass es im Durchschnitt eine gewisse Zeit dauert, ein ganzes Album herunterzuladen und anzuhören. Früher war die Reaktion sogar noch stärker verzögert, weil die Käufer erst Zeit finden mussten, in den Laden zu gehen und eine Platte zu kaufen. Deshalb gab es früher auch Hits, die sich über einige Wochen an die Spitze hocharbeiteten, während heute – aufgrund der schnellen Informationsverbreitung – die Top Hits sofort auf Platz eins landen.

Die Vorhersagen für die statistische Lebensdauer von Musikdownloads und Tweets sind so exakt, dass man sogar den Einfluss des 24-Stunden-Tag-Nacht-Zyklus feststellen kann (weniger Aktivität in der Nacht). Darüber hinaus wurden ähnliche statistische Vorhersagen auch für die Bestsellerliste der New York Times gemacht sowie für die Billbord-Charts für klassische Musikalben.


Publikation: Lukas Schneider, Johannes Scholten, Bulcsú Sándor, Claudius Gros, Charting closed-loop collective cultural decisions: From book best sellers and music downloads to Twitter hashtags and Reddit comments, European Journal of Physics B (2021); https://doi.org/10.1140/epjb/s10051-021-00173-0

Weitere Informationen
Prof. Dr. Claudius Gros
Institut für Theoretische Physik
Campus Riedberg
E-Mail: gros07@itp.uni-frankfurt.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de  

 

Aug 5 2021
12:39

Biochemiker der Goethe-Universität erkennen interaktiven Mechanismus bakterieller Genschalter 

Vom Schalten und Walten in Bakterien

Wie halten sich Krankheiten auslösende Bakterien am Leben? Biochemisch gesprochen: Wie funktioniert ihre Genregulation und Gensynthese, also die gengesteuerte Produktion von Proteinen? Forscherinnen und Forscher des Instituts für Organische Chemie und Chemische Biologie der Goethe-Universität haben nun herausgefunden, wie sich ein bakterieller Genschalter am Ort der bakteriellen Gensynthese, dem Ribosom, strukturell verhält. Nur seine Wechselwirkung mit einem ribosomalen Protein macht den Fortbestand des Bakteriums möglich, wie die Forscherinnen und Forscher in der Fachzeitschrift Nature Communications demonstrieren.

FRANKFURT. Antibiotika setzen bakterielle Keime außer Kraft: Sie hemmen deren Wachstum oder lassen sie gar absterben, indem sie deren biologische Funktionen stören. Wenn die gleichen Antibiotika jedoch häufig eingesetzt werden, entwickeln Bakterien Resistenz, und das Antibiotikum verliert seine Wirkung. Je genauer Forscher nun die biologischen Prozesse in Bakterien kennen und wissen, wie Bakterien sich reproduzieren, desto gezielter können sie in diese Prozesse eingreifen – etwa durch neue Antibiotika.

Neue Erkenntnisse über einen Mechanismus zur Regulation der bakteriellen Gensynthese haben jetzt Forschende des Instituts für Organische Chemie und Chemischen Biologie der Goethe-Universität gewonnen. Sie untersuchten dabei einen sogenannten Riboschalter aus dem krankheitsauslösenden Bakterium Vibrio vulnificus. Riboschalter (Riboswitches) sind strukturierte Elemente auf der Boten-Ribonukleinsäure (mRNA), die genetische Information zum Ort der Gensynthese, dem Ribosom, transportiert. Die Schalter können dabei zwei Strukturen einnehmen, die das Ribosom als AN- oder AUS-Signal erkennt. Abhängig davon, ob diese genetische Ampel rot oder grün zeigt, findet dann Gensynthese statt oder eben nicht. Ob der Schalter grün oder rot anzeigt, hängt wiederum von kleinen Molekülen ab, die als Induktoren funktionieren. Sind diese häufig in der Zelle anzutreffen, schaltet die Ampel auf Grün. Bislang ging man davon aus, dass allein die Anwesenheit der Induktoren den Schalter in Gang setzt.

Als Teil ihrer Doktorarbeit konnte Vanessa de Jesus in der Arbeitsgruppe von Dr. Boris Fürtig nun zeigen, dass dazu jedoch eine Wechselwirkung vonnöten ist: zwischen dem Riboschalter, der durch den Induktor aktiviert wird, und dem Ribosom selbst, das seinerseits auf den Schalter einwirkt. „Nur die Synergie der Bindung des Induktors Adenin und des Ribosoms, insbesondere des Proteins rS1, ermöglicht eine vollständige Umschaltung“, erklärt Vanessa de Jesus.

Prof. Dr. Harald Schwalbe, aus dessen Sonderforschungsbereich zu molekularen Mechanismen der RNA-basierten Regulation die Arbeitsgruppe erwachsen ist, untersucht seit langem diese Art von Genregulation: „Bislang stand die Wechselwirkung zwischen Induktormolekül und Riboschalter im Fokus unseres wissenschaftlichen Interesses. Die Interaktion der Riboswitche mit dem Ribosom konnte jetzt von der Gruppe Fürtig federführend erforscht werden. Somit verstehen wir auch zunehmend besser das komplizierte dynamische Netzwerk von RNA-Schalter, Induktor und Ribosomen-Protein-Modulator.“

„Wir sind sehr glücklich, dass wir nach sechs Jahren sehr intensiver Arbeit gemeinsam mit den Kollegen aus dem Institut für Physikalische Chemie zeigen können, dass Riboschalter mitnichten ein rein RNA-basiertes Regulationssystem sind. Sie brauchen die Wechselwirkung mit Proteinen der Gensynthese-Maschine, um korrekt zu funktionieren. Damit haben wir völlig neue Angriffspunkte für Antibiotika“, erläutert Dr. Boris Fürtig die Forschungserkenntnisse seiner Gruppe. Ziel ist es, Moleküle herzustellen, die in die Regulation der Gensynthese von Bakterien punktgenau eingreifen und das Wachstum der Keime hemmen können.

Publikation: Vanessa de Jesus, Nusrat S. Qureshi, Sven Warhaut, Jasleen K. Bains, Marina S. Dietz, Mike Heilemann, Harald Schwalbe, Boris Fürtig, “Switching at the ribosome: riboswitches need rProteins as modulators to regulate translation", Nature Communications DOI: 10.1038/s41467-021-25024-5

Bild zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/104138996

Bildtext: Strukturmodell des Riboschalters im AN-Zustand (grün) im Komplex mit der bakteriellen Gensynthese Maschine, dem Ribosom (blau und grau) (Abb. Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie/Goethe-Universität)

Weitere Informationen
Dr. Boris Fürtig
Vanessa de Jesus
Prof. Dr. Harald Schwalbe
Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie
Goethe-Universität
fuertig@nmr.uni-frankfurt.de
schwalbe@nmr.uni-frankfurt.de
dejesus@nmr.uni-frankfurt.de
www.covid19-nmr.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531p.barth@em.uni-frankfurt.de 

 

Aug 4 2021
13:57

Eltern mit Kindern unter 15 Jahren sind dazu eingeladen, an einer bundesweiten Umfrage der Goethe-Universität teilzunehmen.  

Wie sind Eltern mit den Veränderungen durch die Pandemie im Alltag umgegangen?

FRANKFURT. Die Erziehungswissenschaftlerinnen Johanna Wilmes und Prof. Dr. Sabine Andresen (Goethe-Universität) befragen Eltern zu ihrer derzeitigen Situation und zum Familienleben durch eine Online-Befragung. Es geht darum, Herausforderungen zu identifizieren, Unterstützungsbedarfe zu erfassen und Einblicke in den familiären Alltag zu gewinnen. Wie geht es ihnen aktuell? Wie sind Eltern mit den Veränderungen durch die Pandemie im Alltag umgegangen? Welche Bedarfe haben sie, wie schätzen sie die Situation für ihre Kinder ein?

Diese und weitere Fragen sollen zu Erkenntnissen führen, die für Herausforderungen von Eltern sensibilisieren und politische Programme formen sollen. „Ohne die individuellen Erfahrungen von Eltern und Kindern in den Blick zu nehmen, lassen sich Programme zur effektiven Unterstützung kaum passgenau umsetzen“, so Prof. Dr. Sabine Andresen. Johanna Wilmes ergänzt: „Bereits im Frühjahr 2020 zeigte sich in einer Umfrage das große Mitteilungsbedürfnis von Eltern zu ihrer Situation. Viele haben nicht das Gefühl, wahrgenommen und anerkannt zu werden.“ Ziel der Studie ist es, gesellschaftliche und politische Debatten mit der Perspektive von Eltern zu bereichern und ihren Lebensalltag in den Mittelpunkt zu stellen.

Bundesweit sind Eltern mit Kindern unter 15 Jahren dazu eingeladen, an der Umfrage teilzunehmen. Die Teilnahme dauert etwa 20 Minuten und endet mit einer Verlosung über 10 Gutscheine im Wert von je 20 Euro. Link zur Umfrage: https://www.soscisurvey.de/Corona-Eltern/

Das Projekt „Familienalltag in der COVID-19 Pandemie“ wird durch den Goethe-Corona-Fonds gefördert.

Bei Fragen zur Studie: wilmes@em.uni-frankfurt.de  

Weitere Informationen zum Projekt: https://tinygu.de/corona-eltern


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Aug 2 2021
13:18

Befragte der „Universität des 3. Lebensalters“ an der Goethe-Universität sehen viele Vorteile des virtuellen Lehrbetriebs, betonen aber auch die Bedeutung des ‚realen‘ Campuslebens.

Umfrage: Hohe Akzeptanz digitaler Veranstaltungen unter Studierenden der U3L

FRANKFURT. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie wurden auch die Veranstaltungen der „Universität des 3. Lebensalters“ an der Goethe-Universität nur noch im virtuellen Modus durchgeführt. Hat diese Digitalisierung nun die Akzeptanz der Studienangebote, die sich vor allem an ältere Erwachsene richten und bis zum Beginn der Pandemie nur in Präsenz durchgeführt wurden, verändert? Eine Befragung der U3L-Studierenden, an der sich 57 Prozent der im Sommersemester 2021 eingeschriebenen Studierenden beteiligt haben, zeigt: Die Akzeptanz digitaler Veranstaltungen ist überraschend hoch, man weiß vor allem die örtliche und zeitliche Flexibilität zu schätzen. Eine Mehrheit der Befragten (61 Prozent) wünscht sich für die Zukunft aber beides: Präsenzveranstaltungen und digitale Veranstaltungen.

„Die Befragten schätzen die Flexibilität und den Komfort, die ihnen das digitale Studienangebot bietet. Sie berichten mehrheitlich, dass es ihnen gut gelingt, in den Online-Modus einzusteigen und ihre Lernprozesse an die neuen Medien anzupassen“, erklärt Silvia Dabo-Cruz, Geschäftsführerin der Universität des 3. Lebensalters. So hätten Befragte angegeben, dass sie durch die entfallende Fahrtzeit an mehreren Tagen an Veranstaltungen teilnehmen können. Die Entfernung spiele keine Rolle mehr. Gerade in den Zeiten des harten Lockdowns sei der virtuelle Besuch in der U3L zugleich auch ein wichtiges Tor zur Welt gewesen, hätten Teilnehmende der Befragung berichtet. Gleichzeitig werde aber auch angemerkt, dass direkte Begegnungen mit Lehrenden und Studierenden und das Campusleben fehlten. „Für die Zukunft denken wir daher an ein Studienangebot, das Online- und Präsenzlehre kombiniert“, sagt Silvia Dabo-Cruz. „Denn auch wenn digitale Veranstaltungen eine hohe Akzeptanz erfahren und es sogar eine neue Studierendengruppe außerhalb der Rhein-Main-Region gibt, die die U3L nur aus der Ferne kennt, so bleibt die Attraktivität von Präsenzveranstaltungen bestehen.“ Letzteres gelte umso mehr, als man auch jene Stammhörer*innen der U3L, die sich von der Online-Lehre aufgrund unterschiedlichster Umstände nicht angesprochen fühlten, gerne wieder dabeihätte. 

Die Universität des 3. Lebensalters ist eine Bildungsinstitution an der Goethe-Universität. Angesprochen sind insbesondere ältere Erwachsene, die sich in Seminaren, Vorlesungen, Arbeitsgruppen innerhalb eines akademischen Rahmens mit Fragen der Wissenschaft und Bildung auseinandersetzen und an der eigenen Weiterbildung arbeiten wollen. Darüber hinaus wird Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit Fragen des Alterns, des höheren Alters und zur Teilnahme an gerontologischen Forschungsprojekten gegeben.

Mehr zu den Ergebnissen der Umfrage: https://www.uni-frankfurt.de/102709372/Blitzumfrage

Kontakt: Claudia Koch-Leonhardi, Studieninformation/Öffentlichkeitsarbeit, Universität des 3. Lebensalters an der Goethe-Universität Frankfurt am Main e.V. Tel. (069)-798 28861; koch-leonhardi@em.uni-frankfurt.de; www.u3l.uni-frankfurt.de

Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de  

 

Jul 30 2021
12:14

Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität legen aktuelle Übersichtsarbeit zur Freisetzung von Altlasten aus Sedimenten vor

Hochwasser: Gift aus dem Flussbett

Eine langfristige Gefahr durch Hochwasser wird häufig unterschätzt: Die reißenden Flüsse wirbeln Schadstoffe aus ihren Sedimenten auf, die von Umweltverschmutzungen vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten herrühren. Solche Schadstoffe können nicht nur ökologische Schäden im Fluss verursachen. In Überschwemmungsgebieten können sich die Schadstoffe ablagern und Ackerpflanzen, Weidetiere und Menschen belasten. Darauf hat ein internationales Wissenschaftsteam in einer Übersicht zu wissenschaftlichen Untersuchungen von Hochwasserereignissen in der ganzen Welt hingewiesen. Die Arbeit ist im Journal of Hazardous Materials erschienen und unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt entstanden.

FRANKFURT. Sedimente gelten als Langzeitgedächtnis eines Flusses. In der Hauptsache bestehen sie aus Partikeln, die vom Erdboden abgetragen werden und irgendwann in Flussdeltas oder im Meer landen. Sedimente können jedoch auch für verhältnismäßig lange Zeit stabil bleiben – und Schadstoffe binden, die zum Beispiel durch Bergbau- oder Industrieabwässer in die Flüsse gelangt sind. Entsprechend befinden sich in vielen Altsedimenten der Flüsse Schadstoffe als „chemische Zeitbomben“ wie zum Beispiel Schwermetalle oder schwer abbaubare Dioxine und dioxin-ähnliche Verbindungen.

Bei Hochwasserereignissen in den industriell geprägten Regionen Europas, Nordamerikas und Asiens können infolge der hohen Fließgeschwindigkeiten auch Altsedimente aufgewühlt werden. Dabei werden regelmäßig die in ihnen gebundenen Schadstoffe auf einen Schlag freigesetzt und kontaminieren Überflutungsgebiete. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen dazu hat ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt, der RWTH Aachen, der kanadischen University of Saskatchewan und weiteren Partnerinnen in einer aktuellen Übersichtsarbeit zusammengestellt. Darin zeigen die Forscher:innen unter Federführung der Frankfurter Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Sarah Crawford und dem kanadischen Forscher Prof. Markus Brinkmann zum Beispiel auf, welche Schadstoffbelastungen infolge verschiedener Überflutungsereignisse gemessen wurden, welche Testsysteme für verschiedene Schadstoffe entwickelt wurden und wie sich unterschiedliche Sedimente bei hohen Fließgeschwindigkeiten verhalten. Die Gefahren für die Trinkwassergewinnung werden ebenso geschildert wie etwa der Einfluss der Temperatur auf die Schadstoffaufnahme durch Fische und Methoden zur Bewertung der mit der Remobilisierung von Schadstoffen verbundenen ökonomischen Kosten.

Henner Hollert, Professor für Umwelttoxikologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Seniorautor der aktuellen Publikation ist trotz der langjährigen Forschung zum Thema sehr besorgt: „Ich habe den Eindruck, dass das Problem der Schadstoffe aus den Altsedimenten in Deutschland und auch in Europa stark unterschätzt wird. Das mag auch daran liegen, dass es bislang praktisch keine Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Folgen dieses Problems gibt, wie wir zeigen konnten. Schadstoffbelastete Altsedimente sind aber eine tickende Zeitbombe, mit jeder Flut hochgehen kann. Wir brauchen jetzt flächendeckend ein gutes Management der Flüsse, das nicht nur unmittelbare Gefahren für Menschen, Tiere und Bauwerke in den Blick nimmt, sondern auch die langfristigen Folgen durch die Altlasten in den Flussbetten. So müssen wir zum Beispiel unbedingt die landwirtschaftlich genutzten Überflutungsgebiete auf Fluss-spezifische Schadstoffe untersuchen, damit diese nicht in Form von Fleisch und Milchprodukten auf unseren Tellern landen.“

Auch die aktuellen extremen Hochwasserereignisse in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen werden von Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität in Kooperation mit der RWTH Aachen, der University of Saskatchewan in Kanada, dem Helmholtzzentrum für Umweltforschung Leipzig, dem ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung, dem Senckenberg-Institut, dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsforschung und vielen weiteren Partnern in einem interdisziplinären Ansatz von den biologischen, ökotoxikologischen, ökologischen, geowissenschaftlichen, wasserbaulichen, aber auch sozialökologischen und ökonomischen Folgen untersucht. Diese Untersuchungen sind eingebettet in den neuen Forschungscluster RobustNature an der Goethe-Universität, der Robustheit und die Resilienz von Natur-Gesellschaftssystemen im sich veränderten Anthropozän untersucht und zur wissensbasierten Transformationsforschung an den Beispielen Biodiversität und Wasser beitragen möchte – also vom Wissen zum Handeln.

Publikationen: Sarah E. Crawford, Markus Brinkmann, Jacob D. Ouellet, Frank Lehmkuhl, Klaus Reicherter, Jan Schwarzbauer, Piero Bellanova, Peter Letmathe, Lars M. Blank, Roland Weber, Werner Brack, Joost T. van Dongen, Lucas Menzel, Markus Hecker, Holger Schüttrumpf & Henner Hollert: Remobilization of pollutants during extreme flood events poses severe risks to human and environmental health. Journal of Hazardous Materials 421 (2022) 126691 https://doi.org/10.1016/j.jhazmat.2021.126691

Der Artikel ist unter dem folgenden Link des Verlages die nächsten 6 Wochen frei zugänglich: https://authors.elsevier.com/c/1dSu515DSlK2Np  

Zur Hintergrundinformation: Henner Hollert, Markus Brinkmann, Sebastian Hudjez, Catrina Cofalla, Holger Schüttrumpf: Hochwasser – ein unterschätztes Risiko. Schadstoffe als „Zeitbomben“ im Sediment. Biologie in unserer Zeit, 1/2014 (44) https://doi.org/10.1002/biuz.201410527

Bild zum Download:
www.uni-frankfurt.de/103948311

Bildtext: Die Remobilisation von Schadstoffen aus Sedimenten bei extremen Hochwässern ist eine bisher unterschätzte Folge von Extremereignissen. Bild: Crawford, S. et al. (2021) J. Haz. Mat.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Henner Hollert
Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
und
LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik
Tel +49 69 798-42171 und +49-151-14042119
hollert@bio.uni-frankfurt.de
https://www.bio.uni-frankfurt.de/43970666/AK_Hollert


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de 

 

Jul 27 2021
10:57

Neues Publikationsformat präsentiert Positionen und Projekte aus den AIWG-Wissenschaftsformaten

AIWG gibt erstes „WiFo paper“ zur Normativität des Korans heraus 

Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat heute die erste Ausgabe ihres neuen Formats WiFo paper (Wissenschaftsformate) veröffentlicht. Der erste Artikel beschäftigt sich multiperspektivisch mit den sogenannten Normenversen des Korans. Deren Auslegungen werden unter Musliminnen und Muslimen seit jeher kontrovers diskutiert. Der Beitrag reflektiert klassische Diskurse zu diesen Normenversen und erläutert die vielfältigen Deutungsweisen am Beispiel der Verse zum Erbrecht.

FRANKFURT. Wie normativ ist der Koran, und was bedeutet das für den muslimischen Alltag in Deutschland? Welche Rolle spielt der Text für muslimische Menschen, die in säkularer Umgebung leben? Wie lassen sich normhaltige Verse im islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen behandeln? Diesen Fragen gehen eine Wissenschaftlerin und zwei Wissenschaftler der AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Korans im Zeichen gesellschaftlichen Wandels“ in ihrem jetzt erschienen gleichnamigen Artikel nach. Dr. Farid Suleiman und Dr. Abdelaali El Maghraoui zeigen, dass es verschiedene Modelle koranischer Normativität gibt. Einige davon stellen die beiden Autoren im Artikel näher vor. Zudem diskutieren sie den Begriff der „Normenverse“ des Korans selbst, auf Arabisch āyāt al-aḥkām. Die Lehrerin Sarah Rahman beschäftigt sich sodann mit der Frage, welche Möglichkeiten für die Diskussion der Normverse sich in der religionspädagogischen Praxis ergeben können.

Auch wenn es natürlich immer eine Tendenz gegeben habe, einen allgemeinen Konsens über koranische Auslegungen herbeizuführen, zeigt der Beitrag, dass Absolutheitsansprüche aufgrund der Vielfalt der bestehenden Meinungen klassischer und zeitgenössischer Rechtsgelehrter schwer haltbar sind. Bestimmte Verse des Korans seien sicher normativ, jedoch könne das Konzept der Normativität selbst in unterschiedlichen Formen verstanden werden. Sara Rahman ergänzt die islamrechtlichen und exegetischen Ausführungen mit religionspädagogischen Vorschlägen. Die Gymnasiallehrerin zeigt, wie Kindern und Jugendlichen die komplexe Vielfalt des Islams im Islamischen Religionsunterricht anhand praktischer Übungen nähergebracht werden kann.

„Der jetzt veröffentlichte Beitrag gibt Einblick in eine für den deutschsprachigen Raum fachübergreifende und umfassende Abhandlung zu islamtheologischen Fragen der Normativität des Korans. Er stellt eine Momentaufnahme aus der mehrjährigen Forschung unserer Longterm-Forschungsgruppe an den Universitäten Tübingen und Erlangen-Nürnberg dar, die dem weiten thematischen und historischen Spektrum der Diskurse gerecht wird und die Dynamik und den Wandel im Verständnis des Korans aufzeigt und erklärt. Damit solche Arbeiten und Erkenntnisse nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft bleiben, will die AIWG mit ihrem neuen Publikationsformat eine Brücke in die interessierte Öffentlichkeit schlagen“, kommentiert Dr. Raida Chbib, Geschäftsführerin der AIWG, das Erscheinen des ersten Beitrags aus den AIWG Forschungsgruppen im neuen Format.

Die AIWG richtet sich mit diesem Format an die wissenschaftliche Fachcommunity, aber auch an Lehrkräfte, Studierende, Journalistinnen und Journalisten und weitere Fachleute aus der Praxis. Das Publikationsformat ist nicht rein fachwissenschaftlich, die Beiträge reflektieren jedoch die aktuelle Forschung. „Insbesondere bei aktuellen gesellschaftsrelevanten Fragen ist es wichtig, dass verlässliche und fachlich ausgewiesene Erkenntnisse möglichst zeitnah verfügbar sind. Die WiFo papers sollen Informationen, aber auch Forschungslücken sichtbar machen, die ansonsten nur einem begrenzten Fachpublikum zugänglich wären“, so Dr. Raida Chbib.

Dr. Farid Suleiman ist wissenschaftlicher Koordinator der AIWG-Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Korans im Zeichen gesellschaftlichen Wandels“ am Department Islamisch-Religiöse Studien der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören islamische Gottes- und Menschenbilder sowie deren Verhältnis zu klassischen Konzeptionen von Normativität. Dr. Abdelaali El Maghraoui ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der AIWG-Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Koran im Zeichen gesellschaftlichen Wandels“, Teilprojekt Islamisches Recht am Zentrum für Islamische Theologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem Islamische Normenlehre in Vergangenheit und Gegenwart sowie die sozialen und ethischen Aspekte des Islamischen Rechts. Sara Rahman hat Chemie, Psychologie und Philosophie studiert und ist Gymnasiallehrerin in Wien. Zudem lehrt sie an der Universität Wien zum Verhältnis von Pädagogik und Religion seit der Aufklärung. Sie ist ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin in der AIWG-Longterm-Forschungsgruppe.

Die AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Korans im Zeichen gesellschaftlichen Wandels“ hat das Ziel, die Debatte über die Normenverse des Korans mithilfe eines multidimensionalen Ansatzes wissenschaftlich zu ordnen und in einen Bezug zu praktischen Fragestellungen zu bringen. Das standortübergreifende Projekt wird von Prof. Dr. Mohammed Nekroumi (Universität Nürnberg-Erlangen), Prof. Dr. Mouez Khalfaoui (Universität Tübingen) und Prof. Dr. Fahimah Ulfat (Universität Tübingen) geleitet. Das vierjährige Projekt ist im September 2018 angelaufen.

Über die AIWG
Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen islamisch-theologischen Studien und benachbarten Fächern sowie Akteuren und Akteurinnen aus der muslimischen Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Stiftung Mercator.

Publikation: WiFo paper „Die Normativität des Korans“

Bilder zum Download: https://www.puk.uni-frankfurt.de/103459252

Bildtext: Cover des neuen Publikationsformats WiFo paper

Weitere Informationen
Stefanie Golla
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft
Goethe-Universität
Telefon 069 798-22459
E-Mail golla@aiwg.de
Homepage https://aiwg.de/


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de  

 

Jul 23 2021
09:51

In der neuen Ausgabe von Forschung Frankfurt skizzieren Experten von Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt den Reformbedarf nach Corona

Pandemie-Lehren für das Gesundheitswesen

Seine Leistungsfähigkeit hat Deutschlands Gesundheitswesen während der Pandemie im internationalen Vergleich gut dastehen lassen, meinen der Gesundheitsweise Ferdinand Gerlach (Goethe-Universität) und der Planungsstableiter „Stationäre Versorgung“ Prof. Jürgen Graf (Universitätsklinikum Frankfurt) in der jüngsten Ausgabe von Forschung Frankfurt. Trotzdem sehen die beiden Experten großen Reformbedarf etwa in Strukturen und Digitalisierung. Unter dem Titel „Pandemie: Was bleibt?“ berichtet das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität über die Auswirkungen der Pandemie auf Menschen und Gesellschaft.

FRANKFURT. Deutschland hat in der Pandemie von seinen ambulanten und regionalen Strukturen profitiert, sind sich Prof. Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor und Vorstandvorsitzender des Universitätsklinikums Frankfurt und Leiter des hessischen Planungsstabs „Stationäre Versorgung von COVID-19-Patientinnen und Patienten“ und Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin und Vorsitzender des Sachverständigenrats zu Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, einig: 90 Prozent der an COVID-19 Erkrankten wurden ambulant versorgt, dadurch wurden die Krankenhäuser nicht überlastet. Doch um diese Leistungsfähigkeit auch künftig sichern zu können, so fordern die beiden Wissenschaftler, müssten künftig zum Beispiel überflüssige Operationen vermieden, die Datenvernetzung verbessert und die lokalen Gesundheitsversorger wie auch die Gesundheitsämter besser unterstützt werden. Auch in seinen Strukturen müsse das Gesundheitswesen fit gemacht werden für künftige Herausforderungen wie zum Beispiel den Klimawandel – allein im Hitzejahr 2018 starben in Deutschland 20.000 Menschen mehr als in Durchschnittsjahren an Austrocknung und Überhitzung.

In weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität beispielsweise darüber, wie die Erfahrung mit digitalem Lernen im Distanzunterricht die schulische Bildung verändert, wie die Pest in der frühen Neuzeit durch eine Politik staatlicher Intervention bekämpft wurde und wie die Pandemie die Rezeption von Filmen beeinflusst hat.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei ott@pvw.uni-frankfurt.de

Alle Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 23 2021
09:37

Die Koreastudien an der Goethe-Universität erhalten 700.000 Euro für den weiteren Ausbau ihres Angebots / In zehn Jahren von 20 auf 400 Studierende

Rückenstärkung für die Koreaforschung

Das Fach Koreastudien an der Goethe-Universität gehört zu den sogenannten „kleinen Fächern“. Umso beachtlicher, dass das Fach nun 700.000 Euro an Drittmitteln eingeworben hat. Das Geld fließt in das Projekt „Cultivating Diversity: The global in Korea, Korea in the global“ und soll dazu beitragen, Lehre, Forschung und regionale Zusammenarbeit im Bereich Koreastudien voranzubringen.  

FRANKFURT. Seit 2010 gibt es an der Goethe-Universität einen Schwerpunktbereich Koreastudien, angesiedelt am Institut für Ostasiatische Philologien. Die Zahl der Studierenden ist von damals 20 auf heute 400 angestiegen – und das Interesse wächst weiter, schätzt Yonson Ahn, die als Inhaberin der einzigen Professur des Schwerpunktbereichs Koreanische Kultur und Gesellschaft lehrt. Der wachsenden Nachfrage kann sie nun mit Hilfe von Drittmitteln besser gerecht werden. Die Academy of Korean Studies (AKS) hat für die nächsten fünf Jahre rund 700.000 Euro an Fördermitteln zugesagt, die in Forschung, Lehre und „Outreach“ fließen sollen.

„Ich freue mich sehr über diesen Drittmittelerfolg. Die Koreastudien sind ein kleines Fach mit großer Ausstrahlung. Die Goethe-Universität hat sich in diesem Bereich dank Professorin Ahn über die Grenzen hinaus einen Namen gemacht“, sagt Prof. Bernhard Brüne, der als Vizepräsident zuständig ist für Forschungsthemen. Die Mittel, die vom südkoreanischen Ministerium für Bildung zur Verfügung gestellt werden, sollen dazu dienen, das Fach Koreanistik im Ausland (aus koreanischer Perspektive) zu stärken („Empowering Korean Studies through innovative education, research and regional cooperation in Germany“). Außer der Goethe-Universität wurde in Europa in 2021 lediglich die University of Oxford mit einer Förderzusage bedacht. Das Frankfurter Forschungsprojekt befasst sich mit ethnischer und kultureller Diversität in Korea und in koreanischen Populationen in anderen Ländern. Der Titel lautet: „Cultivating Diversity: The global in Korea, Korea in the global“.

Der Förderzusage sind zwei erfolgreich abgeschlossene Drittmittelprojekte innerhalb des Seed Program for Korean Studies vorausgegangen, die jeweils über drei Jahre liefen – von 2015 bis 2021. Auch sie dienten der Forschung und dem Ausbau des Studiengangs Koreastudien. Im Rahmen des Korean Studies Promotion Program der AKS haben sich die Koreastudien der Goethe-Universität nun für das Folgeprojekt „Core University Program for Korean Studies“ mit einer Gesamtdauer von fünf Jahren – von Juni 2021 bis Mai 2026 – qualifiziert.

In diesem Drittmittelprojekt arbeiten die Koreastudien Frankfurt unter der Leitung von Professorin Ahn eng mit der Koreanistik der Universität Hamburg unter Professorin Yvonne Schulz Zinda und der Koreanistik der Universität Bonn unter Juniorprofessorin Nadeschda Bachem zusammen. Insbesondere soll ein umfassendes hochschulübergreifendes Netzwerk zwischen den Instituten aufgebaut werden, um gemeinsam Lehre, Nachwuchsförderung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Forschung weiterzuentwickeln und so auch die Koreaforschung innerhalb des Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien (IZO) an der Goethe-Universität zu stärken.

Im Bereich Lehre sollen im Projekt neue Seminare konzipiert und durchgeführt, das digitale Lehrangebot soll ausgeweitet werden. Um junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern, sollen deren Masterarbeiten und Dissertationen gemeinsam betreut werden. Darüber hinaus ist geplant, verstärkt mit Schulen zu kooperieren. Um die Koreastudien sichtbarer zu machen, wird auch ein Augenmerk auf der Öffentlichkeitsarbeit liegen. Niedrigschwellige Angebote sollen hier den Zugang zu Themen der Koreastudien erleichtern.

Insgesamt neun weitere Forscherinnen und Forscher befassen sich im Rahmen des Projektes „Cultivating Diversity: The global in Korea, Korea in the global" unter der Leitung von Yonson Ahn mit einer breiten Spanne von interdisziplinären, transnationalen und intersektionalen Themen. Besondere Schwerpunkte liegen dabei u.a. auf den Themen Migrationsgeschehen, Gender, Kunst und Medien.

Die Goethe-Universität ist inzwischen Hessens einzige Hochschule mit einem Fokus auf Asienstudien. Nachdem andere Institute mit Asienbezug 2008 nach Frankfurt verlagert worden waren, entstand hier das Interdisziplinäre Zentrum für Asienstudien (IZO). Seitdem haben die Koreastudien sowohl qualitativ als auch quantitativ an Bedeutung zugenommen. Studierende können hier ohne Vorkenntnisse ein Studium der Koreanistik beginnen. Außer der Sprache werden im Studium auch Politik, Kultur und Literatur des Landes gelehrt. Die große Beliebtheit erklärt sich Prof. Yonson Ahn durch die Beliebtheit der koreanischen Film- und Popkultur, etwa der Popband BTS oder die in Cannes bzw. Oscar prämierten Filme, Parasites und Minari. Absolventen hätten durchaus gute Zukunftsaussichten: In Frankfurt lebt die mit Abstand größte Anzahl von Auslandskoreanern in Europa, es gibt zahlreiche koreanische Firmen, eine koreanische Handelsvertretung (KOTRA) sowie ein koreanisches Konsulat.

Ein Porträt von Prof. Yonson Ahn zum Download: www.uni-frankfurt.de/103380737

Bildtext: Prof. Yonson Ahn lehrt an der Goethe-Universität Koreanische Kultur und Gesellschaft.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Yonson Ahn
Schwerpunktbereich Koreastudien
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Email: Y.Ahn@em.uni-frankfurt.de
Tel.: +49 (0)69 798-23769 bzw. -22872
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korea.uni-frankfurt.de   

https://www.youtube.com/watch?v=AUSJMNwwpxI


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jul 22 2021
12:31

Wer besiegt den Schwarzen Tod? Rechtshistoriker David von Mayenburg berichtet in „Forschung Frankfurt“ über den Streit um den richtigen Umgang mit der Pest in Mittelalter und früher Neuzeit

Juristen contra Mediziner 

Juristen spielten bei der Pestbekämpfung vom Spätmittelalter an eine wachsende Rolle: Während die Mediziner noch darüber stritten, ob die Körpersäfte schuld waren an der Ausbreitung der Seuche, organisierten juristisch gebildete Amtsträger eine beispiellose Strategie staatlicher Intervention. Diese war zwar erfolgreich, oft aber auch brutal, wie Rechtshistoriker Prof. David von Mayenburg im neuen „Forschung Frankfurt“ darlegt.

FRANKFURT. Im Jahr 1606 brach in der Umgebung der kleinen Universitätsstadt Altdorf bei Nürnberg die Pest aus. Die Studenten ergriffen aus Angst vor Ansteckung die Flucht – zum Missfallen einiger Professoren. Insbesondere Vizekanzler Konrad Rittershausen, ein Jurist, widersetzte sich seinen Kollegen aus der Medizin und rief den akademischen Nachwuchs zur Rückkehr auf. „Der Fall Altdorf steht beispielhaft für das auch heute noch häufig schwierige Verhältnis medizinischer und juristischer Experten in Fragen der Seuchenbekämpfung“, schreibt Prof. David von Mayenburg in der neuesten Ausgabe von Forschung Frankfurt, die den Schwerpunkttitel „Pandemie: Was bleibt?“ trägt. Der Rechtshistoriker nahm den Fall zum Anlass für ein Projekt zur Frage, wie die juristischen Experten des Mittelalters und der frühen Neuzeit auf die Pest reagierten, wie sie mit anderen Experten interagierten und welche Bedeutung juristisches Expertenwissen für den Aufstieg des modernen Gesundheitsstaats hatte. In „Forschung Frankfurt“ entwirft er ein lebendiges Bild früherer Gesellschaften und deren Umgang mit Pandemien bis hin zu den strikten Methoden eines Girolamo Gastaldi im Rom des 17. Jahrhunderts. Parallelen zur heutigen Corona-Situation drängen sich auf, die ebenfalls nicht nur medizinische, sondern auch viele juristische Fragen aufwirft. 

Weitere Beiträge in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität gehen zum Beispiel folgenden Fragen nach: Was wissen wir über die körperlichen Langzeitfolgen von COVID, insbesondere bei kardiologischen Beschwerden? Wie können wir unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser aufstellen? Wie hat die Coronapandemie unser Zusammenleben geprägt? Was wird im Schulalltag übrigbleiben von Homeschooling und Distanzlernen? Und wie kann sich die Wirtschaft für weitere Krisen besser wappnen? Ein Blick in die Vergangenheit lehrt, wie im alten Athen Seuche und Exzess Hand in Hand gingen und dass in China schon einmal die erfolgreiche Pandemiebekämpfung den Status der Machthaber festigte – nämlich bei den mächtigen Kaisern der Qing-Dynastie.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Alle Beiträge sind online verfügbar unter: www.forschung-frankfurt.de.

Weitere Informationen
Prof. Dr. David von Mayenburg
Professur für Neuere Rechtsgeschichte, Geschichte des Kirchenrechts und Zivilrecht
Goethe-Universität Frankfurt am Main
E-Mail mayenburg@jur.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jul 22 2021
10:27

Forscherteam mit Beteiligung der Goethe-Universität schlägt erfolgreich ehemaligen Steinbruch in Niedersachsen als Global Stratotype Section and Point vor

„Goldener Nagel“ eingeschlagen: Steinbruch bei Salzgitter wird weltweiter geologischer Referenzpunkt

Ein Wissenschaftsteam der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität Warschau, des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover, und weiterer Institutionen hat in Salzgitter-Salder das gefunden, wonach Forscher mehr als 20 Jahre lang weltweit gesucht haben: Eine geologische Formation, die perfekt den Übergang der Kreidezeitalter Turon und Coniac abbildet. Das Team hat den ehemaligen Kalksteinbruch so genau charakterisiert, dass er nun als weltweiter Referenzpunkt für die Zeitenwende vor 89,4 Millionen Jahren gilt. Dies wurde von der International Union of Geological Sciences bekannt gegeben, die dem Schichtenprofil den Titel „Global Stratotype Section and Point“ (GSSP) verlieh.

FRANKFURT/HANNOVER. Das internationale Team von Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern um Prof. Silke Voigt von der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Ireneusz Walaszczyk von der Universität Warschau und Dr. André Bornemann vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) haben 40 Meter der geologischen Schichtenfolge im ehemaligen Kalksteinbruch am Hasselberg eingehend untersucht. Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass nur hier der Übergang zwischen Turon und Coniac lückenlos ist und daher eine perfekte Gesteinsabfolge darstellt, um Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftlern aus aller Welt als Referenz für deren Forschung zu dienen – als „Global Stratotype Section and Point“ oder, im Jargon der Geowissenschaften, als „goldener Nagel“.

Mit dem Coniac treten bestimmte Muschelarten auf, so genannte Inoceramen, die in Salder zahlreich zu finden sind. In Schicht 46 des Steinbruchs, so stellte das deutsch-polnische Wissenschaftsteam fest, findet sich erstmals die Inoceramen-Art Cremnoceramus deformis erectus und markiert damit die Zeitengrenze, ebenso wie weitere Mikrofossilien und eine charakteristische Änderung im Verhältnis der Kohlenstoffisotope 12C und 13C, eine so genannte negative Anomalie im Kohlenstoffkreislauf.

„Damit können nun geologische Schichtenprofile wie zum Beispiel marine Schelfsedimente in Mexiko oder der Tiefsee im tropischen Atlantik miteinander verglichen und zeitlich eingeordnet werden“, erläutert Prof. Silke Voigt. „Dies ist wichtig, um auch bei unvollständigen Schichtenprofilen eine genaue zeitliche Einordnung vornehmen zu können und letztlich zu sehen, wie zum Beispiel das Klima zu einem bestimmten Zeitpunkt der Vergangenheit an verschiedenen Orten der Welt beschaffen war.“

Prof. Ireneusz Walaszczyk sagt: „Die Schichtenfolge in Salzgitter-Salder konnte sich gegenüber anderen Kandidaten zum Beispiel in den USA, in Indien, Madagaskar, Neuseeland und Polen durchsetzen, weil wir hier über 40 Meter eine perfekte Gesteinsschichtenabfolge haben, die ein gut definiertes Abbild der Ereignisse darstellt, die in diesem geologischen Zeitintervall stattgefunden haben.“

„Das Zechsteinmeer hat vor mehr als 250 Millionen Jahren mächtige Salzschichten im norddeutschen Becken hinterlassen“, erklärt André Bornemann. „Die später abgelagerten Gesteinsschichten übten Druck auf diese Salzschichten aus, die sich zum Teil zu großen Salzstöcken aufwölbten und damit jüngere Schichten deformierten. In der Nähe eines solchen Salzstocks liegt Salder, sodass hier die fossilreichen Gesteinsschichten der Kreidezeit steil aufgerichtet sind und ein wunderbares, für wissenschaftliche Untersuchungen sehr gut zugängliches Profil ergeben. Daher haben wir vom LBEG diesen Ort als Geotop ausgewiesen, und dieser ist einer der bedeutendsten Geopunkte des UNESCO Geoparks Harz-Braunschweiger Land-Ostfalen.“

Hintergrund:
Im Kalksteinbruch am Hasselberg bei Salder im Nordosten des Salzgitterschen Höhenzuges wurden früher Kalksteine und Mergel für die Zementindustrie und zum Schluss für die Erzaufbereitung abgebaut. Heute befindet sich dort ein bekanntes Biotop und Geotop als Eigentum der Stiftung Naturlandschaft, die vom BUND-Landesverband Niedersachsen eingerichtet wurde. Während die Betreuung des Steinbruchgeländes der Kreisgruppe Salzgitter des BUND übertragen wurde, kümmert sich der UNESCO Geopark Harz-Braunschweiger Land-Ostfalen um den geowissenschaftlichen Part des Steinbruchs. Der Steinbruch ist aus Naturschutzgründen nicht frei zugänglich, aber es werden gelegentlich geführte Wanderungen angeboten.

Vor 90 Millionen Jahren, in der zweiten Hälfte der Kreide, war es tropisch warm auf der Erde: Die eisfreien Pole sorgten für einen hohen Meeresspiegel, Mitteleuropa bestand aus einer Schar von Inseln. Im Meer entwickelten Ammoniten eine ungeheure Formenvielfalt, an Land herrschten die Dinosaurier. Die ersten Blütenpflanzen begannen, Schachtelhalmen und Farnen Konkurrenz zu machen. Vor 89,39 Millionen Jahren fing das Klima an, sich leicht abzukühlen und der Meeresspiegel von seinem Höchststand etwas zu sinken: Ein neuer erdgeschichtlicher Abschnitt, das Zeitalter Coniac, löste das Zeitalter Turon ab.

Publikation: Voigt S, Püttmann T, Mutterlose J, Bornemann A, Jarvis I, Pearce M, Walaszczyk, I (2021) Reassessment of the Salzgitter-Salder section as a potential stratotype for the Turonian–Coniacian Boundary: stable carbon isotopes and cyclostratigraphy constrained by nannofossils and palynology. Newsl Stratigr, 54/2, 209–228, https://doi.org/10.1127/nos/2020/0615

Walaszczyk, I., Čech, S., Crampton, J.S., Dubicka, Z., Ifrim, C., Jarvis, I., Kennedy, W.J., Lees, J.A., Lodowski, D., Pearce, M. Peryt, D., Sageman, B., Schiøler, P., Todes, J., Uličný, D., Voigt, S., Wiese, F., With contributions by, Linnert, C., Püttmann, T., and Toshimitsu, S. (2021) The Global Boundary Stratotype Section and Point (GSSP) for the base of the Coniacian Stage (Salzgitter-Salder, Germany) and its auxiliary sections (Słupia Nadbrzeżna, central Poland; Střeleč, Czech Republic; and El Rosario, NE Mexico). Episodes 2021; 44(2): 129-150l. https://doi.org/10.18814/epiiugs/2020/020072

Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/103366248

Bildtexte:
Salzgitter-Salder: Eine perfekte Gesteinsschichtenabfolge über 40 Meter. (Foto: Silke Voigt, Goethe-Universität Frankfurt)

GSSP in Salzgitter-Salder: Die Schicht 46 markiert den Übergang der Kreidezeitalter Turon und Coniac. Foto und Montage: Silke Voigt, Goethe University Frankfurt. Fossil: Walaszczyk et al. (2010)

Weitere Informationen
Prof. Dr. Silke Voigt
Geozentrum der Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 69 798-40190
s.voigt@em.uni-frankfurt.de
https://www.uni-frankfurt.de/69718561/Homepage-Voigt

Prof. Dr. Ireneusz Piotr Walaszczyk
Institut für Historische und Regionale Geologie und Paläogeologie
i.walaszczyk@uw.edu.pl
https://usosweb.uw.edu.pl/kontroler.php?_action=katalog2/osoby/pokazOsobe&os_id=61076

Dr. André Bornemann
über
Eike Bruns
LBEG, Pressestelle
Tel.: +49 511 643-2274
presse@lbeg.niedersachsen.de
http://www.lbeg.niedersachsen.de


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 20 2021
15:19

Forscher:innen der Goethe-Universität Frankfurt finden kleine Moleküle als Bindungspartner für genomische RNA des Coronavirus

SARS-CoV-2: Achillesfersen im Viren-Erbgut

Bestimmte Regionen im SARS-CoV-2-Erbgut könnten sich als Ziel für künftige Medikamente eignen. Dies fanden jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt und ihre Kooperationspartner im internationalen COVID-19-NMR-Konsortium heraus. Mithilfe einer speziellen Substanzdatenbank identifizierten sie mehrere kleine Moleküle, die an bestimmte Stellen des SARS-CoV-2-Genoms binden, die fast nie durch Mutationen verändert werden.

FRANKFURT. Wenn SARS-CoV-2 eine Zelle befällt, schleust es sein Erbgut in die Zelle ein und programmiert die Zelle so um, dass diese zunächst Viren-Proteine und schließlich ganze Virenpartikel herstellt. Auf der Suche nach Wirkstoffen gegen SARS-CoV-2 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich bisher meist auf die viralen Proteine fokussiert, deren Blockade eine Vermehrung zu verhindern oder zu mindern verspricht. Doch auch der Angriff des viralen Erbguts, eines langen RNA-Moleküls, könnte die Vermehrung des Virus womöglich stoppen oder verlangsamen.

Einen wichtigen ersten Schritt zur Entwicklung einer solchen neuen Klasse von SARS-CoV-2-Medikamenten haben jetzt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des COVID-19-NMR-Konsortiums gemacht, das von Prof. Harald Schwalbe vom Institut für Organische Chemie und chemische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt koordiniert wird. Sie identifizierten 15 kurze Abschnitte des SARS-CoV-2-Genoms, die bei verschiedenen Coronaviren sehr ähnlich sind und daher vermutlich essenzielle regulatorische Funktionen haben. Auch im Verlauf des Jahres 2020 waren diese Genomabschnitte nur äußerst selten von Mutationen betroffen.

Die Forscherinnen und Forscher ließen eine Substanzbibliothek von 768 kleinen, chemisch einfachen Molekülen mit den 15 RNA-Abschnitten reagieren und analysierten das Ergebnis mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie). Bei der NMR-Spektroskopie werden Moleküle zunächst mit speziellen Atomsorten (Isotopen) markiert und dann einem starken Magnetfeld ausgesetzt. Durch einen kurzen Radiowellen-Impuls werden die Atomkerne angeregt und geben ein Frequenzspektrum ab, mit dessen Hilfe sich der Aufbau der Moleküle bestimmen lässt und welche Bindungen sie eingehen.

Auf diese Weise konnten die Forschenden um Prof. Schwalbe 69 kleine Moleküle finden, die an 13 der 15 RNA-Abschnitte banden. Prof. Harald Schwalbe: „Drei der Moleküle banden sogar spezifisch an nur einen RNA-Abschnitt. Wir konnten damit zeigen, dass sich die SARS-CoV-2-RNA sehr gut als potenzielle Zielstruktur für Medikamente eignet. Angesichts der zahlreichen Mutationen von SARS-CoV-2 sind solche konservativen RNA-Abschnitte, wie wir sie identifiziert haben, für eine Wirkstoffentwicklung besonders interessant. Und da in einer infizierten Zelle die Viren-RNA bis zu zwei Drittel der gesamten RNA ausmacht, sollten wir mit geeigneten Molekülen die Virusvermehrung erheblich stören können.“ Entsprechend hätten die Forschenden, so Schwalbe weiter, jetzt bereits Untersuchungen kommerziell verfügbarer Substanzen begonnen, die chemisch ähnlich zu den Bindungspartnern aus der Substanzbibliothek sind.

Publikation: Sridhar Sreeramulu, Christian Richter, Hannes Berg, Maria A Wirtz Martin, Betül Ceylan, Tobias Matzel, Jennifer Adam, Nadide Altincekic, Kamal Azzaoui, Jasleen Kaur Bains, Marcel J.J. Blommers, Jan Ferner, Boris Fürtig, M. Göbel, J Tassilo Grün, Martin Hengesbach, Katharina F. Hohmann, Daniel Hymon, Bozana Knezic, Jason Martins, Klara R Mertinkus, Anna Niesteruk, Stephen A Peter, Dennis J Pyper, Nusrat S. Qureshi, Ute Scheffer, Andreas Schlundt, Robbin Schnieders, Elke Stirnal, Alexey Sudakov, Alix Tröster, Jennifer Vögele, Anna Wacker, Julia E Weigand, Julia Wirmer-Bartoschek, Jens Wöhnert, Harald Schwalbe: Exploring the druggability of conserved RNA regulatory elements in the SARS-CoV-2 genome, Angewandte Chemie International Edition, https://doi.org/10.1002/anie.202103693

Über das COVID-19-NMR-Konsortium
Weltweit forschen mehr als 40 Arbeitsgruppen aus 18 Ländern mit insgesamt 230 Wissenschaftlern im COVID-19-NMR-Konsortium, in Frankfurt haben seit Ende März 2020 45 Doktoranden und Postdocs teilweise in zwei Schichten pro Tag an sieben Tagen die Woche mitgearbeitet. www.covid19-nmr.de

Frühere Meldung „Faltung von SARS-CoV2-Genom zeigt Angriffspunkte für Medikamente – auch Vorbereitung auf „SARS-CoV3“ https://tinygu.de/sEhyD

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Harald Schwalbe
Institut für organische Chemie und chemische Biologie
Center for Biomolecular Magnetic Resonance (BMRZ)
Goethe-Universität Frankfurt
Tel +49 69 798-29137
schwalbe@nmr.uni-frankfurt.de


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Jul 20 2021
09:32

Studie der Goethe-Universität zu Folgen von Arbeitslosigkeit in mehr als 30 Ländern / Forschung Frankfurt: Markus Gangl zur Coronakrise

Was wir aus der Finanzkrise lernen können

Menschen, die durch die Finanzkrise 2008/09 arbeitslos wurden, hatten danach mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten zu kämpfen. In einer langjährigen internationalen Studie hat das Team um den Soziologen Prof. Markus Gangl an der Goethe-Universität die gesellschaftlichen Folgen der Krise und das politische Krisenmanagement untersucht. In der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ stellt Gangl einige Ergebnisse vor – und zieht Schlüsse für die Folgen der Corona-Pandemie.

FRANKFURT. Armutsrisiko, Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, Scheidungsrisiken, Vertrauensrisiken: Ökonomische Schocks haben beträchtliche Folgen für die Gesellschaft. Wie gehen politische Systeme damit um? Und vor allem: Welche Maßnahmen stellen sich als erfolgreich heraus?

In einem vom European Research Council (ERC) finanzierten Forschungsprojekt hat das Team von Markus Gangl, Soziologieprofessor an der Goethe-Universität, in mehr als 30 Ländern gesellschaftliche Folgen der Finanzkrise von 2008/09 untersucht und festgestellt: Sie reichen von erhöhtem Armutsrisiko und schlechteren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten über Trennungsrisiken, durchkreuzte Familienplanungen und geringere Bildungschancen der nächsten Generation bis hin zum Vertrauensverlust der Menschen in demokratische Prozesse.

Ein Ergebnis der Studie: Je besser ausgebaut die sozialen Sicherungssysteme, desto geringer ist das Risiko, durch die Arbeitslosigkeit Armut zu erleiden. Länder mit langen Phasen sozialstaatlich engagierter Politik konnten die Folgen der Finanzkrise am besten abfedern; weniger geschützt war die Bevölkerung in den wirtschaftsliberalen angelsächsisch geprägten, aber auch den südeuropäischen Gesellschaften. In Südeuropa hatte die Finanzkrise zu einer jahrelangen Arbeitsmarktkrise geführt.

In der Corona-Pandemie ist der wirtschaftliche Einbruch mindestens doppelt so schwer ausgefallen wie nach der Finanzkrise von 2008/2009. Dennoch ist es bislang vielen Ländern gelungen, den Arbeitsmarkt davon weitgehend zu entkoppeln. „Der schmerzhafte Lernprozess aus der Finanzkrise hat wohl dazu geführt, dass sich die europäischen Länder in der Pandemie zu einem deutlich entschlosseneren wirtschaftspolitischen Handeln entschieden haben als noch vor zehn Jahren. Und vor allem auch: dass sie gemeinsam in eine substanzielle europäische Sozialpolitik eingestiegen sind“, erklärt Markus Gangl.

Einen neuralgischen Punkt in der Bewältigung der Pandemie sieht Gangl – auch im Vergleich mit seiner Studie – in der Situation der jungen Generation. Haben doch seine eigenen wie bereits frühere Studien ergeben, dass wirtschaftliche Krisen bei jungen Menschen zu einer „Reduktion des subjektiv empfundenen Möglichkeitsraums“ führen. „Es wird vielleicht die wichtigste gesellschaftspolitische Herausforderung sein“, so Gangl, „die Lebensperspektiven junger Menschen in den Blick zu nehmen und zu stärken.“

Einen Überblick über die Studienergebnisse vermittelt Gangls Beitrag „Aus Krisen lernen“ in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Forschung Frankfurt der Goethe-Universität; die Ergebnisse im Einzelnen wurden in begutachteten internationalen Fachzeitschriften, unter anderem in American Sociological Review, der weltweit führenden Zeitschrift der Disziplin, veröffentlicht.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.  
Alle Beiträge sind online verfügbar unter: www.forschung-frankfurt.de

Wissenschaftliche Publikationen
Giustozzi, Carlotta, und Markus Gangl: Unemployment and political trust 
across 24 Western democracies: Evidence on a welfare state paradox, Acta
Sociologica, 2021, https://doi.org/10.1177/00016993211008501

Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl. 2021. Marriage and masculinity:
Male‐breadwinner culture, unemployment, and separation risk in 29 countries.
American Sociological Review 86 (3): 465-502.
https://doi.org/10.1177/00031224211012442

Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl: Regulated earnings security: The
relationship between employment protection and unemployment scarring
during the Great Recession, Socio-Economic Review, 2021,
https://doi.org/10.1093/ser/mwaa049

Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: Parental unemployment and the
transition into tertiary education: Can institutions moderate the
adverse effects?, Social Forces, 2020, Bd. 99, S. 616-647,
https://doi.org/10.1093/sf/soz155

Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: The intergenerational effects of
unemployment: How parental unemployment affects educational transitions
in Germany, Research in Social Stratification and Mobility, 2019, Bd.
62, Art. 100410, https://doi.org/10.1016/j.rssm.2019.100410

Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: Parental unemployment and the
transition to vocational training in Germany: interaction of household
and regional sources of disadvantage, European Sociological Review,
2019, Bd. 35, S. 684-700, https://doi.org/10.1093/esr/jcz027

Weitere Informationen
Prof. Dr. Markus Gangl
Institut für Soziologie
Goethe-Universität
mgangl@soz.uni-frankfurt.de
www.corrode-project.org


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de 

 

Jul 16 2021
17:15

Was ist Hoffnung? Ein Gespräch mit der Philosophin Claudia Blöser in „Forschung Frankfurt“ zu den Folgen der Corona-Pandemie 

Das Gute für möglich halten 

Welche Rolle spielt Hoffnung in Krisenzeiten? In welchem Verhältnis steht Hoffnung zu Angst und Mut, Wissen und Glauben? Und was verstehen wir unter radikaler Hoffnung? Mit diesen Fragen befasst sich die Physikerin und Philosophin Claudia Blöser in der jüngsten Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität. 

FRANKFURT. In Krisenzeiten suchen Menschen nach einem Zeichen der Hoffnung. Was genau unter Hoffnung zu verstehen ist, untersucht die Physikerin und Philosophin Claudia Blöser in ihrem Habilitationsprojekt an der Goethe-Universität. Ihr Fazit: „Hoffnung ist ein schwer greifbares Phänomen, das uns in vielen Formen begegnet. Doch die Philosophie kann Erhellendes über Natur und Rationalität der Hoffnung sagen.“ 

Hoffnung, so erläutert Blöser, ist beispielsweise klar von Optimismus zu unterscheiden, der das, was erwünscht ist, als wahrscheinlich ansieht. Hoffnung bezieht sich dagegen auf die Möglichkeit von etwas. Auch Wissen spielt für Hoffende eine Rolle, da sie die Sachlage kennen müssen, um nicht auf Illusorisches zu hoffen. Andererseits gibt es keine Hoffnung ohne Zweifel: Wer hofft, so Blöser, befinde sich grundsätzlich in unsicherer Lage. Immanuel Kant gilt ihr als zentraler Gewährsmann in der Philosophiegeschichte: „Was dürfen wir hoffen?“ ordnet Kant als eine der zentralen Fragen der Philosophie ein. Er war es auch, der darauf hinwies, dass Hoffnung dort ins Spiel kommt, wo der Mensch an die Grenzen seines Wissens und Handelns stößt. 

Auf den US-amerikanischen zeitgenössischen Philosophen Jonathan Lear verweist Blöser, wenn sie das Konzept der „radikalen Hoffnung“ beschreibt – eine krisengeprägte Hoffnung, die sich angesichts des Verlusts aller bisheriger Lebensgrundlagen auf nichts mehr beziehen kann als darauf, das Gute prinzipiell für möglich zu halten. Das vollständige Interview ist in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ zu finden, die diese Woche erschienen ist. Weitere Beiträge gehen zum Beispiel folgenden Fragen nach: Was wissen wir über die körperlichen Langzeitfolgen von COVID, insbesondere bei kardiologischen Beschwerden? Wie können wir unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser aufstellen? Wie hat die Coronapandemie unser Zusammenleben geprägt? Was wird im Schulalltag übrigbleiben von Homeschooling und Distanzlernen? Und wie kann sich die Wirtschaft für weitere Krisen besser wappnen? Ein Blick in die Vergangenheit lehrt, wie im alten Athen Seuche und Exzess Hand in Hand gingen, wie sich in Europa die Juristen in der Pestbekämpfung durchgesetzt haben – und dass in China schon einmal die erfolgreiche Pandemiebekämpfung den Status der Machthaber festigte – bei den mächtigen Kaisern der Qing-Dynastie. 

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: sauter@pvw.uni-frankfurt.de

Alle Beiträge sind online verfügbar unter: www.forschung-frankfurt.de 

Weitere Informationen

Dr. Claudia Blöser 
Institut für Philosophie
Goethe-Universität
E-Mail: bloeser@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 14 2021
14:41

Lore-Steubing-Institut vernetzt Forschung zu Artenvielfalt und -verlust in Hessen – Hessische Ministerien für Umwelt und Forschung geben Unterstützung

Goethe-Universität an neuem hessischen Biodiversitätsinstitut beteiligt

Neben dem Klimawandel ist der zunehmende Verlust an Tier- und Pflanzenarten die größte Umweltbedrohung. Um die Forschung über Biodiversität zu intensivieren, haben sich heute mit der Goethe-Universität die Universitäten Gießen, Marburg und Kassel, die TU Darmstadt, die Hochschule Geisenheim, die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie zu einem hessischen Kompetenzzentrum zusammengeschlossen, dem Lore-Steubing-Institut für Biodiversitätsforschung. Das Institut wird zudem mit im Naturschutz engagierten Akteuren und Verbänden kooperieren. 

FRANKFURT. Der Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Enrico Schleiff, betont die Bedeutung des Forschungsnetzwerks: „Mit dem Lore-Steubing-Institut erhält die Biodiversitätsforschung in Hessen ein Momentum, das nicht nur dem Natur- und Artenschutz in Hessen zugutekommen wird, sondern das auch für deutschlandweite Ausstrahlung sorgen wird. Ich freue mich, dass die Goethe-Universität hier einen wichtigen Beitrag leisten kann. Ganz besonderer möchte ich Dekan des Fachbereichs Biowissenschaften, Prof. Sven Klimpel, zum Erfolg dieser Gründung beglückwünschen, der einen zweijährigen, intensiven Planungsprozess krönt.“ 

Präsident Schleiff weiter: „Biodiversitätsforschung ist seit vielen Jahren einer der strategischen Pfeiler der Goethe-Universität. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen die gravierenden Veränderungen, die Landnutzung und Klimawandel auf Arten und Artengemeinschaften haben, wie Arten sich anpassen, wandern oder aussterben und wie Arten in der erdgeschichtlichen Vergangenheit auf Umweltänderungen reagiert haben. Auch die Vereinbarkeit von Landnutzung mit dem Artenschutz und die Erforschung von Natur-Gesellschaftssystemen gehören zu unseren Forschungsthemen. Institutionell wird dieses Forschungsengagement sichtbar in der engen wissenschaftlichen Vernetzung mit der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Forschungsverbünden wie etwa dem LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik, das sich mit den genetischen Grundlagen der biologischen Vielfalt befasst. “ Nicht zuletzt gehöre die Entwicklung pädagogischer Konzepte zur Vermittlung der Werte von Biodiversität zum Forschungskanon der Goethe-Universität, so Schleiff. 

In einem Festakt wurde das Lore-Steubing-Institut für Biodiversitätsforschung heute gegründet. Als Würdigung ihrer Verdienste ist es nach der 2012 verstorbenen Gießener Botanikerin und Ökologin Prof. Dr. Dr. h.c. Lore Steubing benannt. 

Link: Pressemitteilung des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie 


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 14 2021
14:02

Das Wissenschaftsmagazin Forschung Frankfurt der Goethe-Universität nimmt die körperlichen Langzeitfolgen der SARS-CoV-2-Infektion in den Blick

Long-COVID: Das Herz nach Corona

Selbst wenn das Virus verschwunden scheint, ist COVID-19 bei vielen Menschen noch nicht vorbei: SARS-CoV-2 hinterlässt häufig einen geschädigten Herzmuskel. In der aktuellen Ausgabe von Forschung Frankfurt schildern Wissenschaftler:innen ihre beunruhigenden Erkenntnisse aus der Untersuchung eigentlich genesener Patientinnen und Patienten und ihre Suche nach den Krankheitsmechanismus. Unter dem Titel „Pandemie: Was bleibt?“ versammelt das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität ein facettenreiches Spektrum von Forschungsprojekten, Einschätzungen und Analysen von Forscherinnen und Forschern der Goethe-Universität zu den Auswirkungen der Pandemie auf Menschen und Gesellschaft. 

FRANKFURT. Dass selbst ein milder Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion langwierige Herzprobleme nach sich ziehen kann, musste die Spitzensportlerin Juliane Wolf am eigenen Leib erfahren: Nur langsam erholte sich ihr Herz von der Entzündung, die das Virus verursacht hatte. In der aktuellen Ausgabe von Forschung Frankfurt schildert Prof. Eike Nagel vom Institut für Translationale Kardiovaskuläre Bildgebung des Universitätsklinikums Frankfurt, dass es vielen COVID-19-Patientinnen und –Patienten ähnlich geht: Bei 78 Prozent der Probanden einer von seiner Kollegin Dr. Valentina Puntmann und ihm geleiteten Studie waren zwei Monate nach dem Beginn der Infektion Veränderungen am Herzen feststellbar. Er berichtet über seine Forschung an möglichen Therapien für solche frühen Formen der Herzmuskelentzündungen, ebenso wie die Herzforscherin Prof. Stefanie Dimmeler, die feststellen konnte, dass Herzmuskelzellen auf einem etwas anderen Weg infiziert werden als Lungenzellen.

In weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität darüber, welche Schäden die Pandemie im demokratischen System hinterlässt, wie sich die fehlende Nähe zu Kranken und Sterbenden auf die Psyche vieler Menschen ausgewirkt hat, ob das Homeschooling auch nach dem Lockdown eine Option bleibt und welche Chancen ein Neubeginn nach der Krise für Reformen in Wirtschaftspolitik und Gesundheitswesen bietet.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: sauter@pvw.uni-frankfurt.de 

Alle Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.de

Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 13 2021
16:29

Goethe-Universität erhält Landesförderung für „mutige“ Forschungsprojekte

Innovative Forschung: KI in der Archäologie, Langzeitzucker-Test ohne Piks und neuartige Schmerztherapie 

Forschungsprojekte, die besonders innovativ sind und damit gleichzeitig auch ein hohes Risiko haben zu scheitern, unterstützt das Land Hessen in der Förderlinie LOEWE-Exploration. Forscher der Goethe-Universität haben sich jetzt mit drei von zwölf LOEWE-Explorationsprojekten erfolgreich um Forschungsgelder in Höhe von jeweils 200.000 bis 300.000 Euro beworben. 

FRANKFURT. Die drei Frankfurter LOEWE-Explorationsprojekte befassen sich mit der Verwendung Künstlicher Intelligenz (KI) in der Kolonialismus- und Provenienzforschung archäologischer Objekte, mit einem nicht invasiven Verfahren zu Bestimmung des Langzeitzuckerwerts zur Diabetes-Diagnose und -Überwachung sowie mit einem neuartigen Therapieansatz zur Behandlung chronischer Schmerzen. 

Mit der wirtschaftlichen Ausbeutung von Kolonien und kolonialartigen Machtstrukturen ging oft eine kulturelle Plünderung einher. Archäologische Funde wurden in Mengen außer Landes gebracht und verkauft. Deren wissenschaftliche Bewertung ist heute eine Herausforderung. Inwiefern Künstliche Intelligenz dabei helfen kann, das wollen der Archäologe Dr. Matthias Recke und der Informatiker Dr. Karsten Tolle in einem gemeinsamen Projekt herausfinden, das in enger Kooperation mit dem Winkelmann-Institut der Humboldt-Universität Berlin unter Prof. Stephan Schmid geplant ist. Als Beispiel dienen die Grabungsfunde des aus Sachsen stammenden Max Ohnefalsch-Richter (1850-1917), der seine Sets aus archäologischen Stücken auf 100 großformatigen historischen Fotografien darbot, um sie bei der Berliner Gewerbeausstellung zu verkaufen. „Wir wollen dem Computer beibringen, die Artefakte zu erkennen“, hofft Recke. Mittels automatisierter Bilderkennung und neuronaler Netzwerke sollen die rund 5000 Objekte analysiert und eingeordnet werden. Langfristig könnten sich neue Möglichkeiten für die Aufarbeitung entsprechender Materialkomplexe in Museen und Sammlungen ergeben und Einblicke in die Verschränkung von Kolonialherrschaft und Antikenhandel. 

Anhaltend hoher Blutzuckerspiegel über Wochen will Prof. Viktor Krozer vom Physikalischen Institut der Goethe-Universität zusammen mit Prof. Dr. Pablo Acedo von der Universität Carlos III in Madrid mit einem neuartigen Verfahren bestimmen, bei dem kein Blut abgenommen wird. Bisher erfolgt ein Langzeitzuckertest über den so genannten HbA1c-Wert. Hier wird Blut abgenommen und in spezialisierten Laboren daraufhin untersucht, wie viele Zuckermoleküle am roten Blutfarbstoff Hämoglobin gebunden sind. Erhöhte Werte deuten auf die Erkrankung Diabetes mellitus hin; bei Diabetikern hilft die Untersuchung, die Therapie zu kontrollieren. Das neue Verfahren, das an der Goethe-Universität entwickelt wird, „durchleuchtet“ die Hautfalte zwischen Daumen und Zeigefinger mit elektromagnetischer Strahlung im Millimeter-Wellenlängenbereich und bestimmt so nicht-invasiv den Langzeitzuckerwert im Blut. Bisher ist für die Auswertung der Messergebnisse ein erfahrener Wissenschaftler nötig. Künftig sollen die Daten über selbstlernende Computerprogramme (maschinelles Lernen) interpretiert werden, damit solche Messsysteme einmal in Point-of-Care-Stellen aufgestellt werden können. 

Die Behandlung chronischer Schmerzen ist schwierig, wenn sich das schmerzverarbeitende System dauerhaft verändert und überempfindlich wird. Denn auf diese Weise überdauern die Schmerzen den eigentlichen Heilungsprozess des entzündeten oder verletzten Gewebes, und viele Schmerzmittel wirken nicht mehr. Prof. Robert Fürst vom Institut für Pharmazeutische Biologie und Prof. Achim Schmidtko vom Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie (beide Goethe-Universität Frankfurt) untersuchen, inwieweit Sensibilisierungsprozesse im schmerzverarbeitenden System durch eine gezielte Hemmung der Protein-Biosynthese (mRNA-Translation) beeinflusst werden können. Im Projekt werden die beiden Forscher zum Beispiel untersuchen, wie sich verschiedene Translationsinhibitoren auf die Protein-Biosynthese in Nerven- oder Blutgefäßzellen auswirken und welche Nebenwirkungen damit verbunden sind. Dies könnte die Grundlage für eine neue Klasse von Schmerzmitteln legen, die spezifisch gegen chronische Schmerzen wirken würden. 

Weitere Informationen

„Künstliche Intelligenz zur Erschließung kolonialer Verwertungspraktiken archäologischer Objektsammlungen“ 

Dr. Matthias Recke
Institut für Archäologische Wissenschaften
Goethe-Universität
Telefon: 069 798-32301
recke@em.uni-frankfurt.de

Dr. Karsten Tolle 
Institut für Informatik
Goethe-Universität
Telefon: 069 798-28434
K.Tolle@em.uni-frankfurt.de 

„Selbstlernende Systeme für nicht-invasive Diabetesüberwachung“ 

Prof. Dr.-Ing. Victor Krozer
Physikalisches Institut/ Terahertz-Photonik
Goethe-Universität
Tel. 069 798-47212 
krozer@physik.uni-frankfurt.de 

„Gezielte Hemmung der mRNA-Translation zur Therapie chronischer Schmerzen“

Prof. Dr. Robert Fürst
Institut für Pharmazeutische Biologie
Goethe-Universität
Tel. 069 798-29655
fuerst@em.uni-frankfurt.de 

Prof. Dr. Dr. Achim Schmidtko
Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmazie
Goethe-Universität
Tel. 069 798-29376
schmidtko@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 12 2021
13:29

Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität zum Thema „Pandemie: Was bleibt?“ – Politologin Heike Holbig spricht im Interview über Chinas Vorgehen in der Coronakrise

„Die Wahrung gesellschaftlicher Stabilität hat Vorrang“

Wer erinnert sich nicht an die Bilder vom Januar 2020? Ein neuartiges Virus kursierte, und im Land der Mitte schien Chaos zu herrschen. Doch derlei Nachrichten verschwanden schon bald von den Bildschirmen, abgelöst durch eine Erfolgsmeldung nach der anderen. Wie erfolgreich war der autokratische Staat tatsächlich bei der Pandemiebekämpfung? Dieser Frage widmet sich ein Interview mit der Politologin und China-Expertin Prof. Heike Holbig in der neuen Ausgabe von Forschung Frankfurt, die heute erschienen ist. Das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität nähert sich unter dem Titel „Pandemie: Was bleibt?“ dem Thema Pandemie aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Heft kann (für Journalisten kostenfrei) bestellt werden über sauter@pvw.uni-frankfurt.de. Online steht es unter www.forschung-frankfurt.de/ zur Verfügung. 

FRANKFURT. Was Anfang 2020 geschah, war den Machthabern in China ein Dorn im Auge: Weltweit verbreitete sich die Ansicht, in China herrsche Chaos, das Gesundheitswesen sei zu schwach, um die vielen Kranken aufzufangen, und die Maßnahmen gegen das Virus seien rigide und menschenverachtend. Vor allem aber: Viel zu spät habe man reagiert und die Weltöffentlichkeit über die drohende Gefahr informiert. Doch nach kurzer Zeit hatte die chinesische Führung die Situation offenbar besser im Griff – oder vor allem die Nachrichtenlage? Seither feiert sich China für seine Erfolge. Doch wie erfolgreich war das chinesische Vorgehen tatsächlich? Kann der Westen gar von China lernen? Und wie hat sich der Status Chinas in der Welt verändert? Darüber gibt Prof. Heike Holbig, Politologin und China-Expertin, in der neuen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ Auskunft. Sie macht deutlich: Pandemien gelten in China als „hochgradig sensibel“, und „die Wahrung gesellschaftlicher Stabilität hat Vorrang.“ Was China uns ebenso wie die demokratischen Staaten Asiens voraushatte, war die Pandemieerfahrung. Aus Corona zu lernen, dass sollte auch für den Westen ein Gebot der Nachpandemiezeit sein. 

In weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ schauen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität denn auch genau hin: Was wissen wir über die körperlichen Langzeitfolgen von COVID, insbesondere bei kardiologischen Beschwerden? Wie können wir unser Gesundheitssystem für künftige Pandemien besser aufstellen? Wie hat die Coronapandemie unser Zusammenleben geprägt? Wie kann es trotz der Kontaktverbote menschlich bleiben? Was wird im Schulalltag übrigbleiben von Homeschooling und Distanzlernen? Und wie kann die Wirtschaft noch besser gewappnet sein? Ein Blick in die Vergangenheit lehrt, wie im alten Athen Seuche und Exzess Hand in Hand gingen, wie sich in Europa die Juristen in der Pestbekämpfung durchgesetzt haben – und dass in China schon einmal die erfolgreiche Pandemiebekämpfung den Status der Machthaber festigte – bei den mächtigen Kaisern der Qing-Dynastie.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: sauter@pvw.uni-frankfurt.de

Alle Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.de/ 

Weitere Informationen 

Prof. Dr. Heike Holbig
Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Area Studies China/Ostasien
Goethe-Universität 
holbig@soz.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jul 8 2021
13:24

Die deutsche Konferenz zum EU-Forschungsprojekt „Working, Yet Poor“ findet an der Goethe-Universität statt

Warum Arbeit nicht immer gegen Armut hilft

FRANKFURT. Wie kann es sein, dass im reichen Europa fast zehn Prozent der Erwerbstätigen von Armut betroffen sind? Selbst in Europas führender Wirtschaftsnation Deutschland ist das Phänomen „arm trotz Arbeit“ verbreitet. Das europäische Forschungsprojekt „Working, Yet Poor“ (WorkYP) soll den Ursachen und Mechanismen auf den Grund gehen. Die Konferenz zur Situation in Deutschland findet

am Montag, 19. Juli, von 10 bis 16 Uhr
auf der Online-Plattform Zoom

statt, organisiert an der Goethe-Universität. Hier ist auch das deutsche Teilprojekt angesiedelt, nämlich an der Professur für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht von Prof. Dr. Bernd Waas. Unter der Projektleitung von Dr. Christina Hießl wird untersucht, welche sozialen und rechtlichen Gründe dafür verantwortlich sind, dass immer mehr Menschen auch hierzulande trotz Erwerbstätigkeit armutsgefährdet sind.

„Die Konferenz dient dazu, das Problem ‚Armut trotz Arbeit' für Deutschland möglichst transparent zu machen und Lösungsansätze zu diskutieren“, erklärt Projektleiterin Dr. Christina Hießl im Interview für Goethe-Uni online (Link s. unten). Die Beiträge auf der Frankfurter Konferenz werden von hochrangigen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und von den Sozialpartnern bestritten. Katharina Erbeldinger, die Federführende Referentin für Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung, spricht zum Beispiel über die Sicherung auskömmlicher Erwerbsarbeit als gemeinsame Aufgabe von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Prof. Dr. Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung befasst sich in seinem Vortrag u.a. mit aktuellen Befunden der Armutsforschung, und Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, wird die Bedeutung von Mindestlöhnen und Tarifbindung für die Eindämmung des Niedriglohnsektors beleuchten. Die Rolle des Niedriglohnsektors und atypischer Arbeitsformen wird von Benjamin Baykal aus der Sicht der BDA und Ruxandra Empen aus der Perspektive des DGB beleuchtet.

Fast zehn Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung der EU waren 2017 von Armut bedroht, das entspricht etwa 20,5 Millionen EU-Bürgern. Außer den negativen Folgen für den Einzelnen wie soziale Ausgrenzung und mangelnde Teilhabe gefährdet Armut trotz Erwerbstätigkeit auch ein wesentliches Merkmal der EU-Staatsbürgerschaft: den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben. Grundlage staatlicher Maßnahmen ist die Kenntnis der Ursachen, wozu das WorkYP-Projekt ins Leben gerufen wurde.

Die Verteilung der Armut trotz Erwerbstätigkeit fällt in Europa sehr unterschiedlich aus, was auf unterschiedliche soziale und rechtliche Systeme oder Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zurückzuführen ist. Die Gründe für diese Unterschiede werden jetzt im Rahmen des WorkYP-Projekts untersucht; die Situation in sieben EU-Ländern mit unterschiedlichen Sozial- und Rechtssystemen (Luxemburg, Belgien, Deutschland, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden) wird analysiert, um Best-Practice-Lösungen zur Bekämpfung der Armut trotz Erwerbstätigkeit in allen Systemen vorzuschlagen.

Horizon 2020 ist das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation, das 2014 ins Leben gerufen wurde und Kooperationsprojekte in Forschung und Innovation fördert. Teilnahmeberechtigt sind Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen. Horizon 2020 finanziert jährlich 6.000 Projekte.

Anmeldung zur Konferenz „Armut trotz Arbeit in Deutschland“ bis 14. Juli bei Frau Anna Jansen (jansen@jura.uni-frankfurt.de).

Das Programm finden Sie unter https://www.uni-frankfurt.de/102999140

Link zum Interview mit Dr. Christina Hießl bei GOETHE-UNI online:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/interview-dr-christine-hiessl-zum-horizon-2020-projekt-armut-trotz-arbeit

Informationen:
Dr. Christina Hießl
Professur für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht
Fachbereich Rechtswissenschaft
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail: hiessl@jura.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de