​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Jan 24 2020
10:49

Berichtete Reduktion von HFC-23 wurde nicht eingehalten

Weiterer Anstieg von starkem Treibhausgas gemessen 

FRANKFURT. Das starke Treibhausgas HFC-23 sollte nach Angaben der beiden Hauptproduzenten, China und Indien, bis 2017 so gut wie nicht mehr in die Atmosphäre gelangen. Tatsächlich haben Atmosphärenforscher unter Federführung der Universität Bristol aber Rekordwerte gemessen. Dr. Kieran Stanley, der Leitautor der Studie in der aktuellen Ausgabe von „Nature Communications“, arbeitet seit einem halben Jahr an der Goethe-Universität. 

In den vergangenen beiden Jahrzehnten haben Wissenschaftler die Konzentration des HFC-23, das zu den Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) gehört, streng überwacht. „Es ist ein sehr starkes Treibhausgas: Die Emission einer Tonne dieser Substanz richtet ebenso viel Schaden an wie die Emission von 12.000 Tonnen CO2“, so der Atmosphärenforscher Prof. Andreas Engel von der Goethe-Universität. HFC-23 entsteht hauptsächlich als ungewolltes Nebenprodukt bei der Herstellung des Kühlmittels HCFC-22.

Indien und China, die als Hauptverursacher gelten, hatten 2015 ehrgeizige Pläne zur Drosselung der Emissionen ihrer Fabriken angekündigt. 2017 berichteten sie, dass so gut wie kein HFC-23 mehr in die Atmosphäre gelangt sei. Infolgedessen sollten die Emissionen des Treibhausgases in der Atmosphäre zwischen 2017 und 2015 einen 90-prozentigen Rückgang zeigen. Wie das internationale Team nun berichtet, sind die Emissionen jedoch weiter angestiegen und haben 2018 einen Rekordwert erreicht. 

Die Reduktion von FKWs ist Teil des Kigali-Abkommens, das 2016 als Nachtrag zum Montreal-Abkommen geschlossen wurde. Es ist im Januar 2020 in Kraft getreten. Obwohl China und Indien das Abkommen nicht ratifiziert haben, hatten sie nach eigenen Angaben die Emissionen massiv reduziert. „Unsere Studie legt nahe, dass es China nicht gelungen ist, HFC-23 in dem angegebenen Maß zu reduzieren“, folgert Dr. Kieran Stanley, der die Messungen an der Universität Bristol im Rahmen des internationalen Messnetzwerkes AGAGE machte. Ob es Indien gelungen ist, seine Emissionen zu reduzieren, müssen weitere Messungen zeigen. 

„Dies ist nicht das erste Mal, dass Kontroversen über die Emission von HFC-23 entstehen“, bedauert Kieran Stanley. Zwischen 2005 und 2010 hatten die Industrienationen mit der UN-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Klimaänderung für die Schwellenländer Anreize geschaffen, ihre Emissionen zu reduzieren. Zwar ging die Emissionen des gefährlichen Treibhausgases währenddessen zurück, jedoch schuf das System falsche Anreize, weil die Hersteller ihre Prozesse nicht optimierten, sondern mehr schädliche Nebenprodukte erzeugten, um mehr Fördermittel für deren Vernichtung einstreichen zu können. 

Das Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität, an dem Kieran Stanley inzwischen als Postdoktorand arbeitet, führt an seiner Messstation am kleinen Feldberg seit 2013 regelmäßig Messungen vieler halogenierter Spurengase durch. Diese Messungen sind seit kurzem auch an das AGAGE Netzwerk angebunden.

Publikation: K. Stanley, D. Say, J. Mühle, C. Harth, P. Krummel, D. Young, S. O'Doherty, P. Salameh, P. Simmonds, R. Weiss, R. Prinn, P. Fraser and M. Rigby: Increase in global emissions of HFC-23 despite near-total expected reductions, in Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-019-13899-4

Informationen: Dr. Kieran Stanley, Institut für Atmosphäre und Umwelt, Campus Riedberg, Telefon 069 798 40249; stanley@iau.uni-frankfurt.de

 

Jan 23 2020
14:40

Hessen bewilligt Fördermittel für weitere fünf Jahre

Kompetenzzentrum Schulpsychologie an der Goethe-Uni geht in die nächste Runde

FRANKFURT. Das Kompetenzzentrum für Schulpsychologie erhält für weitere fünf Jahre finanzielle Unterstützung vom Land Hessen. Es verzahnt erfolgreich Wissenschaft und Praxis in der Schulpsychologie und ist damit einzigartig im deutschsprachigen Raum. Die 2017 mit der Gründung des Zentrums aufgesetzten Forschungsprojekte zur Wirksamkeit schulpsychologischer Beratung werden damit fortgeführt. Zusätzlich soll zukünftig das schulpsychologische Praxiswissen stärker im Psychologiestudium berücksichtigt werden. 

Das Kompetenzzentrum hat insbesondere die schulpsychologischen Beratungs-, Präventions- und Interventionsangebote für die hessischen Schulen im Blick, evaluiert diese und hilft dabei, sie weiterzuentwickeln. „Die Bedeutung und Notwendigkeit von schulpsychologischer Beratung in den Schulen steigt stetig. Von der erfolgreichen Fortführung des Kompetenzzentrums werden alle hessischen Schulen profitieren“, ist Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz überzeugt. Von der Fortführung des Kompetenzzentrums werden auch die Studierenden profitieren. Die schulpsychologische Expertise der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Zentrums wird den Psychologiestudierenden durch ein erweitertes Lehrangebot im Bachelor- und im Masterstudium zugutekommen. „Wir freuen uns, wenn wir durch unsere spezifischen Kompetenzen als Goethe-Uni auch weit über die Lehrerbildung hinaus wichtige Beiträge zum Gelingen von Schule in Hessen bieten können“, hebt Universitätspräsidentin Birgitta Wolff hervor.

„Wir sind sehr zufrieden, dass wir den zunehmenden Herausforderungen an den Schulen mit Qualitätssicherung und weiterer Professionalisierung begegnen können“, freut sich Prof. Gerhard Büttner, einer der beiden Leiter des Kompetenzzentrums. „Gerade der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis hilft uns, das Beratungsangebot zu optimieren und auch die Studierenden praxisnäher auszubilden“, betont Dr. Stephan Jeck, der von Seiten des Hessischen Kultusministeriums als Leiter fungiert.

Hintergrund 

Das Kompetenzzentrum für Schulpsychologie wurde 2017 als Gemeinschaftsprojekt des Hessischen Kultusministeriums mit der Goethe-Universität Frankfurt gegründet. In ihm arbeiten von den Staatlichen Schulämtern abgeordnete Schulpsychologen und Schulpsychologinnen mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Goethe-Universität an wegweisenden Themenstellungen der Schulpsychologie. Das Zentrum wird gemeinsam von Dr. Stephan Jeck (Hessisches Kultusministerium) und Prof. Dr. Gerhard Büttner (Goethe-Universität) geleitet. Untergebracht ist das Kompetenzzentrum in Räumen der Universität am Campus Westend. Es ist fachlich und strukturell an den Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie der Goethe-Universität angebunden, die Förderung wurde jetzt bis 31.12.2024 verlängert.

Informationen: Prof. Dr. Gerhard Büttner, Institut für Psychologie, Telefon 069 798-35347, buettner@paed.psych.uni-frankfurt.de; Kompetenzzentrum Schulpsychologie, Telefon 069 798-35384 E-Mail info@kompetenzzentrum-schulpsychologie-hessen.de; Homepage: www.kompetenzzentrum-schulpsychologie-hessen.de.

 

Jan 22 2020
15:44

Holocaust-Gedenkvorlesung von Prof. Ulrike Weckel über Filmaufnahmen von befreiten Konzentrationslagern und die Reaktion der Deutschen darauf

Beschämender Anblick

FRANKFURT. Auch in diesem Jahr werden an der Goethe-Universität zahlreiche Veranstaltungen rund um den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar angeboten. Die Holocaust-Gedenkvorlesung hält am 27. Januar Prof. Ulrike Weckel, die an der Universität Gießen Fachjournalistik Geschichte sowie Geschichte in Medien und Öffentlichkeit lehrt. Gegenstand ihres Vortrags, der in Zusammenarbeit mit dem Fritz Bauer Institut angeboten wird, sind Filme, die 1945/46 nach der Befreiung der Konzentrationslager entstanden sind – und die Reaktionen des deutschen Publikums darauf. „Beschämender Anblick“ hat Weckel ihren Vortrag überschrieben, der am Montag, 27. Januar, um 15:30 Uhr in der Lobby des PA-Gebäudes am Campus Westend Theodor-W.-Adorno-Platz 1 stattfindet.

Die Filmbilder von den befreiten Lagern, die bis heute ein wichtiger Bestandteil von Dokumentationsfilmen sind, waren von den alliierten Siegermächten in Auftrag gegeben worden: Berge von Leichen, ausgezehrte Überlebende und Aschereste in den Krematorien – Bilder wie diese sind in das kollektive Gedächtnis der westlichen Welt eingeschrieben. Ulrike Weckel hat die so genannten Atrocity-Filme der Alliierten aus der Nachkriegszeit eingehend untersucht und rekonstruiert, wo und wie oft die Filme zu sehen waren und wie sie auf das Publikum gewirkt haben – wobei sich ein sehr differenziertes Bild ergeben hat. Darüber wird sie in der Vorlesung in Frankfurt sprechen. Die Deutschen, so Weckel, hätten keineswegs eingleisig und als fixes Kollektiv reagiert. Die Beurteilung des Gesehenen wurde oft erst ausgehandelt. Der Begriff der Scham spielt für Weckel eine große Rolle.

Am Abend des 27. Januar lädt die Goethe-Universität zudem gemeinsam mit der WIZO-Gruppe Frankfurt zur deutschen Erstaufführung des Films „Back to Berlin. Better by bike than by train“ (2018) ein. Die Regisseurin Catherine Lurie-Alt steht anschließend zum Gespräch bereit.

Auch in diesem Jahr gibt es darüber hinaus eine Kooperation mit dem Verein Musica Judaica: Am Donnerstag, 23. Januar, findet um 19.30 Uhr ein Konzert mit Melinda Paulsen (Mezzosopran) und Andreas Frese (Klavier) zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus statt. Auf dem Programm stehen Werke von fünf Komponisten vom späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, im Zentrum sechs Lieder auf Gedichte von Friedrich Hölderlin, die der Frankfurter Komponist, Sänger und Rechtsanwalt Max Kowalski vertont hat. Hölderlins Geburt jährt sich in diesem Jahr zum 250. Mal. Der Eintritt kostet 15 Euro, für Mitglieder 10 Euro, für Studierende und Schüler frei.

Die Termine im Überblick: 

Donnerstag, 23. Januar, 19:30 Uhr
Lobby des PA-Gebäudes (Campus Westend)
Konzert zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus
Mit Melinde Paulsen (Mezzosopran) und Andreas Frese (Klavier) 

Montag, 27. Januar, 15:30 Uhr
Lobby des PA-Gebäudes (Campus Westend)

„Beschämender Anblick“ – Filme über befreite Lager und Reaktionen des deutschen Publikums 1945/46 Vorlesung zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus Mit Prof. Dr. Ulrike Weckel, Justus-Liebig-Universität Gießen 

Montag, 27. Januar, 19:30 Uhr
HZ 2, Hörsaalzentrum, Campus Westend

„BACK TO BERLIN – better by bike than by train“ Filmvorführung mit anschließendem Gespräch mit Regisseurin Catherine Lurie-Alt Anmeldung unter: veranstaltungen@uni-frankfurt.de

 

Jan 22 2020
13:39

Die „Lange Nacht der kleinen Fächer“ präsentiert die geisteswissenschaftliche Vielfalt der Goethe-Universität

Von Afrikanistik bis Theaterwissenschaft

FRANKFURT. Wollten Sie schon immer einmal wissen, womit sich die Baltistik, die Jugendbuchforschung oder die Digital Humanities befassen? Demnächst können Sie das herausfinden. Studieninteressierte, interessierte Bürgerinnen und Bürger, Studierende und Hochschulangehörige sind herzlich eingeladen,

am Freitag, 31. Januar, ab 18 Uhr
ins IG-Farben-Haus auf dem Campus Westend der Goethe Universität Frankfurt

zu einer „Langen Nacht der kleinen Fächer“ zu kommen, die über das Angebot und die Möglichkeiten der „kleinen Fächer“ informieren soll. Präsentiert werden Forschungsthemen und Studienangebote sowie ein buntes Rahmenprogramm zum Kennenlernen und Mitmachen. Die Fachvertreter und Fachvertreterinnen stehen jederzeit für ein Gespräch bereit; wer möchte, kann bei einem Blitzsprachkurs in verschiedensten Sprachen (z. B. in Swahili, Baskisch, Tagalog oder Litauisch) sein Sprachtalent erproben, sich mit dem bedeutenden Frankfurter Comic-Archiv vertraut machen oder durch die archäologischen Sammlungen bummeln. Außerdem bieten Vorträge, Filme, Tanzvorführungen, eine kasachische Teezeremonie und Livemusik einer niederländischen Mitmachband eine Nacht lang die Gelegenheit, in Forschung und Studium der kleinen Fächern hinein zu schnuppern. Bei einer Podiumsdiskussion (um 18 Uhr) unter dem Titel „Ist das Wissenschaft oder kann das weg?“ geht es um das Potential der kleinen Fächer, auf dem Podium wird unter anderem Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität, mitdiskutieren.

Die Einordnung als „kleines Fach“ orientiert sich daran, wie stark das Fach innerhalb der deutschen Hochschullandschaft vertreten ist. Ein Maßstab, der sich an der Definition der Mainzer Arbeitsstelle für kleine Fächer orientiert, ist die Zahl der Professuren je Standort: Ein kleines Fach ist je Universitätsstandort mit nicht mehr als drei unbefristeten Professuren und nur an sehr wenigen (max. 10 Prozent) der deutschen Universitäten vertreten.

Die Lange Nacht der kleinen Fächer bildet den Höhepunkt des Frankfurter Projekts „Großes Potential! Die Kleinen Fächer der Goethe-Universität Frankfurt“, welches im Rahmen der „Kleine Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen“ stattfindet, die von der Hochschulrektorenkonferenz und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Dabei haben Hochschulen im Wintersemester 2019/2020 die Möglichkeit, mit verschiedenen Projektformaten die Leistungen der kleinen Fächer für Wissenschaft und Alltag zu verdeutlichen.

In Frankfurt beteiligen sich dreiundzwanzig kleine Fächer und Schwerpunkte der Fachbereiche 09 (Sprach- und Kulturwissenschaften) und 10 (Neuere Philologien): Afrikanistik, Archäologische Wissenschaften, Baltistik, Digital Humanities, Indogermanistik, Japanologie, Judaistik, Kaukasiologie, Koreastudien, Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Kunstpädagogik, Minderheitensprachen Iran, Phonetik, Sinologie, Slawische Interkomprehensation, Südostasienwissenschaften, Vergleichende Sprachwissenschaften, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Kinder- und Jugendliteraturforschung, Lusitanistik, Niederländische Sprache, Literatur und Kultur, Skandinavistik und Theaterwissenschaft.

„Wir möchten gern ein Bewusstsein dafür schaffen, dass diese sogenannten ‚kleinen Fächer' eben keine Randerscheinungen abbilden. Die Themen, denen sich diese Disziplinen widmen, sind aktuell und brisant“, betont Prof. Axel Fleisch, Afrikanist und Sprecher des Frankfurter Projekts. Ein kleines Fach zu studieren bedeute zwar einen hohen Grad an Spezialisierung, führe aber nicht etwa zu einem vereinzelten Expertentum. Die Angehörigen kleiner Fächer seien regional, national und international bestens vernetzt und stark vertreten in Verbundforschungen, die die aktuell großen Fragen und Herausforderungen angehen. Außerhalb akademischer Berufsfelder arbeiten gerade sie in Bereichen, in denen Vielseitigkeit, Teamfähigkeit und Kommunikationstalent gefragt seien und in denen es darum gehe, angesichts vielfältiger Anforderungen schnell zu agieren.

An der Goethe-Universität können fast alle kleinen Fächer sowohl grundständig (als Bachelor-Haupt- und/oder -Nebenfach) als auch konsekutiv studiert werden. Im Master sind sie entweder mit fachspezifischen Studiengängen, als Schwerpunkte im Rahmen fächerübergreifender Masterstudiengänge oder im Rahmen regionaler Kooperationen mit anderen Universitäten im Rhein-Main-Gebiet (RMU-Allianz) vertreten. So wird seit dem Wintersemester 2019/20 ein gemeinsamer Masterstudiengang der Frankfurter Jugendbuchforschung und der Mainzer Buchwissenschaft angeboten; ein Bachelorstudiengang „Afrikanische Sprachen, Medien und Kommunikation“ in Kooperation mit der Universität Mainz ist in Planung.

Weitere Information: Dr. Pia Gerhard (Koordinatorin), Dekanat, F 10, Campus Westend, Telefon: 069/798-32744, eMail: p.gerhard@em.uni-frankfurt.de. Informationen zu den beteiligten Fächern und Schwerpunkten sowie zum Projektinhalt und -ziel finden Sie auf www.uni-frankfurt.de/kleine-faecher.

 

Jan 22 2020
13:19

Der Historiker Pierre Monnet stellt das jüngst erschienene, monumentale Werk „Europa. Die Gegenwart unserer Geschichte“ vor

​Das kulturelle Gedächtnis Europas

BAD HOMBURG. Mit einer Reise durch die Welt der europäischen Erinnerungen wird die Reihe „EuropaDialoge“ im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität fortgesetzt. Der Historiker Pierre Monnet wird

am Donnerstag, 30. Januar, um 19 Uhr
im Forschungskolleg Humanwissenschaften
(Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg vor der Höhe)

das Buch „Europa. Die Gegenwart unserer Geschichte“ (deutsch: Darmstadt 2019, frz.: Paris 2017) vorstellen, das er selbst mit herausgegeben hat.

Nach dem dreibändigen Klassiker Deutsche Erinnerungsorte (München 2001) hat Étienne François gemeinsam mit Thomas Serrier dieses ebenfalls dreibändige Werk vorgelegt, das das kulturelle Gedächtnis Europas einfängt. In 133 Aufsätzen beschreiben 105 Autoren – Historiker und Intellektuelle aus Frankreich und Deutschland, Polen und Serbien, aber auch aus den USA, Indien und Japan – das, was Europa ausmacht: die Gegenwart seiner Geschichte in Kriegen, Revolutionen und Freiheitsbewegungen; die Vielfalt und das Trennende im alltäglichen Leben; die Verflechtungen mit der Welt nicht zuletzt im Kolonialismus. Entstanden ist ein Riesenmosaik der Erinnerungsorte, dessen Einzelteile von der Nymphe Europa bis Tschernobyl reichen, vom Hadrianswall bis zur Berliner Mauer, von der Kalaschnikow bis zum VW-Käfer, von der Entstehung der Demokratie bis zum Holocaust. Pierre Monnet wird seine Zuhörer auf diese Reise durch die Welt der europäischen Erinnerungen mitnehmen. Dabei ist der Ausgangspunkt seiner Überlegungen die Frage, ob und wie „Europa“ historisch verstanden und imaginiert werden kann. Matthias Lutz-Bachmann, Professor für Philosophie an der Goethe-Universität und Direktor des Forschungskollegs Humanwissenschaften, wird in den Vortrag einführen und das anschließende Gespräch mit dem Auditorium moderieren.

Prof. Pierre Monnet ist Directeur d'études an der EHESS in Paris und Adjunct Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Goethe-Universität. Seit 2011 leitet er das Institut Franco-Allemand de Sciences Historiques et Sociales (IFRA) in Frankfurt am Main. Seine Forschungsarbeiten befassen sich vorrangig mit den politischen und sozialen Netzwerken im römisch-deutschen Reich des Spätmittelalters, der Entwicklung seiner Städte und der vergleichenden Geschichte der politischen Kulturen im spätmittelalterlichen Europa.

Fortsetzung der Veranstaltungsreihe „EuropaDialoge/Dialogues d'Europe“ in 2020

Die Buchvorstellung setzt die Reihe „EuropaDialoge/Dialogues d'Europe“ fort, die seit 2014 vom Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität und dem an der Universität angesiedelten Institut Franco-Allemand de Sciences Historiques et Sociales (IFRA) veranstaltet und von Prof. Sandra Eckert, Prof. Matthias Lutz-Bachmann und Prof. Pierre Monnet wissenschaftlich geleitet wird. Ziel der Reihe ist es, die unterschiedlichen Europa-Positionen von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft öffentlich zu präsentieren und diskutieren. Im Rahmen der „EuropaDialoge/Dialogues d'Europe“ finden Anfang 2020 zwei weitere öffentliche Veranstaltungen statt, zu denen die Veranstalter der Reihe sehr herzlich einladen:

Weitere Termine

Dienstag, 28. Januar 2020, 19 Uhr
Podiumsdiskussion mit Charlotte Galpin, Daniel Röder, Sandra Seubert:
»Zeich(n)en für oder gegen Europa. Europapolitische Narrative und Bilder«
Ort: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Westend, IG-Farben-Haus, Raum IG-411

Mittwoch, 12. Februar 2020, 19 Uhr
Ulrike Guérot (Donau Universität Krems): »Die Europäische Zukunftskonferenz 2020:
Beschäftigungstherapie oder europäischer Gestaltungswille?«
Ort: Forschungskolleg Humanwissenschaften, Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg

Anmeldung:
Um vorherige Anmeldung unter info@forschungskolleg-humanwissenschaften.de wird gebeten.

Information: Beate Sutterlüty, Wissenschaftskommunikation, Forschungskolleg Humanwissenschaften (Tel.: 06172-13977-15; Email: b.sutterluety@forschungskolleghumanwissenschaften.de); www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de; Dominique Petre, Kulturbeauftragte, Institut franco-allemand IFRA (Tel.: 069- 798 31 900; Email: dominique.petre@institutfrancais.de)

 

Jan 21 2020
12:04

​ Vortrag von Dr. Charlotte Galpin (University of Birmingham) im Rahmen der Alfred Grosser-Gastprofessur an der Goethe-Universität  

Proeuropäische Gegenbewegungen? Reaktionen auf EU-Skepsis in Großbritannien und der EU

FRANKFURT. Im aktuellen Wintersemester 2019/2020 bekleidet Dr. Charlotte Galpin die internationale Alfred Grosser-Gastprofessur für Bürgergesellschaftsforschung am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Frankfurter Goethe-Universität. Sie ist Dozentin für Politikwissenschaft mit einem Fokus auf deutsche und europäische Politik am Fachbereich für Politikwissenschaft und internationale Studien der Universität Birmingham. Galpin forscht seit 2009 im DAAD-Projekt „Shifting Constellations: Germany and Global (Dis)order“. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der „European Public Sphere“ mit einem Fokus auf europäische Identitäten, EU-Skepsis und EU-Bürgerschaft. Zuletzt setzte sie sich besonders mit den Hintergründen des Brexit und der Eurokrise auseinander. Hierzu erschien 2017 ihre Monographie „The Euro Crisis and European Identities: Political and Media Discourse in Germany, Ireland and Poland“.

Im Rahmen ihres Aufenthalts in Frankfurt hält Dr. Charlotte Galpin am Montag, dem 27. Januar 2020, um 19 Uhr einen öffentlichen Vortrag auf dem Campus Westend der Goethe-Universität (Casino-Gebäude, Raum 1.811). In ihrem Vortrag „Proeuropäische Gegenbewegungen? Reaktionen auf EU-Skepsis in Großbritannien und der EU“ beleuchtet die Wissenschaftlerin die Werte und Haltungen der Bewegungen, die sich für Europa und einen Verbleib Großbritanniens in der EU stark gemacht haben. Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Das internationale Programm Alfred Grosser-Gastprofessur für Bürgergesellschaftsforschung ist seit 2009 am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität angesiedelt. Auf Anregung der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt am Main e. V. wurde sie von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main ermöglicht. Ziel des Programms ist es, die Forschung und den öffentlichen Diskurs über Bürgergesellschaft und Demokratie in Frankfurt zu stärken. Jährlich wird ein prominenter Forscher oder eine prominente Forscherin von einer Auswahlkommission der Goethe-Universität ausgewählt und vertieft in Seminaren und Vorträgen Aspekte der Thematik aus gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive. Dr. Charlotte Galpin ist die elfte Inhaberin der Alfred Grosser-Gastprofessur. Namensgeber ist der 1925 in Frankfurt geborene Publizist, Politologe und Soziologe Alfred Grosser – ein zentraler Wegbereiter der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Weitere Informationen unter: https://tinygu.de/grosser-gastprofessur

Kontakt: Axel Braun, Bereichsleiter. Information, Kommunikation und Veranstaltungen. Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Tel. (069) 789 889 – 16; Fax 069 - 789 889 – 940. braun@sptg.de

 

Jan 17 2020
11:20

7. Dagmar-Westberg-Vorlesung: Vier öffentliche Vorträge und ein Kolloquium

Menachem Fisch über den interreligiösen Dialog

FRANKFURT. Die 7. Dagmar-Westberg-Vorlesung, die kommende Woche stattfindet, übernimmt der israelische Wissenschaftshistoriker und Philosoph Menachem Fisch. Der emeritierte Wissenschaftler wird sich in vier Vorlesungen mit dem interreligiösen Dialog befassen, insbesondere mit den Dynamiken, die zwischen Judentum, Christentum und Islam seit jeher bestanden und das Selbstverständnis der drei Religionen mitbestimmen. Abschließend steht Prof. Fisch bei einem Kolloquium zum wissenschaftlichen Gespräch bereit. Der Titel der Westberg-Vorlesungsreihe lautet: „Dialogues of Reason: Science, Politics, Religion“.

„Professor Fisch war schon für 2019 für die Westberg-Professur angefragt. Wir sind froh, dass er nun für Januar 2020 zusagen konnte“, erklärt Prof. Matthias Lutz-Bachmann, der die Westberg-Vorlesung seit ihrem Entstehen koordiniert. Das Thema der kleinen Vortragsreihe sei ein „wichtiger Schritt in der Forschungsplanung“: Denn der Dialog zwischen den Religionen und insbesondere der Blick in die jüdische Geistesgeschichte werde im Forschungsprofil der Goethe-Universität auch künftig eine große Rolle spielen.

In seinen Frankfurter Vorlesungen, die er in englischer Sprache halten wird, wird Menachem Fisch über die Beziehungen von Judentum, Christentum und Islam sprechen, die einerseits durch wechselseitige Lernerfahrungen und positiv gelebte Nachbarschaft, andererseits aber auch durch Konflikte geprägt sind. Als Wissenschaftshistoriker bezieht er sich dabei vor allem auch auf die Begegnungen dieser Religionen in den vormodernen Gesellschaften des Nahen Ostens und Europas und versucht, daraus Schlüsse auf die Gegenwart zu ziehen.

Eröffnet wird die Reihe mit dem Vortrag „A Philosophical Overture“

am Mittwoch, 22. Januar, um 18 Uhr
im Festsaal im Casinogebäude (Campus Westend),

bei dem Fisch ankündigt, die normativen Beschränkungen einer Philosophie überschreiten zu wollen, die sich alleine auf eine Vernunft stützt, auf die sich seit Sokrates das westliche Denken bezieht. In weiteren Vorträgen befasst er sich unter anderem mit der Perspektive des Talmuds im Gegensatz zur sokratischen Philosophie. Der Talmud steht im Zentrum der jüngeren Forschungsarbeiten von Menachem Fisch.

Zur Person des Referenten

Menachem Fisch, geboren 1948 im britischen Leeds, hat in Tel Aviv und Oxford studiert. Als Philosoph befasst er sich vor allem mit Wissenschafts- und Geistesgeschichte, Sprache und Judentum. Lange Jahre hatte er an der Universität einen Lehrstuhl für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften inne und war Direktor des Zentrums für religiöse und interreligiöse Studien. Er war Mitglied am Institute for Advanced Study in Princeton, Senior Visiting Fellow in Budapest, Visiting Scholar am Trinity College in Cambridge und Senior Research Fellow am Shalom Hartman Institute in Jerusalem. 2016 wurde er mit dem Humboldt-Preis ausgezeichnet, 2017 erhielt er die Ehrendoktorwürde in Religionsphilosophie an der Goethe-Universität. Er kooperiert seit Jahren eng mit Prof. Christian Wiese, der an der Goethe-Universität jüdische Religionsphilosophie lehrt. Außerdem ist Fisch auch Senior Fellow am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität in Bad Homburg.

Zur Dagmar-Westberg-Vorlesung

Die Gastprofessur ist nach dem Vorbild amerikanischer Lectures konzipiert. Sie wird aus den Erträgen eines Fonds finanziert, den die Mäzenin Dagmar Westberg (1914-2017) gestiftet hat. Nach dem Willen der Stifterin soll das Geld ausschließlich für die Geisteswissenschaften verwendet werden. So kann die Goethe-Universität jährlich eine weltweit renommierte Forscherpersönlichkeit nach Frankfurt einladen. In den vergangenen Jahren fiel die Wahl auf den Germanisten Peter Strohschneider, der bis Ende 2019 DFG-Präsident war, die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum, den deutsch-amerikanischen Archäologen Lothar von Falkenhausen, den Berliner Theologen Christoph Markschies, den Princeton-Historiker Anthony T. Grafton und die US-amerikanische Historikerin Lynn Hunt.

Die 8. Westberg-Vorlesungsreihe wird im Sommersemester stattfinden. Von 15. bis 19. Juni wird Sianne Ngai aus Chicago zu Gast sein. Sie befasst sich mit den Themen Nationalismus, Bürgerlichkeit, Ethnizität und Rasse in der jüngeren Geschichte der USA.

Die Termine der 7. Westberg-Vorlesung:

A Philosophical Overture
Breaching Rationality's Normative Constraints

Mittwoch, 22. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Festsaal Casino (Cas. 823):

The Dialogial Dynamics of Scientific Upheavals
Donnerstag, 23. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)

Talmudic Judaism's Non-Socratic Paradigm
Montag, 27. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)

Reflective Emotions and the Politics of Love
Mittwoch, 29. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)

Dialogues of Reason: Science, Politics, Religion
Kolloquium zu den Vorlesungen
Donnerstag, 30. Januar, ab 10 Uhr,
Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität
Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg v.d. Höhe

(Anmeldung zum Kolloquium unter schweighoefer@em.uni-frankfurt.de)

Informationen: Prof. Dr. Dr. Matthias Lutz-Bachmann, Institut für Philosophie, Telefon 069 798-32779; E-Mail: Lutz-Bachmann@em.uni-frankfurt.de

 

Jan 16 2020
13:19

Dr. Kevin Bork untersucht die rechtlichen Mechanismen von Rückversicherungsverträgen

Versicherung der Versicherung: Rechtssicherheit wagen

FRANKFURT. Haftpflicht, Brandschutz, Unfall – der moderne Mensch sichert sich nach Möglichkeit gegen die Risiken des Lebens ab. Doch was, wenn das Versicherungsunternehmen nicht zahlen kann? Absicherung schafft unter anderem die Rückversicherung. Der Jurist Dr. Kevin Bork hat in seiner Dissertation untersucht, inwiefern der Versicherer auf die Leistung seines Versicherers berechtigterweise vertrauen darf.

Die moderne Zivilgesellschaft ist ohne die durch Versicherung möglich gewordene Absicherung nicht denkbar. Das System ist jedoch nur dann funktionsfähig, wenn der Versicherungsnehmer darauf vertrauen darf, dass sein Versicherer im Schadensfall finanziell in der Lage ist, die vereinbarte Leistung zu erbringen. In der Praxis wird dies durch umfangreiche Kapitalreserven der Versicherungsunternehmen gewährleistet, aber auch durch die „Versicherung der Versicherung“, die sogenannten Rückversicherer.

Dieser Rückversicherungsmarkt unterliegt zwar ebenso der staatlichen Aufsicht, der Gesetzgeber verzichtet jedoch im Gegensatz zu dem Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer auf eine gesetzliche Regelung des Rückversicherungsvertrages mit dem Argument, die Vertragsparteien bedürften aufgrund ihrer Professionalität keines besonderen Schutzes. Bislang weitgehend unbeachtet blieb dabei der Umstand, dass die Ausgestaltung des Rückversicherungsvertrages in seinen Rechten und Pflichten durchaus Auswirkungen auf das Verhalten des Versicherers gegenüber seinen Versicherungsnehmern, also den Verbrauchern, hat. Am deutlichsten tritt dieses Phänomen am Beispiel der sogenannten Folgepflicht auf, nach welcher die Entscheidungen des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer auch für den Rückversicherer bindend sind. Die Folgepflicht besagt, dass der Rückversicherer die Entscheidung des Versicherers, ob und in welcher Höhe er einen Schaden ersetzt, (in bestimmten Grenzen) gegen sich gelten lassen muss, d.h. nicht noch einmal die rechtliche Frage der Leistungspflicht des Versicherers bewerten darf. Um die Grenzen dieser Folgepflicht ranken sich die unterschiedlichsten Legenden. Die Arbeit räumt hiermit auf und ergründet einen neuen dogmatischen Ansatz für die Folgepflicht.

Die Grenzen der Folgepflicht sind bis heute nicht klar definiert oder dogmatisch ergründet – und das trotz Beitragseinnahmen der Rückversicherungsbranche in Höhe von mehr als 200 Milliarden US-Dollar allein im Jahr 2017. Der Rechtsanwender wird bislang pauschal auf die englische Rechtsprechung, vermeintlich bestehende Handelsbräuche und vielsagende allgemeine vertragsrechtliche Grundsätze verwiesen. Vor diesem Hintergrund führt die Arbeit die Folgepflicht erstmals einer umfassenden Würdigung zu und ergründet ein weiteres Verständnis der Folgepflicht auf Basis eines neuen dogmatischen Ansatzes. Mehr Rechtssicherheit würde, so der Autor, zu einem kalkulierbareren Rückversicherungsschutz führen und so letztlich nicht nur den Parteien des Rückversicherungsvertrages, sondern mittelbar auch der modernen Zivilgesellschaft und ihren Individuen dienen, da sie eine Bewertung durch die staatliche Aufsicht ermöglicht und so langfristig die Leistungsfähigkeit des Versicherers sichert.

Publikation: Kevin Bork, Tension of Reinsurance: die Folgepflicht des Rückversicherers im Licht des Regulierungsermessens des Erstversicherers (Diss. 2019), XXIII + 406 Seiten, RuR 67 (Reihe »Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung«, hrsg. von der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.; ISSN: 1861-5449), Mohr Siebeck, Tübingen; ISBN: 978-3-16-158934-8.

Informationen: Dr. Kevin Bork, Telefon +49(0)69 798-33770, E-Mail bork@jur.uni-frankfurt.de

 

Jan 15 2020
10:57

Einzelmolekülmikroskopie macht den Tanz der Rezeptoren sichtbar

Forscher veranschaulichen die molekularen Strukturen von TNF Rezeptoren in der Zellmembran

FRANKFURT. Ob eine kranke Zelle stirbt, sich teilt oder durch den Körper wandert, reguliert ein ausgeklügeltes Wechselspiel von Botenmolekülen und Rezeptoren in der Zellmembran. Einer der wichtigsten Signalstoffe des Immunsystems ist der Tumornekrosefaktor α (TNFα). Forscher unter Federführung der Goethe-Universität haben nun erstmals in Zellen die molekulare Organisation einzelner Rezeptor-Moleküle und die Bindung von TNFα an die Zellmembran visualisiert.

Damit der Tumornekrosefaktor an einen Membranrezeptor binden kann, muss dieser zunächst aktiviert werden. Das bedeutet, dass der Schlüssel nur unter bestimmten Umständen ins Schloss passt. So wird verhindert, dass beispielsweise eine gesunde Zelle den programmierten Zelltod stirbt. „Im Membranrezeptor TNFR1 wird die Bindung von TNFα über mehrere Cystein-reiche Domänen, kurz CRDs, vermittelt", erklärt Sjoerd van Wijk vom Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie an der Goethe-Universität.

Insbesondere die CRD1-Domäne des Rezeptors sorgt dafür, dass TNFα “andocken" kann. Bisher wussten die Forscher, dass sich dann Rezeptor-Moleküle zusammenlagern wie in einem Tanz, bei dem sich zwei, drei oder mehr Partner an den Händen fassen. Nur dass die Dimere, Trimere oder Oligomere aus gleichartigen Untereinheiten, in diesem Fall Rezeptoren, bestehen. Allerdings finden solche „Umbaumaßnahmen“ auch statt, wenn kein TNFα in der Nähe ist. „Trotz der großen Bedeutung von TNFα bei Krankheiten wie Entzündungen und Krebs sind die Physiologie und die Struktur von TNFR1 an der Zellmembran bisher noch weitgehend unbekannt", erklärt Sjoerd van Wijk den Ausgangspunkt für seine Forschung.

Um die Vorgänge an der Zellmembran im Detail zu verstehen, wandte sich van Wijk an Mike Heilemann vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Goethe-Universität. Mit der von ihm entwickelten Kombination aus quantitativer Mikroskopie und hochauflösender Einzelmolekülmikroskopie kann Heilemann einzelne Proteinkomplexe und deren molekulare Organisation in Zellen sichtbar machen. Gemeinsam mit Ivan Dikic (Institut für Biochemie II) und Simone Fulda (Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie) an der Goethe-Universität, Harald Wajant vom Universitätsklinikum Würzburg und Darius Widera von der Universität Reading/UK, konnten sie nun den Tanz der Rezeptor-Moleküle beobachten. Finanzielle Unterstützung kam von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über den Sonderforschungsbereich 807, „Transport and Communication across Biological Membranes“.

Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science Signaling“ berichten, liegen die TNFR1-Rezeptoren in Abwesenheit von TNFα als Monomere und Dimere vor. Sobald jedoch TNFα an die Rezeptoren bindet, bilden diese in der Membran Trimere und Oligomere. Gleichzeitig fanden die Forscher Hinweise auf Mechanismen, die das Schicksal der Zelle unabhängig von TNFα bestimmen. Diese könnten bei Entgleisungen wie Krebs oder überschießenden Entzündungsreaktionen, etwa der rheumatoiden Arthritis, relevant sein. „Das eröffnet neue Wege für die therapeutische Regulation“, so van Wijk.

Publikation: C. Karathanasis, J. Medler, F. Fricke, S. Smith, S. Malkusch, D. Widera, S. Fulda, H. Wajant, S. J. L. van Wijk, I. Dikic, M. Heilemann, Single-molecule imaging reveals the oligomeric state of functional TNFα-induced plasma membrane TNFR1 clusters in cells. Sci. Signal. 13, eaax5647 (2020). DOI: 10.1126/scisignal.aax5647

Informationen: Dr. Sjoerd van Wijk, Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie, Campus Niederrad, Tel.: (069) 67866574, Email: s.wijk@kinderkrebsstiftung-frankfurt.de 

Prof. Dr. Mike Heilemann, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798 29424, Email: heileman@chemie.uni-frankfurt.de

 

Jan 14 2020
14:21

Studiengalerie 1.357 zeigt Arbeit der Künstlerin und Filmemacherin Basma Alsharif 

„Deep Sleep“: kinematografische Mittelmeer-Odyssee 

FRANKFURT. Die Studiengalerie 1.357 zeigt vom 15. Januar bis zum 12. Februar 2020 die Arbeit “Deep Sleep" von Basma Alsharif. “Deep Sleep“ lädt ein zu einer kinematografischen Mittelmeer-Odyssee mit viszeralen Empfindungen. Ruinen von antiken und modernen Stätten in Malta, Athen und dem Gazastreifen; ein in einem Garten trabendes Pferd; eine den Hafen verlassende Fähre. Sekundenlanges Farbflimmern, die Super-8-Kamera überblendet Orte und Zeiten, spult vor und zurück. Dazu der Soundtrack von psychedelischen Beats. Er vermengt den gleichmäßigen Rhythmus von menschlichen Schritten oder vom Rattern einer Eisenbahn mit Vogelgezwitscher. Es ist, als sei man an mehreren Orten zugleich.

Die Ausstellung ist vom 15.1. bis zum 12.2.2020 im I.G.-Farben-Haus der Goethe-Universität, Raum 1.357, im 1. Stock, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Mo-Do, 12-17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Die Eröffnung findet am 15. Januar 2020 um 20 Uhr in der Studiengalerie 1.357 statt.

Basma Alsharif wird als Kind palästinensischer Eltern geboren. Sie wächst im Gazastreifen und in verschiedenen Ländern auf und bezeichnet sich selbst als staaten- und heimatlose nomadische Künstlerin. In ihren Installationen experimentiert sie mit einem neuen Zugang zu selbst Erlebtem und reflektiert das Schicksal des palästinensischen Volkes. Die ursprüngliche Idee von „Deep Sleep“ war ein Soundtrack mit Geräuschen aus dem Gazastreifen. In einem Versuch, sich selbst zu hypnotisieren, kamen bewegte Bilder von flüchtigen Erinnerungen dazu. So entsteht das Narrativ einer filmischen Autofiktion, der illusionäre Gang einer Künstlerin mit multiplen Perspektiven durch ineinander verschränkte Räume und Zeiten. Alsharifs transzendenter Zustand der Bilokation beschränkt sich dabei nicht auf Gaza, sondern rekonstruiert die Zivilisation des Mittelmeerraums anhand von Ikonen der Antike und mythischer Orte: eine Siegesglocke als Mahnmal des Widerstands, Steilküsten oder versteckte Gärten mit Brunnen. Ruinen des kulturhistorischen Erbes ehemaliger Stätten von Belagerung und Fremdherrschaft verschränkt sie mit einer modernen Zivilisation in Ruinen: die Akropolis und ein Graffiti einer frustrierten und arbeitslosen Jugend: No Justice! Die Dialektik ihrer Repräsentation rekonstruiert und dekonstruiert Vergangenheit und Gegenwart, Perzeption und Realität visuell wie akustisch. Mit dem Finger deutet Alsharif wie auf einem Touchscreen auf Objekte und versetzt die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Position von Akteuren; sie werden Teil des Versuchs, das Trauma und den Schmerz von Gaza an anderen Orten zu replizieren.

Basma Alsharif graduierte 2007 mit einem Master of Fine Arts an der University of Illinois, Chicago und arbeitet seitdem in Kairo, Beirut und Amman. Alsharifs Arbeiten wurden in internationalen Ausstellungen und Filmfestivals gezeigt und mit Preisen ausgezeichnet. „Deep Sleep“ wurde erstmals 2014 auf dem Media City Film Festival in Windsor, Ontario und anschließend auf anderen Festivals aufgeführt. Als Gewinner eines internationalen Wettbewerbs gewann er den Preis der Videoex in Zürich.

Die Studiengalerie 1.357 ist eine Kooperation des Städel Museums, des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt, des Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften und der Goethe-Universität Frankfurt. Sie realisiert pro Jahr vier Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst, die unter dem Leittitel „Erinnerungskultur und Bildgebrauch“ in Lehrveranstaltungen von Studierenden verschiedener Disziplinen erarbeitet werden.

 

Jan 13 2020
14:00

DFG fördert Kolleg-Forschungsgruppe „Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer“ an der Goethe-Universität

Neuer Blick auf die Geschichte des Christentums

FRANKFURT. Welche Rolle spielen Religionen für die Organisation von Gesellschaften, für ihre Konflikte und ihren Zusammenhalt? Diese Frage ist nicht nur politisch hochaktuell, sondern auch relevant für die historische Forschung. Eine neue, von der DFG geförderte Kolleg-Forschungsgruppe mit dem Titel  „Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer“ richtet den Blick auf frühere Formen des Christentums. Sprecherinnen der Kolleg-Forschungsgruppe sind Birgit Emich, die an der Goethe-Universität die Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit innehat, und Dorothea Weltecke, Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Goethe-Universität.

Kein Zweifel: Die verschiedenen Strömungen des Christentums haben die Geschichte Europas und der Welt mitgestaltet: Sie prägten die Sinnhorizonte und Praktiken der Menschen über viele Jahrhunderte, sie brachten die Institution der Kirche hervor, die für die Entwicklung des Rechts und für die Herausbildung weltlicher Herrschaftsstrukturen von großer Bedeutung war, und sie trugen wesentlich zur Vernetzung der zunehmend globalen Welt bei.

Wie aber lässt sich diese Geschichte in ihrer Vielfalt und Dynamik erfassen? Die bisherige Forschung hat die Zustände des 19. Jahrhunderts mit zentralisierten Großkirchen und einer Dominanz des europäischen Christentums oftmals auch in die Vergangenheit rückprojiziert: Christentum wurde demnach meist als etwas Einheitliches und Europäisches verstanden. Die Kolleg-Forschungsgruppe will nun ihren Blick stärker auf die titelgebende „Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer“ richten.

Ziel der Kolleg-Forschungsgruppe ist es, die Vielfalt der Christentümer terminologisch wie konzeptionell neu zu fassen und ein Modell zu entwerfen, das die Vorstellungen historischer Dynamik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit grundlegend erweitert. Methodischer Ausgangspunkt ist der Begriff der „Christentümer“, der den Kirchen, d.h. den Institutionen mit ihren Apparaten und Hierarchien, zur Seite gestellt wird. Christentümer, so die Definition, sind Interaktionsgemeinschaften, die sich auf Jesus Christus beziehen und sich als Gruppe nach außen abgrenzen. Wo sich die Interaktion zwischen den Akteuren verdichtet, bilden sich Zentren, wo sie ausdünnt, entstehen Grenzen. Diese Zentren und Grenzen sind in Bewegung, und genau diese Dynamik ist es, mit der die Christentümer die historische Entwicklung mitgestalten.

Diese Perspektive ermöglicht es, die historisch wirkmächtigen Kirchen in ihrer historischen Vielfalt darzustellen und ihnen gleichzeitig einen neuen Platz in der transkulturellen Geschichte der Christentümer zuzuweisen: Denn indem anders als in traditionellen kirchengeschichtlichen Ansätzen die Akteure und ihre Interaktionen in den Mittelpunkt gerückt werden, zeigt sich eine Vielfalt von Beziehungen und Gemeinsamkeiten, die sich zu Christentümern verdichten und neben oder auch quer zu den Kirchen verlaufen.

Mit diesem mehrschichtigen Ansatz können Birgit Emich und Dorothea Weltecke zufolge historische Modelle entwickelt werden, die postkolonialen Überlegungen Rechnung tragen, überkonfessionelle Zusammenhänge erfassen und den Beitrag der Christentümer zur globalen Vernetzung deutlicher als bisher herausarbeiten.

Diesem Anliegen wird sich das Frankfurter Kolleg widmen. Unter der Leitung von Birgit Emich und Dorothea Weltecke werden vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gemeinsam mit Fellows aus dem In- und Ausland und aus verschiedenen Disziplinen an der Entwicklung eines neuen Modells für die Geschichte der Christentümer in der Zeit von 700 bis 1800 arbeiten. Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre bewilligt und wird mit ca. 3 Millionen Euro gefördert. Es startet mit seinem Fellow-Programm im Oktober 2020.


Informationen: Prof. Dr. Birgit Emich, https://www.geschichte.uni-frankfurt.de/43090711/Emich_Birgit; Prof. Dr. Dorothea Weltecke, https://www.geschichte.uni-frankfurt.de/66156354/Dorothea_Weltecke

 

Jan 13 2020
13:51

Vortrag im Rahmen der Ausstellung „Selbst Denken“ in der Universitätsbibliothek Frankfurt

Schopenhauers Frankfurt

FRANKFURT. Begleitend zur Schopenhauer-Ausstellung „Selbst Denken“ in der Universitätsbibliothek Frankfurt hält der Philosoph Michael Fleiter einen Vortrag, in welchem er Bezüge zwischen der Stadt Frankfurt und Schopenhauers Philosophie beleuchtet. Die Ausstellung „Selbst Denken“ zum 200-jährigen Jubiläum von Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ ist an diesem Tag von 13 bis 20 Uhr geöffnet. Eine Anmeldung für den Vortrag oder die Ausstellungsbesichtigung ist nicht nötig.

Vortrag: Michael Fleiter, „Schopenhauers Frankfurt - eine Stadt im Spiegel seiner Philosophie“
Donnerstag, 16. Januar 2020, 18.00 Uhr; Eingangshalle der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main; Bockenheimer Landstr. 134-138, 60325 Frankfurt am Main.


Als Arthur Schopenhauer sich 1833 in Frankfurt am Main niederließ, war die Wahl des Wohnortes für ihn äußerst wichtig. Auf dem Deckel seines Rechnungsbuches notierte er als Vorzüge der Stadt: Modernität, Internationalität, die Freiheit großstädtischen Lebens und vor allem eine Vielzahl naturwissenschaftlicher Institutionen, die er für die Fortführung seiner philosophischen Arbeit benötigte. Er nutzte die Informationen über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die er sich im Naturhistorischen Museum und im Physikalischen Kabinett, in Bibliotheken und Lesesälen aneignete, um seine zuvor entstandene, metaphysische Willensphilosophie mit Ergebnissen zeitgenössischer Naturwissenschaft zu untermauern.

Die Ansichten des Philosophen irritierten die meisten Zeitgenossen. Dass der Mensch − triebgesteuert und an die natürliche Gesetzmäßigkeit seiner physischen Ausstattung gebunden − in naher Verwandtschaft mit dem Tier steht; dass in der Welt nicht göttliche Vorsehung, sondern ein blinder Lebenswille vorwaltet: Solche und ähnliche Einsichten empfanden viele als ernüchternd und kränkend und nur wenige waren bereit, dem Querdenker zu folgen. Stattdessen ersann man eine Fülle von Anekdoten, die in erster Linie Eigentümlichkeiten der Person betrafen. Schopenhauers philosophische Bedeutung und die Rolle, die Frankfurt in diesem Zusammenhang spielte, blieben weitgehend ausgespart.

Der Vortrag lässt das von Anekdoten geprägte Bild außer Acht, stattdessen setzt er Ort und Werk zueinander in Beziehung. Auf diese Weise wird die moderne Entwicklung des Stadtbildes sichtbar wie ihr wissenschaftlicher, auf bürgerlichen Stiftungen basierender Rang. Zugleich rücken Kernpunkte der Schopenhauerschen Philosophie in den Fokus, welche die Geschichte der Wissenschaft und Philosophie in Frankfurt fortschreiben − eine Geschichte von ungebrochener Aktualität.

Infos zur Ausstellung: https://www.ub.uni-frankfurt.de/ausstellung/selbst-denken.html

Weitere Informationen:
Jessica Zülch, Veranstaltungsmanagement, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Bockenheimer Landstraße 134-138, 60325 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798 29571, E-Mail: events@ub.uni-frankfurt.de

Kontakt für Pressefragen allgemein: Bernhard Wirth, Stabsstelle Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek, Tel. (069) 798 39223; Mail: pr-team@ub.uni-frankfurt.de

 

Jan 6 2020
12:22

Bündelung und Vernetzung der verschiedenen Disziplinen mit Schwerpunkt Italien

Goethe-Uni hat jetzt ein Italienzentrum

FRANKFURT. Geschichte und Kunstgeschichte, Sprach- und Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft und Politologie – in all diesen Fächern ist Italien ein Thema. An der Goethe-Universität haben sich die unterschiedlichen Disziplinen jetzt zusammengeschlossen, um unter dem Dach eines Italienzentrums noch stärker miteinander kooperieren zu können.

„Die Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Italien befassen, hatten auch schon bisher das eine oder andere Projekt gemeinsam“, sagt Christine Ott, Professorin für italienische Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität, die das Zentrum gemeinsam mit dem Historiker Prof. Christoph Cornelißen leitet. Schon jetzt gebe es mehrere große Drittmittelprojekte an der Goethe-Universität, die sich mit Geschichte und Kultur Italiens befassten. Auch ein binationaler Studiengang wird angeboten, so dass Absolventen am Ende sowohl einen deutschen als auch einen italienischen Abschluss vorweisen können. Das Italienzentrum soll den Wissenschaftlern nun darüber hinaus dabei helfen, sich noch besser interdisziplinär miteinander zu vernetzen – und damit die Sichtbarkeit der Forschung nach außen zu erhöhen. Die beteiligten Wissenschaftler bringen ihre Kontakte zu unterschiedlichen italienischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rom, Venedig, Trient und Florenz ein. Darüber hinaus soll es drei Vorträge im Jahr geben, die sich auch an ein externes Publikum richten, sowie Konferenzen und fächerübergreifende Lehrveranstaltungen.

„Das neue Zentrum gibt uns verstärkt Möglichkeit, Gespräche unter Italienspezialisten zu führen und Forscherpersönlichkeiten aus dem Ausland einzuladen“, freut sich Professorin Ott, die selbst die einzige Professur für italienische Literaturwissenschaft an der Goethe-Uni innehat und sich auf die zusätzlichen Möglichkeiten des Austauschs freut. Bislang muss sich das Zentrum aus den Mitteln der beteiligten Institute finanzieren. Mit im Boot ist auch die deutsch-italienische Vereinigung, die auch bei der Präsentation des Zentrums beim Europasommer in diesem Jahr mitwirken wird. PD Dr. Caroline Lüderssen, die Vorsitzende der Vereinigung und selbst Italianistin, engagiert sich mit ihrer Institution für das Zentrum. Beteiligte Wissenschaftler sind außer Christine Ott und Christoph Cornelißen Prof. Claudius Wagemann (Politikwissenschaft), Prof. Hans Aurenhammer (Kunstgeschichte), Prof. Vinzenz Hediger (Filmwissenschaft), Prof. Günther Wassilowsky (Katholische Theologie), Prof. Birgit Emich (Geschichtswissenschaft), Prof. Hartmut Leppin (Geschichtswissenschaft), Prof. Cecilia Poletto (Sprachwissenschaft), Prof. Jacopo Torregrossa (Romanistik), Dr. Philip Stockbrugger, Dr. Lena Schönwälder, PD Dr. Magnus Ressel sowie Dr. Marco Cavarzere.

Bei der Eröffnung des Zentrums Mitte Dezember sagte der italienische Generalkonsul Andrea Estéban Samà seine Unterstützung zu. Festredner war der Historiker Carlo Ginzburg, der u.a. in Bologna und Pisa gelehrt hat und als Begründer der Mikrogeschichte gilt. In einer berührenden Rede sprach er über die Anfänge seiner Methodik und erinnerte an seinen Vater, Leone Ginzburg, der von der SS in Rom ermordet wurde. „Mein Vater war in Russland in einer jüdischen Familie geboren, er wurde Italiener, er starb als Europäer“, schloss Ginzburg seine Rede: „Ich habe es für richtig gehalten, heute und hier an ihn zu erinnern, in einem so schwierigen und wichtigen Augenblick für Italien, für Deutschland und für Europa“.

Informationen: Prof. Dr. Christoph Cornelißen, Historisches Seminar, Fachbereich 08, Campus Westend, Telefon 069 798-32519, E-Mail cornelissen@em.uni-frankfurt.de /Prof. Dr. Christine Ott, Institut für Romanische Sprachen und Literaturen, Fachbereich 10, Campus Westend, Telefon 069 798-32014, E-Mail c.ott@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 23 2019
21:10

Bei Wiederkäuern reagiert ein Bakterium mit zwei unterschiedlichen Atmungsketten auf schwankenden Salzgehalt

Neuer Stoffwechsel im Pansenmikrobiom entdeckt

FRANKFURT. Kühe können sich an Nahrung mit unterschiedlichem Kochsalzgehalt anpassen. Wie sie das machen, war bislang ein Geheimnis. Jetzt haben Forscher der Goethe-Universität im Mikrobiom des Pansens ein Bakterium entdeckt, das einen neuen Typ von Zellatmung hat.  

Die Kuh kann Gras nur mithilfe von Milliarden Mikroorganismen in ihrem Pansen verwerten. Ein ganzer Zoo von Bakterien, Archaeen und Protozoen arbeitet dort wie am Fließband: Zuerst spalten diese Einzeller die Cellulose, einen Vielfachzucker, auf. Andere Bakterien vergären die freigesetzten Zucker zu Fettsäuren, Alkoholen und Gasen wie Wasserstoff und Kohlendioxid. Schließlich verwandeln methanogene Archaeen diese beiden Gase zu Methan.

Eine durchschnittliche Kuh produziert etwa 110 Liter Methan pro Tag. Durch das Wiederkäuen entweicht es aus dem Maul, wird aber auch wieder mit Nahrungsbrei und vermischt. Dadurch kann der Kochsalzgehalt des Grasbreis stark schwanken (zwischen 60 – 800 milli-Mol Natriumchlorid (NaCl) pro Liter).

Wie sich die Bakterien des Pansens an diese stark schwankenden Kochsalzkonzentrationen anpassen, hat eine deutsch-amerikanische Forschergruppe jetzt herausgefunden:„Bioinformatische Analysen der  Genome von Pansenbakterien führten unseren amerikanischen Kollegen Tim Hackmann zu der Vermutung, dass einige Pansenbakterien zwei unterschiedliche Atmungsketten haben. Eine davon funktioniert mit Natriumionen, die andere ohne“, erklärt Prof. Volker Müller von der Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik an der Goethe-Universität. Müller schlug seiner Doktorandin Marie Schölmerich deshalb vor, einen typischen Vertreter im Mikrobiom von Wiederkäuen zu untersuchen: das Bakterium Pseudobutyrivibrio ruminis.

Marie Schölmerich hat zusammen mit der Bachelorstudentin Judith Dönig und dem Masterstudenten Alexander Katsyv das Bakterium kultiviert. Tatsächlich konnten sie beide Atmungsketten nachweisen. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten, wird während der Zuckeroxidation der Elektronenüberträger Ferredoxin (Fd) reduziert. Reduziertes Ferredoxin treibt beide Atmungsketten an.

Die eine Atmungskette besteht aus dem Enzymkomplex Fd:NAD-Oxidoreduktase (Rnf- Komplex). Er transportiert Natriumionen unter Aufwendung von Energie aus der Zelle. Bei ihrem Wiedereintritt treiben die Natriumionen eine ATP-Synthase an, so dass ATP entsteht. Diese Atmungskette arbeitet nur in Gegenwart von Natrium-Ionen.

Fehlen Natrium-Ionen, bildet das Bakterium eine alternative Atmungskette mit einem anderen Enzymkomplex: Die Ech-Hydrogenase oder synonym Fd:H+-Oxidoreduktase produziert Wasserstoff und pumpt Protonen aus der Zelle. Treten diese über eine zweite ATP-Synthase, die Protonen, aber keine Natriumionen akzeptiert, wieder in die Zelle ein, entsteht ebenfalls ATP.

„Bis heute ist dies das erste Bakterium, bei dem diese beiden einfachen, komplett unterschiedlichen Atmungsketten nachgewiesen wurden. Unsere bioinformatischen Analysen legen aber nahe, dass sie auch bei anderen Bakterien zu finden sind“, erklärt Marie Schölmerich. „Diese Anpassungsstrategie scheint also weiter verbreitet zu sein“, lautet ihre Vermutung.

Interessanterweise wurden die beiden Enzymkomplexe (Rnf-und Ech-Komplex) auch in evolutionsbiologisch alten Bakterien gefunden. Die Arbeitsgruppe von Prof. Müller hat sie eingehend untersucht, aber immer nur einen der beiden Enzymkomplexe gefunden, nie beide zusammen. „Jetzt werden wir mit Methoden der synthetischen Mikrobiologie Hybride von Bakterien herstellen, die beide Komplexe enthalten, um diese für biotechnologische Prozesse zu optimieren. Dadurch kann man den zellulären ATP-Gehalt erhöhen. Dann lassen sich wertvollere Produkte herstellen“, erklärt Prof. Müller. Geplant ist, die Atmungsketten einzusetzen, um durch die Fermentation von Synthesegasen Wertstoffe zu gewinnen. Dies ist Gegenstand der Untersuchungen in einem BMBF-geförderten Projekt.

Ein Bild zum Download finden Sie unter: http://www.uni-frankfurt.de/84412971

Bildtext: Das Bakterium Pseudobutyrivibrio ruminis (grün), ein typisches Pansenbakterium, gewinnt Energie über zwei unterschiedliche Atmungsketten. Die eine benötigt Natriumionen, die andere Wasserstoffionen (H+). So passt es sich optimal an die schwankende Kochsalzkonzentration der Nahrung an.  Grafik: Goethe-Universität/ Kuh: Shutterstock

Publikation: Schölmerich, M.C., Katsyv, A., Dönig, J., Hackmann, T., Müller, V. (20XX). Energy conservation involving two respiratory circuits. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., in press.

Informationen: Prof. Volker Müller, Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-29507; VMueller@bio.uni-frankfurt.de.

 

Dez 20 2019
09:55

„Forschung Frankfurt“ zum Thema „Von Herzen“: Liebeskummer und Trauer können die Gesundheit stark beeinträchtigen 

Wenn Gefühle gefährlich werden

FRANKFURT. „Gebrochene Herzen“ – dieses Sprachbild ist nicht nur metaphorisch zu verstehen. Einschnitte im Leben wie der Verlust des Partners können durchaus auch gesundheitliche Folgen haben – bis hin zum erst in jüngerer Zeit entdeckten „Broken Heart Syndrom“, das einem Herzinfarkt gleicht. Wie es dazu kommt, damit befassen sich Psychologen, Psychosomatiker und Kardiologen an der Goethe-Universität. Darüber lesen Sie in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität „Forschung Frankfurt“, das diesmal das Schwerpunktthema „Von Herzen“ hat.


Seelischer Schmerz gehört zum Leben dazu, kaum jemand bleibt davon verschont. Doch während Zeit bei den meisten Menschen tatsächlich Wunden heilt, durchleben manche den Schmerz besonders intensiv und ausdauernd. Aber was, wenn die Gedanken nur noch um das Verlassensein kreisen? Wenn das eigene Leben zu entgleiten droht, weil man antriebsarm und deprimiert ist? Menschen, die es nicht schaffen, den Verlust eines geliebten anderen zu verwinden, können professionellen Rat und Hilfe in einer psychologischen Praxis in Anspruch nehmen – zum Beispiel beim Zentrum für Psychotherapie der Goethe-Universität unter der Leitung von Prof. Ulrich Stangier. Dr. Heike Winter leitet und koordiniert das Ausbildungsprogramm am Zentrum an der Varrentrappstraße. In der Verhaltenstherapie-Ambulanz könnten die Psychologen feststellen, ob es sich um eine Anpassungsstörung oder eine Depression handele, so Winter, – oder ob der Betreffende mit ein wenig Unterstützung und ohne weitere Behandlung aus diesem Loch kommen könne.


Physiologisch betrachtet, wirkt sich Kummer wie eine extreme Stresssituation aus – was auch zu physischen Beeinträchtigungen führen kann, unter Umständen sogar zu massiven Herzbeschwerden. In der Medizin ist das „gebrochene Herz“ als „Broken-Heart-Syndrom“ inzwischen eine etablierte Diagnose. „Die Symptome reichen von leichten Funktionseinschränkungen, aber auch bis zu starken Funktionsstörungen bis zum Schock mit einem notwendigen Aufenthalt auf der Intensivstation“, sagt Prof. Stephan Fichtlscherer, stellvertretender Direktor an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Nephrologie am Universitären Herzzentrum der Uniklinik. Symptome wie Engegefühl, Luftnot und Schmerzen sind normalerweise ein klarer Hinweis auf einen Herzinfarkt, diese Beschwerden treten auch bei dem Broken-Heart-Syndrom auf, jedoch ohne dass sich Verengungen oder Verschlüsse der Herzkranzgefäße feststellen ließen.


Auch andere Krankheiten stehen in Zusammenhang mit Kummer und Stress. Dr. Moritz de Greck, Privatdozent und Leiter des Bereichs Psychosomatik an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Goethe-Universität, sieht vor allem Patienten mit anderen psychosomatischen Erkrankungen, die oft eine lange Vorgeschichte haben. Das Trauerereignis bringe meist das Fass nur zum Überlaufen, hat de Greck beobachtet. Psychosomatische Erkrankungen seien dann das Ende einer langen Entwicklung, ausgelöst durch einen schmerzhaften Einschnitt im Leben. Der Patient hat Schmerzen, die er auf eine körperliche Erkrankung zurückführt. In Wirklichkeit ist da aber kein körperlicher Befund. „Wenn der Notarzt zweimal da war, ohne etwas festzustellen, kommen die Patienten dann oft irgendwann zu uns“, so de Greck. Als ärztlicher Psychotherapeut entscheidet er situativ und störungsspezifisch, welcher therapeutische Ansatz der richtige ist. Wichtig ist, dass die verschiedenen Disziplinen bei der Therapie zusammenwirken und sich gemeinsam um das Wohl der Kranken kümmern.


Mehr zu diesem Thema lesen Sie im Beitrag von Dr. Anke Sauter, der in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) erschienen ist. Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.


Im Web: www.forschung-frankfurt.de.

 

Dez 18 2019
16:19

Goethe-Universität ist mit Zentrum für Biomolekulare Magnetresonanz als einer von 23 europäischen Partnern am Projekt iNEXT-Discovery beteiligt

EU investiert weitere 10 Millionen Euro in Strukturbiologie

FRANKFURT. Die Struktur von großen Biomolekülen zu entschlüsseln, ist entscheidend für viele Innovationen im Bereich Gesundheit, Umwelt und nachhaltige Technologien. Da die Strukturforschung teure Apparate wie NMR-Spektrometer benötigt, fördert die Europäische Union spezialisierte Zentren. Von Februar 2020 an fließen weitere 10 Millionen Euro in das Projekt iNEXT-Discovery. Das Zentrum für Biomolekulare Magnetresonanz (BMRZ) an der Goethe-Uni ist wieder dabei.

Gegenwärtig umfasst das iNEXT-Konsortium 23 Partner aus 14 europäischen Ländern. Es ist das erste Forschungsinfrastruktur-Projekt, das verschiedene Methoden der Strukturbiologie kombiniert: Röntgenspektroskopie, Magnetresonanz-Spektroskopie (NMR), Elektronenmikroskopie und biophysikalische Methoden. Mit ihnen lässt sich die dreidimensionale Struktur biologischer Makromoleküle entschlüsseln, so dass man ihre Funktion in der komplexen Maschinerie des Lebens verstehen kann. Ziel ist die Entwicklung neuer Medikamente, verbesserter Impfstoffe, neuer Biomaterialien, Biotreibstoffe oder Enzyme für die Nahrungsproduktion.

Das BMRZ an der Goethe-Universität stellt Forschenden in ganz Europa seine Expertise in der NMR-Spektroskopie zur Verfügung. Bereits jetzt nutzen Besucher aus dem Ausland täglich die Geräte, um die Strukturen von Proteinen, RNA und DNA zu ermitteln. Außerdem ist es Partnern aus der Industrie möglich, über Kooperationsverträge teilzunehmen, etwa, um gezielt nach Wirkstoffen zu suchen.  Für Forschende, die bisher wenig Erfahrung mit NMR haben, werden in den kommende vier Jahren eigene Trainingsprogramme aufgesetzt.

„Am BMRZ geben wir europäischen Wissenschaftlern Zugang zu den derzeit leistungsfähigsten NMR-Technologien. In der nächsten Förderperiode wird ein 1,2 Gigahertz NMR-Spektrometer bereitstehen“, sagt Prof. Harald Schwalbe, Mitglied des Vorstands von iNEXT-Discovery. „Wir erwarten, dass ab 2020 jährlich 20 Nutzergruppen aus ganz Europa kommen werden, um unsere Geräte zu nutzen und von unserer Erfahrung zu profitieren. So tragen wir gemeinsam zu spannender Wissenschaft bei.“

Informationen: Prof. Harald Schwalbe, BMRZ,  Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie, Tel.: 069-798-29737; Email: schwalbe@nmr.uni-frankfurt.de

 

Dez 18 2019
12:10

Leukämie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben eine gemeinsame Ursache

Wenn mutierte Blutzellen dem Herzen schaden

FRANKFURT. Vermutlich findet man bei fast jedem 60-Jährigen Klone mutierter Blutzellen. Je nach Art der Mutation bedeutet das ein erhöhtes Leukämierisiko. Neu ist, dass mutierte Blutzellen auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen können. Das berichten Forscher der Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“.

„Jede Sekunde entstehen im Knochenmark fünf Millionen neue Blutzellen, die alternde Zellen ersetzen. Gelegentlich erfährt eine Blutstammzelle eine Mutation, die ihr Überlebensvorteile bringt, so dass sie mehr direkte Nachkommen erzeugt“, erläutert der Stammzellenforscher Prof. Michael Rieger, Universitätsklinik Frankfurt. Die Ansammlung veränderter (mutierter) Zellen nennt man einen Klon; dessen Entstehung klonale Hämatopoese.

„Nach allem, was wir bisher wissen, sind die meisten Menschen, bei denen klonale Hämatopoese auftritt, völlig gesund“, sagt Leukämiespezialist Prof. Hubert Serve, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie an der Universitätsklinik Frankfurt. Aber ganz harmlos seien diese Klone nicht, denn oft sind die Mutationen identisch mit denen, die bei Patienten mit Leukämien auftreten. Doch erst durch die Kombination mehrerer Mutationen wird aus einer harmlosen Blutzelle eine bösartige Leukämiezelle. Dabei spielen Umweltfaktoren wie Rauchen, Ernährung und Bewegung eine wichtige Rolle.

Relativ neu ist die Erkenntnis, dass Menschen mit Genveränderungen im Blut verstärkt an Atherosklerose leiden und häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. Erst vor wenigen Monaten entdeckte ein interdisziplinäres Team aus Ärzten und Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Frankfurt, dass bei Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz nach einem Infarkt auch gehäuft Klone mutierter Blutzellen nachweisbar sind. Patienten mit den beiden häufigsten Mutationen hatten eine deutlich schlechtere Prognose, auch beim Einsatz einer künstlichen Herzklappe per Katheterverfahren. Der Krankheitsverlauf wurde dabei von der Größe des mutierten Blutzellklons beeinflusst.

Seitdem arbeiten die Frankfurter Forscher mit Hochdruck daran, die zugrunde liegenden Mechanismen zu entschlüsseln. Eine wichtige Rolle scheint dabei das Immunsystem zu spielen. Einige Mutationen, die zu genveränderten Blutzell-Klonen führen, wirken sich auch auf die Fresszellen (Makrophagen) des Immunsystems aus. Diese setzen dann vermehrt entzündungsfördernde Stoffe (Zytokine) frei, was wiederum Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Atherosklerose, Aortenklappenverengung und Herzschwäche verschlimmert. Zusätzlich verstärken die Zytokine auch die Bildung weiterer mutierter Blutzellen, was einen fatalen Kreislauf in Gang setzt.

Inzwischen vermuten die Forscher, dass die klonale Hämatopoese auch der Grund dafür ist, dass Patienten nach einer überstandenen Krebserkrankung häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln. Denn nach erfolgreicher Leukämie-Therapie bleiben in den meisten Fällen mutierte Stammzellen zurück. Deshalb gewinnt die kardiologische Überwachung ehemaliger Krebspatienten zunehmend an Bedeutung.

Momentan werden die mutierten Blutzell-Klone nur als Begleitbefund bei Patienten mit Bluterkrankungen festgestellt. Denn mit der zu ihrer Feststellung notwendigen DNA-Sequenzierung ist ein großer Aufwand verbunden. „Der Test ist zur Früherkennung von Blutkrebs und für die Prognose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch erst dann sinnvoll, wenn vorbeugende Maßnahmen klinisch etabliert sind“, gibt Prof. Andreas Zeiher, Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikum, zu bedenken. Derzeit suchen die Forscher intensiv nach klinischen Parametern, die auf klonale Hämatopoese hindeuten.

Eines ist bereits jetzt klar: die klonale Hämatopoese ist als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso bedeutend wie Rauchen, Übergewicht und Bluthochdruck. So wundert es nicht, dass die Forschung auf diesem Gebiet derzeit intensiv betrieben wird und die Erkenntnisse rasch zunehmen. Im Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute, an dem die Goethe-Universität, die Universität Gießen und das Max Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim beteiligt sind, wird als eine der nächsten Fragen untersucht, ob die klonale Hämatopoese auch zu chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen beiträgt.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de.

Informationen: Prof. Dr. Michael Rieger, Medizinische Klinik II, Campus Niederrad, Tel.: 069: 6301-84297, Email: m.rieger@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 16 2019
15:13

Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe erklärt in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“, warum der Kapitalismus gegenüber anderen System überlegen ist 

Güter für Menschen mit kleinem Einkommen

FRANKFURT. Beim „kalten Herz“ mag man zunächst an das berühmte Märchen von Wilhelm Hauff denken, in dem der Köhler Peter Munk aus Habgier sein Herz gegen einen kalten Stein eintauscht. Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe hat das Motiv zum Titel seines Buches über die Geschichte des Kapitalismus gemacht. In der „Kälte“ dieser Form des Wirtschaftens, so Plumpe, liege nun genau auch ihre Stärke: Indem der Kapitalismus allein Nützlichkeitskalkülen folge, sei er besonders leistungsfähig.

Im Interview mit Forschung Frankfurt spricht Plumpe über die Genese des Kapitalismus in der frühen Moderne und spricht über Entwicklungen bis in die Gegenwart. Die Kritik am Privateigentum sei schon sehr alt und reiche bis zur Bergpredigt zurück; großer Besitz entfalte aber erst im Kapitalismus eine ganz andere Dynamik, indem aus einem großen Vermögen ein Produktivkapital werde. Erst bei der Massenproduktion von Gütern rechne sich die Nutzung dieses Kapitals, so Plumpe. Die Wirtschaftsform basiere darauf, dass der Einzelne, der sein Vermögen investiert, auf eigene Rechnung handele. Der Kapitalismus sei dadurch „zentrumslos“, er lasse auch ein Scheitern zu. Die menschliche Produktivität steige an, solange das Wissen zunehme. Das Neue könne dabei durchaus auch zerstörerisch wirken: Produkte würden ersetzt, Qualifikationen alterten.

Mit der Durchsetzung der kapitalistischen Massenkonsumgesellschaft seit den späten 70er Jahren seien zugleich auch die handlungs- und Wahlmöglichkeiten junger Leute gestiegen, die nun aus einer Kultur der Bevormundung entfliehen konnten, ohne das materielle Überleben der Familie zu gefährden. Dass die Protestkultur der 60er Jahre auch nur in Form eines „marktkonformen Protestes“ stattfinden konnte, sei für viele sicherlich eine Enttäuschung gewesen, so Plumpe; doch der Kapitalismus sei auch „kalt“ gegenüber der Kritik an ihm.
Die Finanzkrise sei zwar ein schlimmer Einbruch, aber keine Systemkrise der Wirtschaftsform gewesen. Plumpe macht hier eher politische Ursachen dafür verantwortlich, dass die Risiken deregulierter Finanzmärkte systematisch unterschätzt, ihre positiven Folgen überschätzt worden seien.

Werner Plumpe ist seit 1999 Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Goethe-Universität; seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Unternehmens- und Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts und in der Geschichte des ökonomischen Denkens und der ökonomischen Theorien. Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution. Berlin: Rowohlt 2019.

Weitere Themen in der neuen Ausgabe von Forschung Frankfurt:
Vorbeugen ist besser als heilen: Interview mit dem Epidemiologen und Systemmediziner Prof. Philipp Wild, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, zum Einfluss von Umweltfaktoren auf die Herzgesundheit.
Vom Herz zum Schmerz: Kummer als Auslöser von Krankheit und Leiden.
Klappe – die zweite: Herzklappenaustausch in einer halben Stunde dank modernem Katheter-Verfahren.
„Meine herzkranken Kinder haben mich gerettet“ – Porträt des Kinderkardiologen Prof. Dietmar Schranz.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de

 

Dez 13 2019
12:15

Dr. Tobias Freimüller erhält den Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung Polytechnische Gesellschaft

Die besondere Geschichte der Juden in Frankfurt

FRANKFURT. Dr. Tobias Freimüller, stellvertretender Direktor des Fritz-Bauer-Instituts an der Goethe-Universität, hat gestern den Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung Polytechnische Gesellschaft des Jahres 2019 erhalten. Mit der alle drei Jahre vergebenen Auszeichnung werden herausragende Forschungsarbeiten zur Geschichte der jüdischen Bürger Frankfurts gewürdigt.

Tobias Freimüller wurde mit dem Preis für seine Studie zur Geschichte jüdischen Lebens in Frankfurt nach 1945 gewürdigt, mit der er 2019 am Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften an der Goethe-Universität habilitiert worden ist. Das Buch erscheint im Frühjahr 2020 unter dem Titel „Frankfurt und die Juden. Neuanfänge und Fremdheitserfahrungen 1945-1990“ als erster Band der Reihe „Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust“ im Wallstein-Verlag.

„Die Arbeit zeichnet ein hochdifferenziertes Bild des komplexen Verhältnisses von Jüdinnen und Juden untereinander und zur nichtjüdischen deutschen Gesellschaft nach der Schoah“, lobte die Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums und Honorarprofessorin an der Goethe-Universität, ihre Wahl. Freimüllers Arbeit habe das Potenzial, zum Standardwerk zu werden.

Frankfurt am Main war vor 1933 die deutsche Stadt mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil, ihre Jüdische Gemeinde war nach Berlin die zweitgrößte in Deutschland. Im Finanzwesen, in Bildung und Wissenschaft, aber auch in einer Vielzahl von Vereinen und Stiftungen prägten Juden die Stadt Frankfurt in besonderer Weise. Bei Kriegsende im Frühjahr 1945 war diese vielfältige Kultur durch die Verfolgung, Deportation und Ermordung der Juden völlig zerstört. Statt einstmals rund 30.000 jüdischen Frankfurterinnen und Frankfurtern hielten sich nur noch etwa 100 bis 200 in der zerstörten Stadt auf.

Zu den wenigen Überlebenden, aus deren Kreis die Jüdische Gemeinde schnell wieder gegründet wurde, kam eine große Zahl jüdischer „Displaced Persons“ (DP) hinzu, die aus Osteuropa geflohen waren und in dem amerikanischen Hauptquartier Frankfurt am Main einen ersten Fluchtpunkt ihres weiteren Lebens sahen. Von hier aus hofften sie, nach Amerika, nach Palästina oder in andere Länder ausreisen zu können. Da dieser Weg aber vorerst versperrt war, lebten tausende der jüdischen DPs einige Jahre in einem eilig errichteten Lager in Frankfurt-Zeilsheim. Gleichzeitig kehrten erste überlebende Frankfurter Jüdinnen und Juden aus dem Exil zurück, dazu ausdrücklich ermutigt von Oberbürgermeister Walter Kolb.

Tobias Freimüller zeichnet in seiner Habilitationsschrift nach, wie es in den folgenden Jahren gelang, allmählich wieder Institutionen und einen sozialen Raum für jüdisches Leben in Frankfurt zu etablieren. Die Stadt dient dabei einerseits als typisches Beispiel für die jüdische Nachkriegsgeschichte in der Bundesrepublik, als ein Ort, an dem wie unter einem Brennglas die Konfliktlagen jüdischer Nachkriegsgeschichte aufscheinen.

Aber Frankfurt war auch ein Sonderfall. Hier entstand unter dem Schutz der amerikanischen Besatzungsmacht rasch ein Netz jüdischer Institutionen und später eine intellektuelle Szene, deren Leuchtturm das aus dem Exil zurückgekehrte Institut für Sozialforschung war. Gleichwohl blieb das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden in Frankfurt besonders konfliktreich. Höhepunkte dieser Auseinandersetzungen waren die aufsehenerregende Blockade der Uraufführung des Theaterstücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“ von Rainer Werner Fassbinder durch die Jüdische Gemeinde im Herbst 1985 und der Börneplatzkonflikt 1987.

Wo und in welcher Form existierte nach dem Ende des Nationalsozialismus noch ein lokales jüdisches Gedächtnis in Frankfurt, an das man anknüpfen konnte? Wie ging man mit noch erhaltenen jüdischen Erinnerungsorten in der Topographie der Stadt um? Wie gelang die Integration der nach Kriegsende aus Osteuropa geflohenen Holocaustüberlebenden und warum artikulierte sich gerade in Frankfurt die „zweite Generation“ von Jüdinnen und Juden seit den 1960er Jahren so vernehmlich?

Deutsch-jüdische Nachkriegsgeschichte erscheint am Frankfurter Beispiel als eine vielfältige Geschichte von Migration, Konflikt und intellektuellem Neubeginn, aus der sich in den 1980er Jahren schließlich ein neues jüdisches Selbstbewusstsein entwickelte.

Der Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung Polytechnische Gesellschaft wurde 2008 ins Leben gerufen und wurde nun zum sechsten Mal vergeben. Er wird international ausgeschrieben und ist herausragenden Forschungen zur Geschichte des jüdischen Lebens in Frankfurt gewidmet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.


Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: www.uni-frankfurt.de/84238080

Bildtext: Für seine Arbeit über die Geschichte des Frankfurter Judentums ist Tobias Freimüller am Donnerstag mit dem Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung Polytechnische Gesellschaft ausgezeichnet worden. (Foto: Stiftung Polytechnische Gesellschaft/Dominik Buschardt)

Informationen: Dr. Tobias Freimüller, Stellvertretender Direktor am Fritz-Bauer-Institut, An-Institut der Goethe-Universität, Campus Westend, Telefon 069/798 322-31, E-Mail freimueller@em.uni-frankfurt.de, Homepage www.fritz-bauer-institut.de

 

Dez 13 2019
12:12

Einzelzelltechniken erlauben neue Einsichten auf Zellebene

Ein Zellatlas des kranken Herzens

FRANKFURT. Wie erholt sich das Herz nach einem Infarkt? Was unterscheidet junge Herzen von alten? Diese Fragen wollen Forscher mithilfe neuer Technologien beantworten, die verschiedenste Zelltypen und ihre Aktivitäten bis auf die Ebene von Proteinen und Genen verfolgen. In der aktuellen Ausgabe von Forschung Frankfurt erklärt Prof. Stefanie Dimmeler, Sprecherin des Exzellenzclusters „Cardio-Pulmonary Institute“, wie diese Erkenntnisse kranken Herzen künftig besser bei der Regeneration helfen könnten.

Herz und Gefäße bilden ein hochkomplexes Organsystem, in dem unterschiedlichste Zelltypen reibungslos zusammenarbeiten müssen. Die Endothelzellen, die alle Blutgefäße auskleiden, stabilisieren zusammen mit den Gefäßmuskelzellen die Gefäße und regulieren den Blutdruck. Für das Herzpumpen sind wiederum die Herzmuskelzellen verantwortlich. Was passiert aber in kranken oder altersschwachen Herzen? Das konnten Herzbiologen bisher nur auf der Ebene von Geweben untersuchen. Biologisch relevante Vorgänge, die sich auf der Zellebene abspielen, könnten aber ebenfalls eine Rolle spielen.

Nun gewähren neu entwickelte Verfahren zur Analyse einzelner Zellen erstmals Einblicke in die tatsächliche Vielfalt der Zellen im Herz-Kreislauf-System. Sie erlauben es, gleichzeitig eine Vielzahl an aktiven Genen oder Proteinen in einzelnen Zellen zu analysieren. Um all diese Daten sinnvoll zusammenzuführen und interpretieren zu können, nutzen Forscher Ansätze aus der künstlichen Intelligenz. Maschinenlernverfahren helfen Stefanie Dimmeler und Wesley Aplanalp vom Institut für kardiovaskuläre Regeneration, Zellen mit ähnlichen Eigenschaften zusammenzufassen und nach ihren Eigenschaften und Funktionen zu ordnen.

„Diese Methoden können wir in Krankheitsmodellen anwenden, um erstmals zu untersuchen, wie einzelne Zellen auf Risikofaktoren oder Erkrankungen reagieren“, erklärt Dimmeler. „Wir möchten beispielsweise wissen, ob sich alle Zellen gleichzeitig verändern, oder ob es nur einzelne Zellen oder Zellgruppen sind, die dann Nachbarzellen durch fehlerhafte Kontakte schädigen.“

Von besonderer Bedeutung ist, dass die Einzelzell-Technologie auch auf kleine menschliche Gewebestücke, wie Biopsien, anwendbar ist. Zusammen mit vielen internationalen Forschern trägt Dimmeler die Informationen zusammen, um erstmals einen Atlas des kranken Herzens anfertigen zu können. Erst kürzlich trafen sich Experten aus aller Welt in Frankfurt um gemeinsam über die neuen Technologien und die gewonnenen Erkenntnisse zu diskutieren. Wie umfangreich die Daten sind, die zunächst gesammelt werden müssen, lässt sich durch einen Vergleich mit dem bereits veröffentlichten Zellatlas der gesunden Maus ermessen: Dieser umfasst 100 000 Zellen von 20 Organen und Geweben.

Zur Erstellung des menschlichen Zellatlas wurde im Oktober 2016 in London das Konsortium „Human Cell Atlas“ gegründet. „Bei manchen Zellarten, die beim Menschen in hoher Zahl vorkommen, reicht bereits eine kleine Stichprobe, aber um seltene Zellen wie Stammzellen oder auch komplexe Veränderungen bei Erkrankungen feststellen zu können, müssen sehr viele Zellen analysiert werden“, erklärt Dimmeler. Daher hat die Chan Zuckerberg Initiative von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seiner Frau, der Kinderärztin Priscilla Chan, das Projekt im Juni 2019 zusätzlich mit 68 Millionen Dollar gefördert.

Die Arbeitsgruppe von Dimmeler arbeitet zusammen mit dem Kardiologen Prof. Andreas Zeiher und dem Herzchirurgen Prof. Thomas Walther daran, die Einzelzellbiologie im kranken und alten Herzen des Menschen aufzuklären. Insbesondere versucht das Team, anhand von menschlichem Blut und kleinen Gewebestückchen, die bei Herzoperationen anfallen, zu verstehen, wie der Herzinfarkt und die dann folgende Narbenbildung die Zusammensetzung und die Kommunikation der Zellen im Herzen verändern. Gibt es möglicherweise seltene, bisher unbekannte Populationen von Stamm- oder Vorläuferzellen? Wie verändern sich die Entzündungszellen im Blut herzkranker Patienten? Und was passiert, wenn die Entzündungszellen ins Herz einwandern?

Während die menschlichen Proben noch gesammelt werden, haben Dimmeler und ihre Mitstreiter an Mäusen bereits festgestellt, dass einzelne Zellpopulationen sich im Alter verändern. Nachfolgende bioinformatische Analysen zeigten zudem eine Veränderung der Gene, die für die Kommunikation der Zellen untereinander verantwortlich sind. „Wir konnten im alten Herzen eine Kommunikationsstörung nachweisen. Im jungen Herzen unterstützen sich die Zellen gegenseitig: Zwischen den Herzmuskel- und Gefäß-bildenden Zellen liegen Zellen des Bindegewebes, sogenannte Fibroblasten. Sie schütten Botenstoffe aus, die die Gefäßzellen positiv beeinflussen. Im Alter werden dagegen andere Botenstoffe gebildet, die zu einer eingeschränkten Durchblutung des Herzens führen könnten“, erklärt die Biologin.

Die Forscher am Cardio-Pulmonary Institute, an dem auch die Universität Gießen und das Max Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung beteiligt sind, hoffen, dass die Einzelzelltechnologien künftig dazu beitragen werden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser zu verstehen. Darauf aufbauend möchten sie neue therapeutische und diagnostische Verfahren entwickeln. 

Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/84147011

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de.