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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
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Jan 27 2021
11:46

Michael R. Silverman und Bonnie L. Bassler werden für Entdeckungen zur bakteriellen Kommunikation geehrt

Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2021 

Bakterien sind keine Einzelkämpfer. Die Bildung eines Biofilms zum Schutz vor der Immunattacke des Wirtsorganismus oder die Synthese eines Giftstoffs zum Angriff auf den Wirt gelingen nur im Team, nicht als Einzelleistung eines individuellen Bakteriums. Die Einzeller kommunizieren daher miteinander und handeln erst dann gemeinsam, wenn sie eine Zellzahl erreicht haben, die Aussicht auf Erfolg verspricht. Die nötige Information dazu tauschen Bakterien über die von den Preisträgern entdeckten Sprachmoleküle und deren Übermittlungswege aus. Wer also gegen unerwünschte Bakterien vorgehen will, kann deren Absprachen erlauschen und gezielt durchkreuzen.

FRANKFURT am MAIN. Der mit 120.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2021 geht in diesem Jahr an die Amerikanerin Bonnie L. Bassler von der Princeton University und dem Howard Hughes Medical Institute und den Amerikaner Michael R. Silverman, Emeritus des Agouron Institute in La Jolla. Die beiden werden für ihre bahnbrechenden Entdeckungen zum „Quorum Sensing“ ausgezeichnet. Dieser Begriff bezeichnet die Strategie der bakteriellen Kommunikation. Die Preisverleihung in der Paulskirche, die traditionell am 14. März, dem Geburtstag von Paul Ehrlich, mit einem Festakt gefeiert wird, fällt in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie aus. Die Ehrung wird im kommenden Jahr zusammen mit den Preisträgern 2022 nachgeholt.

„Silverman und Bassler haben gezeigt, dass kollektives Verhalten nicht nur die Regel unter vielzelligen Organismen ist, sondern auch unter Bakterien“, schreibt der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung in seiner Begründung. „Auch Bakterien verständigen sich untereinander, belauschen sich gegenseitig, treffen Absprachen und koordinieren damit ihr Verhalten. Die allgegenwärtige Kommunikation unter Bakterien stellt eine erst durch die Preisträger erkannte Achillesferse dar, die neue Ansätze liefert, Mikroben zu bekämpfen. Statt Bakterien mit Antibiotika zu töten, können nun Substanzen entwickelt werden, die die bakterielle Kommunikation unterbinden. Die Forschung der Preisträger hat damit eine erhebliche Relevanz für die Medizin“, so der Stiftungsrat weiter.

Bakterien sind äußerst kommunikativ. Sie senden und empfangen Signale, um herauszufinden, ob sie allein oder mit vielen Artgenossen vor Ort sind. Gleichzeitig interessieren sie sich auch dafür, ob noch andere Arten anwesend sind und wer das Sagen hat: sie oder die anderen. Für diese Kommunikation wurde der Begriff Quorum Sensing geprägt. Um die Zahl an Bakterien in einer bestimmten Umgebung zu messen, sezernieren Bakterien bestimmte Sprachmoleküle, deren Konzentration mit der Anzahl der Bakterien zunimmt. Überschreitet die Konzentration einen bestimmten Schwellenwert, setzt ein gruppenspezifisches Verhalten ein, das einer Bakteriengemeinschaft neue Eigenschaften verleiht. Durch die Arbeit der Preisträger wissen wir heute, dass dieses Phänomen in der gesamten Welt der Bakterien verbreitet ist.

Silverman hat in den 1980er-Jahren das erste Quorum-Sensing-System bei dem marinen Bakterium Vibrio fischeri entdeckt. Es gelang ihm, die Information für Bildung des Sprachmoleküls Autoinducer-1 und dessen Rezeptor auf andere Bakterien zu übertragen und damit genetisch zu definieren. Vibrio fischeri sorgt mit diesem Sprachmolekül dafür, dass ein Zwergtintenfisch nachts blau-grün leuchtet und dadurch im Mondlicht keinen verräterischen Schlagschatten im flachen Meerwasser wirft. Allerdings erzeugt Vibrio fischeri dieses Licht erst bei hoher Zellzahl. Gemessen wird sie über die Freisetzung von Autoinducer-1, dessen Konzentration direkt mit der Zahl der anwesenden Bakterien in dem Leuchtorgan des Zwergtintenfischs korreliert. Wird ein bestimmter Schwellenwert erreicht – und damit ein gewisses Quorum –, machen die Moleküle kehrt, wandern zurück in die Bakterienzelle und sorgen dafür, dass das Licht angeschaltet wird und der Tintenfisch leuchtet. 

Als Bonnie Bassler Anfang der 1990er-Jahre die Existenz des Quorum Sensings bei dem Bakterium Vibrio harveyi nachweisen wollte, stieß sie auf ein völlig neues Sprachmolekül, dass sie Autoinducer-2 nannte. Sie konnte zeigen, dass dieses Molekül einen anderen Nachrichtenwert hat. Es informiert nicht über das eigene Quorum, sondern über das Quorum der Konkurrenz, denn Bakterien leben selten in Reinkultur wie im Leuchtorgan des Zwergtintenfischs, sondern in Gemeinschaften wie im Darm oder auf der Haut. Der Autoinducer-2 unterrichtet die Bakterien darüber, ob andere Arten vor Ort sind und wer in der Überzahl ist. Letzteres ergibt sich aus dem Verhältnis der Autoinducer-Moleküle zueinander. Damit war gezeigt worden, dass Bakterien viele Sprachen beherrschen und sogar zwischen Freund und Feind unterscheiden können – Leistungen, die wir vom Nerven- und Immunsystem her kennen.

Heute weiß man, dass es Hunderte von Sprachmolekülen und Quorum-Sensing-Systemen gibt. Bonnie Bassler hat in den vergangenen Jahren zudem gezeigt, dass sich auch Viren und die Zellen der Wirtsorganismen in dieses allgegenwärtige bakterielle Palaver einklinken und das Quorum Sensing der Bakterien für ihre Zwecke nutzen. Sie entdeckte zum Beispiel, dass der Schleim des menschlichen Darms von den Bakterien des Mikrobioms dazu benutzt wird, ein Sprachmolekül zu bilden, das krankmachende Bakterien auf Distanz hält. Damit verbündet sich der menschliche Darm über den abgegebenen Schleim mit seinen nützlichen Bakterien im Kampf gegen schädliche oder unerwünschte Keime. Es gibt also auch eine Kommunikation über die verschiedenen Domänen des Lebens hinweg.

„Die Bedeutung der Entdeckungen der beiden Laureaten für die Mikrobiologie und Medizin ist erst kürzlich in ihrer ganzen Tragweite erkannt worden“, sagt Professor Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Vorsitzender des Stiftungsrates. „Erst nach Jahrzehnten zäher Forschungsarbeit und nach vielen herausragenden Publikationen waren die Kritiker davon überzeugt, dass nicht nur Vibrio fischeri und Vibro harveyi die Kunst der bakteriellen Kommunikation beherrschen, sondern wohl alle Bakterien“, so Boehm weiter. „Das hat nicht nur zu einem fundamentalen Perspektivenwechsel in der Bakteriologie geführt, sondern ebenso zu gänzlich neuen Ansätzen in der Antibiotika-Forschung“.

Kurzbiographie Professor Dr. Bonnie L. Bassler Ph.D. (58)

Bonnie Bassler ist Mikrobiologin. Sie studierte an der University of California in Davis Biochemie und promovierte an der Johns Hopkins University in Baltimore. Dem Labor von Michael Silverman am Agouron Institute in La Jolla schloss sie sich 1990 als Postdoc an. Seit 1994 ist sie an der Princeton University. Bonnie Bassler ist Mitglied der National Academy of Sciences, der National Academy of Medicine und der Royal Society. Sie ist Forscherin am Howard Hughes Medical Institute sowie Inhaberin der Squibb-Professur und Leiterin des Instituts für Molekularbiologie an der Universität Princeton. Präsident Obama berief sie für sechs Jahre ins National Science Board der Vereinigten Staaten. Sie hat über zwanzig nationale und internationale Auszeichnungen erhalten.

Kurzbiographie Professor Michael R. Silverman, Ph.D. (77)

Michael Silverman ist ebenfalls Mikrobiologe. Er studierte Chemie und Bakteriologie an der University of Nebraska in Lincoln und promovierte 1972 an der University of California in San Diego. Zwischen 1972 und 1982 machte er entscheidende Entdeckungen zur Mobilität von Bakterien und zur Chemotaxis. Ab 1982 arbeitete er bis zu seinem Ruhestand am Agouron Institute in La Jolla, dessen Mitbegründer er ist.


Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf den von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebieten besondere Verdienste erworben haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952 verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Land Hessen, dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden folgender Unternehmen, Stiftungen und Einrichtungen: Else Kröner-Fresenius-Stiftung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, C.H. Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Biotest AG, Hans und Wolfgang Schleussner-Stiftung, Fresenius SE & Co. KGaA, F. Hoffmann-LaRoche Ltd., Grünenthal GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Merck KGaA, Bayer AG, Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH, AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, die Baden-Württembergische Bank, B. Metzler seel. Sohn & Co. und die Goethe-Universität. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt. Eine Liste der Stiftungsratsmitglieder ist auf der Internetseite der Paul Ehrlich-Stiftung hinterlegt.

Die Paul Ehrlich-Stiftung
Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsidentin der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist Professorin Dr. Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, Vorsitzender des Kuratoriums ist Professor Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Der Präsident der Goethe-Universität ist in dieser Funktion zugleich Mitglied des Kuratoriums.

Weitere Informationen
Sämtliche Unterlagen der Pressemappe und Fotos der Preisträger sind unter www.paul-ehrlich-stiftung.de zur Verwendung hinterlegt. Der Abdruck ist kostenfrei. Die ausführlichen Lebensläufe, ausgewählte Veröffentlichungen und die Publikationsliste erhalten Sie von Dr. Hildegard Kaulen, Telefon: +49 (0) 6122/52718, E-Mail: h.k@kaulen-wissenschaft.de

Hintergrundinformation zur Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises 2021 an Professor Dr. Michael Silverman und Professorin Dr. Bonnie L. Bassler (PDF)

 

Jan 25 2021
10:31

Goethe-Universität ehrt mit dem Preis den Förderer, Romantikliebhaber und Arzt Klaus Heyne

Neuer Wissenschaftspreis für Romantikforschung

FRANKFURT. Innovative Beiträge zur Erforschung der Romantik können 2021 erstmalig mit dem Klaus Heyne-Preis der Goethe-Universität Frankfurt ausgezeichnet werden. Der neue, mit 15.000 Euro dotierte Preis richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus dem In- und Ausland, die sich in ihrer Qualifikationsphase befinden und einen herausragenden wissenschaftlichen Beitrag zur Romantikforschung geleistet haben.

Ermöglicht wird der neue Wissenschaftspreis durch ein großzügiges Vermächtnis des Kinderarztes Prof. Dr. Klaus Heyne (1927–2017), dessen besondere Leidenschaft der Kunst und Literatur der deutschen Romantik galt. Die Frankfurter Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Frederike Middelhoff sagt: „Wir sind sehr dankbar, dass wir mit diesem Preis junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fördern können. Auch für die Romantikforschung an der Goethe-Universität ist der Preis ein besonderer Gewinn.“

Der Klaus Heyne-Preis, der von nun an alle zwei Jahre verliehen werden soll, setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: 5.000 Euro werden nicht-zweckgebunden verliehen; 10.000 Euro werden für die Veranstaltung einer Tagung zur Romantikforschung zur Verfügung gestellt, die im Jahr 2022 an der Goethe-Universität ausgerichtet werden soll und von der Frankfurter Professur für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung unterstützt wird.

Die Preisträgerin bzw. der Preisträger soll im Rahmen eines Festakts im Oktober 2021 (geplant in Präsenz, wenn nötig digital organisiert) ausgezeichnet werden.

Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wenden sich bitte an:

Prof. Dr. Frederike Middelhoff
W1-Professur für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung
Goethe-Universität
E-Mail middelhoff@em.uni-frankfurt.de
Homepage https://www.uni-frankfurt.de/Middelhoff

 

Jan 19 2021
09:36

Reinhart-Koselleck Projekt über eine Million Euro für Geowissenschaftler der Goethe-Universität

Ein Thermometer für die Erdgeschichte

Wie sich durch die Analyse der Karbonat-Zusammensetzung bestimmter Gesteine exakte Rückschlüsse auf die Temperatur vergangener Erdepochen ziehen lassen, untersuchen die Geowissenschaftler um Prof. Jens Fiebig von der Goethe-Universität. Eine kürzlich von ihnen entwickelte Methode könnte es künftig erlauben, vergangene Erdoberflächentemperaturen viel zuverlässiger zu bestimmen. Diese Methode soll nun zunächst validiert und dann auf vergangene Erdepochen angewendet werden, in denen der Gehalt des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre höher war als heute. Das Forschungsvorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Reinhart-Koselleck-Projekt mit mehr als einer Million Euro gefördert.

FRANKFURT. Kalk besteht aus Kalzium und Karbonatgruppen, die sich wiederum aus den Elementen Sauerstoff (chemisches Symbol: O) und Kohlenstoff (chemisches Symbol: C) zusammensetzen. Sauerstoff und Kohlenstoff kommen in der Natur in verschiedenen Modifikationen vor, die sich in ihrer Masse unterscheiden und als Isotope bezeichnet werden. Wenn sich Kalk in Korallenriffen oder Tropfsteinen bildet, werden mit abnehmender Temperatur zunehmend Karbonatgruppen aus dem Wasser abgeschieden, die ein schweres Sauerstoffisotop (18O) enthalten. Diese Temperaturabhängigkeit wurde - seit ihrer Entdeckung Ende der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts - dazu verwendet, die Entwicklung der Erdoberflächentemperatur im Verlaufe der Erdgeschichte zu rekonstruieren. Oftmals lässt sich mit Hilfe einer solchen Analyse jedoch nicht eindeutig auf den exakten Einfluss der Temperatur während der Kalkentstehung schließen, denn auch die 18O-Menge des Wassers und der Mechanismus der Karbonatentstehung (Mineralisationskinetik) beeinflussen die Häufigkeit dieser Karbonatgruppe.

Ein wesentlicher Fortschritt in der Klimarekonstruktion wurde Anfang der 2000er-Jahre am California Institute of Technology erzielt. Den Wissenschaftlern gelang es, die Häufigkeit von Karbonatgruppen zu bestimmen, die zwei schwere Isotope enthalten, 13C und 18O, sogenannte „clumped isotopes“. Die Häufigkeit dieser Karbonatgruppe ist ebenfalls abhängig von der Kristallisationstemperatur des Karbonats, aber unabhängig vom 18O-Gehalt des Wassers. Eine Fehlerquelle dieses Thermometers bestand aber weiterhin in der Tatsache, dass die Mineralisationskinetik auch die Häufigkeit der „clumped isotopes“ beeinflussen kann.

Prof. Jens Fiebig und seinem Team am Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität ist es im vergangenen Jahr erstmals gelungen, die Häufigkeit einer weiteren Karbonatgruppe zu bestimmen, welche ebenfalls zwei schwere Isotope enthält, nämlich zweimal 18O. Mit der Häufigkeitsanalyse dieser beiden sehr seltenen, jeweils zwei schwere Isotope enthaltenden Karbonatgruppen kann nun erstmals der Einfluss der Mineralisationskinetik sichtbar gemacht und von dem Einfluss der Temperatur getrennt werden. Mit der 'dual clumped isotope'-Methode zur Karbonatanalyse halten die Forscher nun womöglich eine Art Thermometer in den Händen, mit dem sie die Erdoberflächentemperaturen vergangener Erdzeitalter in bislang unerreichter Genauigkeit rekonstruieren könnten.

Prof. Jens Fiebig: „Die Unterstützung der DFG ermöglicht es uns, unser neues Verfahren weiter zu validieren und gegebenenfalls die Erdoberflächentemperaturen vergangener Erdepochen hochgenau zu bestimmen. In einem ersten Schritt werden wir nun die exakte Temperaturabhängigkeit der Häufigkeit der neu messbaren Karbonatgruppe bestimmen, um anschließend sämtliche natürliche Karbonatarchive wie zum Beispiel Korallen, Tropfsteine und Muscheln mit bekannter Entstehungstemperatur auf ihre Mineralisationskinetik zu untersuchen. Auf diese Weise wollen wir Archive identifizieren, die für eine Rekonstruktion vergangener Erdoberflächentemperaturen besonders geeignet sind. In einem letzten Schritt sollen dann die genauen Erdoberflächentemperaturen für verschiedene Hoch-CO2-Intervalle der Vergangenheit ermittelt werden. Durch die exakte Rekonstruktion von Temperaturen der Erdgeschichte zu Zeiten, in denen der CO2-Gehalt der Atmosphäre deutlich höher war als heute, lassen sich eventuell auch moderne Klimamodelle verbessern und die Folgen des menschengemachten Klimawandels präziser vorhersagen.“

Mit Reinhart Koselleck-Projekten eröffnet die Deutsche Forschungsgemeinschaft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich durch besondere wissenschaftliche Leistungen ausgewiesen haben, die Möglichkeit, in hohem Maße innovative und im positiven Sinn risikobehaftete Projekte durchzuführen. Die Förderung erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren.


Weitere Informationen zur Entwicklung des erdgeschichtlichen Thermometers der Frankfurter Geowissenschaftler: https://www.muk.uni-frankfurt.de/90891704/Exakte_Klimadaten_aus_der_Vergangenheit

Bilder zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/96504537

Bildtext: apl. Prof. Dr. Jens Fiebig, Goethe-Universität Frankfurt. Foto: privat

Kontakt
apl. Prof. Dr. Jens Fiebig
Institut für Geowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 (0) 69 798 40182
Jens.Fiebig@em.uni-frankfurt.de

 

Jan 18 2021
10:25

Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität zum Thema Klimawandel erschienen

Artensterben im Klimawandel: Die Spezialisten verlieren

Der Artenforscher Matthias Schleuning vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum untersucht, wie ökologische Gemeinschaften aus Pflanzen und Tieren auf Klimawandel und Landnutzung reagieren. Warum dabei die spezialisierten Arten besonders gefährdet sind, erklärt er in der aktuellen Ausgabe von Forschung Frankfurt. Unter dem Titel „Klimakrise“ versammelt das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität ein facettenreiches Spektrum von Forschungsprojekten, Einschätzungen und Analysen von Forscherinnen und Forschern der Goethe-Universität. Das Heft ist online verfügbar unter www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de und kann (für Journalisten kostenfrei) bestellt werden über presse@uni-frankfurt.de.

FRANKFURT. In einem der artenreichsten Gebiete der Erde erforscht Dr. Matthias Schleuning, Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und Privatdozent an der Goethe-Universität Frankfurt, wie Pflanzen- und Tierarten voneinander abhängen. Im Manú-Nationalpark der peruanischen Anden sind beispielsweise 90 Prozent der Bäume und Sträucher auf Tiere als Bestäuber und Samenausbreiter angewiesen.

Ändern sich die Lebensräume durch Rodungen oder höhere Temperaturen, so weichen die Arten aus, häufig in höhere, kühlere Regionen. Das Problem ist das Timing, denn die Samenausbreitung durch fruchtfressende Vögel etwa ist ein komplexer und langfristiger Prozess. Besonders gefährdet sind dabei die Pflanzen, die sich in ihrer Samenausbreitung auf bestimmte Tierarten spezialisiert haben. Arten, dies zeigen Schleunings Arbeiten, können also nicht nur aussterben, wenn sich die Lebensbedingungen für sie selber verschlechtern, sondern auch, wenn ihr ökologisches Umfeld nicht mehr passt.

In weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität darüber, wie die knappe Ressource Wasser bereits heute als Waffe in Konflikten eingesetzt wird, wie Klimamodelle von Warmzeiten der Erdgeschichte präzisere Voraussagen unserer Klimazukunft erlauben oder wie Stromspeicher am Grund von Tagebauseen überschüssigen Wind- und Sonnenstrom zwischenspeichern könnten. Andere Beiträge gehen der Frage nach, warum es uns so schwerfällt, unsere Lebensweise zu verändern.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de

Alle Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de

 

Jan 15 2021
11:24

Forschungsprojekt von Ostasienwissenschaftlerinnen unter der Federführung der Goethe-Universität gefördert

Arbeitsmarkt Ostasien: Was die besten Köpfe ins Ausland lockt

Die Volkswirtschaften China und Singapur gehören zu den dynamischsten Migrationsregionen der Welt. Aber auch Japan und Korea sind auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte setzt in der Region jedes Jahr mehrere Millionen Menschen in Bewegung. Welche Rolle die Ausbildung bei der Mobilität spielt, untersuchen nun Ostasienwissenschaftlerinnen der Universitäten Frankfurt und Duisburg-Essen, der Freien Universität Berlin und des Max-Planck-Instituts zur Erforschung multiethnischer und multireligiöser Gesellschaften in Göttingen. Die von der Goethe-Universität koordinierte Nachwuchsgruppe erhält dazu im Rahmen der Förderinitiative „Kleine Fächer“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die kommenden vier Jahre insgesamt mehr als 2 Millionen Euro.

FRANKFURT. Spezialistinnen und Spezialisten der IT-Branche, innovativer Start-ups oder von Top-Universitäten - überalterte Gesellschaften in Industrienationen brauchen ausländische Fachkräfte. Dies gilt für Deutschland ebenso wie für die ostasiatischen Länder Südkorea, Singapur, China und vor allem Japan. Aufgrund ihrer Lebensqualität sind diese Staaten attraktiv für qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen. Doch längst ist nicht ausgemacht, was im Wettstreit um die besten Köpfe Erfolg verspricht: Was lockt etwa gut ausgebildete chinesische Fachkräfte nach Japan, Südkorea oder Singapur? Was fördert, was hemmt die Integration der qualifizierten Zuwanderer und Zuwanderinnen? Welche sozialen Netzwerke entwickeln Arbeitsimmigranten? Welche Rolle spielt ihre Eigeninitiative zur Weiterqualifikation, ihre Ethnie und Nationalität, ihr Geschlecht und ihre Mehrsprachigkeit? Und was veranlasst die Fachkräfte, nach Jahren in ihre Heimatregion zurückzukehren?

„Wenn die Einwanderungspolitik eines Landes zukunftsfähig sein soll“, erklärt Projektleiterin Dr. Ruth Achenbach von der Goethe-Universität, „dann müssen wir die Perspektiven der Migranten und Migrantinnen genau kennen.“ Ziel des nun vom BMBF mit mehr als 2 Millionen Euro geförderten Forschungsprojekts ist, die Rolle der Qualifikation der immigrierten Fachkräfte zu untersuchen. Mit ihren Ergebnissen wollen die Wissenschaftlerinnen einen Betrag zu einer nachhaltigen Einwanderungspolitik von Industrienationen leisten.

Zum wissenschaftlichen Team gehören neben Ruth Achenbach und Dr. Joohyun Justine Park vom Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien (Goethe Universität) Dr. Helena Hof (MPI Göttingen) sowie Dr. Megha Wadhwa (Freie Universität Berlin) und Dr. Aimi Muranaka (Universität Duisburg-Essen). Darüber hinaus stehen die Wissenschaftlerinnen mit zahlreichen externen regionalen Kooperationspartnern im Austausch.

Das Forschungsprojekt sieht eine dreijährige qualitative Studienphase vor – in diesem Rahmen soll etwa die Situation ostasiatischer Start-ups in Japan und Singapur sowie ostasiatischer Fachkräfte in Südkorea untersucht werden; befragt werden ebenso Chinesinnen und Chinesen in Japan, zurückgekehrte Fachkräfte in China und vietnamesische und indische IT-Fachkräfte in Japan. Das Frankfurter Teilprojekt begleitet darüber hinaus chinesische Absolventinnen und Absolventen der 20 besten japanischen Universitäten vom job-hunting bis in die ersten Jahre auf dem Arbeitsmarkt.

Im letzten Förderjahr sollen die qualitativen Studien quantitativ ausgewertet und nach Ländern verglichen werden. Dabei streben die Wissenschaftlerinnen auch an, die dominierenden westlichen Konzepte der internationalen Migrationsforschung zu korrigieren. Von Erfahrungen der Migration nach Amerika und Europa geprägt gehen diese etwa bislang davon aus, dass sich die ökonomische Situation im Herkunfts- und im Zuwanderungsland erheblich unterscheidet. Dies ist bei der ostasiatischen Arbeitsmigration nicht zwingend der Fall.

Die Ergebnisse der empirischen Forschung sowie der Theorieentwicklung sollen nicht nur wissenschaftlich publiziert, sondern auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden: etwa durch die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern in den Fächern Politik und Wirtschaft und einen Dokumentarfilm.

Die Wissenschaftlerinnen versprechen sich von ihrem Projekt eine Stärkung der „Kleinen Fächer“, indem das auf Regionen bezogene Wissen der Forscherinnen mit aktuellen Forschungsfragen aus Soziologie, Politik- und Wirtschaftswissenschaften verknüpft und somit die Sichtbarkeit der Kleinen Fächer erhöht wird.


Weitere Informationen
Dr. Ruth Achenbach 
Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien
Telefon 069/798-23284
E-Mail: izo@uni-frankfurt.de

 

Jan 15 2021
10:23

DFG bewilligt dritte Förderphase des Fachinformationsdienstes Darstellende Kunst 

Forschungsnahe Services für die Theater- und Tanzwissenschaft 

FRANKFURT. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den Fachinformationsdienst Darstellende Kunst (FID DK) für weitere 3 Jahre. Der FID DK wird seit 2015 an der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main aufgebaut. Mit der neuen Fördersumme in Höhe von 1.036.181 Euro kann der FID DK sein Ziel weiterverfolgen, Wissenschaftler*innen der Theater- und Tanzwissenschaft komfortable Zugänge zu bislang schwer erreichbaren Wissensressourcen über das FID-Portal www.performing-arts.eu zu ermöglichen. Zwischen den Akteuren aus der Wissenschaft sowie den Gedächtnisinstitutionen bildet der Fachinformationsdienst Darstellende Kunst somit eine koordinierende Schnittstelle.

Forschung und Lehre in den Theater- und Tanzwissenschaft beziehen sich auf szenische Praktiken, wie Aufführungen, Performances und Festivals. Das FID-Portal Darstellende Kunst stellt seinen Nutzer*innen aktuell die Daten von 730.000 Objekten (Bücher, Zeitschriften, Digitalisaten, AV-Medien etc.), 82.000 Ereignissen und 74.000 Personen (Schauspieler*innen, Regisseur*innen, Tänzer*innen usw.) aus 19 verschiedenen Gedächtnisinstitutionen für ihre Recherche zur Verfügung. Diese Bereitstellung hochwertiger Daten für die Forschung sowie weitere datenbasierte Dienstleistungen wird der Fachinformationsdienst Darstellende Kunst in seiner dritten Förderphase ausbauen und erweitern: u.a. durch die Community und kollaborativ getriebene Entwicklung einer Ontologie der Domäne Darstellende Kunst oder die Visualisierung in Form einer Kartografie von Theaterbauten.

Der FID DK ist Mitglied im Konsortium NFDI4Culture. Dessen Ziel ist die Entwicklung einer bedarfsorientierten Infrastruktur für Forschungsdaten zu materiellen und immateriellen Kulturgütern. Gemäß der von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) 2018 verabschiedeten Vereinbarung zum Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gilt es, den digitalen Schub für die Fachcommunity zu unterstützen. Mit Workshops, Beratungsangeboten und Best-Practice-Leitfäden werden die Vertreter*innen der Theater- und Tanzwissenschaft im Umgang mit diesen neuen Formaten der Datenerhebung und digitalen Tools geschult und in ihren Forschungsvorhaben und -projekten unterstützt.

Kontakt: Franziska Voß, Fachinformationsdienst Darstellende Kunst, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Bockenheimer Landstraße 134-138, 60325 Frankfurt am Main, Tel.: (069) 798 39574, f.voss@ub.uni-frankfurt.de

Kontakt für Pressefragen allgemein: Bernhard Wirth, Stabsstelle Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. +49 (69) 798 39223; Mail: b.wirth@ub.uni-frankfurt.de

 

Jan 15 2021
10:16

„Forschung Frankfurt“ zum Thema Klimawandel zeigt die Bandbreite der in der Wissenschaft diskutierten pädagogischen Konzepte 

Bildung und Erziehung in Zeiten der Klimakrise

Welche Rolle sollen Erziehung und Bildung bei der Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft spielen? Sollen Kinder und Jugendliche quasi subkutan zum klimafreundlichen Handeln erzogen werden? Damit befasst sich der Beitrag des Erziehungswissenschaftlers Helge Kminek in der jüngsten Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität.

FRANKFURT. Menschen engagieren sich deutlich weniger für die Umwelt, wenn sie sich den Klimawandel und dessen Folgen nicht vorstellen können. Das haben Wissenschaftler aus Australien und Neuseeland herausgefunden. Folgerichtig fordern sie, Schülerinnen und Schüler über deren Gefühle für das Thema Klimawandel zu gewinnen. Zum Beispiel könnte das Betrachten von Filmaufnahmen des brennenden Regenwaldes sie dafür sensibilisieren, welche Folgen der Konsum von Fertigprodukten mit Palmöl für die Umwelt hat – nämlich die Rodung von Regenwald zugunsten von Monokulturen –, und sie würden ihr Verhalten ändern.

Darf man junge Menschen auf diese Weise jedoch manipulieren, nur weil es zum Besten der Menschheit wäre? Der Philosoph Julian Nida-Rümelin sagt ganz klar: Nein. Die Vorstellung von Mündigkeit sei für unsere politische Ordnung grundlegend.

Pädagogische Konzepte, die beispielsweise die Gefühle von Schülern subtil ansteuern und zu verändern versuchen, stellten das Konzept von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit infrage – und damit die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Nida-Rümelin plädiert für eine „Bildung zur Autorschaft“.

Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Dr. Helge Kminek geht in seinem Beitrag in „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität, der Frage nach, wie Umweltbildung vor dem Hintergrund der akuten Bedrohung unseres Planeten aussehen könnte, und skizziert die unterschiedlichen Ansätze aus der Forschung. Mehr darüber lesen Sie in der vor kurzem erschienenen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020), die sich dem Thema Klimakrise aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven widmet.

Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de. unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.

Weitere Informationen
Dr. Helge Kminek
Institut für Pädagogik der Sekundarstufe (WE III)
Goethe-Universität
Telefon 069 798-36440
E-Mail kminek@em.uni-frankfurt.de

 

Jan 12 2021
10:57

Neue Methoden zur Erforschung der Film- und Kinokultur aus Marburg, Mainz und Frankfurt 

Der Film im Reich der Daten 

FRANKFURT. Einst war eine Filmvorführung ein flüchtiges Ereignis, das außer schönen Erinnerungen im Gedächtnis des Publikums keine Spuren hinterließ. Heute, im Zeitalter des Streaming, setzt jeder Film einen digitalen Fußabdruck im Reich der Daten. Und nicht nur das: Der Film selbst hat sich mit der digitalen Transformation grundlegend verändert und neue Formen und Formate entwickelt. Diese Umbrüche stellen das kleine Fach Filmwissenschaft vor große Herausforderungen – und bieten zugleich neue Chancen für Forschung und Lehre. In den kommenden fünf Jahren wird ein Team aus Filmwissenschaftlerinnen und Filmwissenschaftlern der Universitäten Marburg, Mainz und Frankfurt im „Digital Cinema-Hub“ (DiCi-Hub) erforschen, wie diesen Herausforderungen und Chancen begegnet werden kann. Das Projekt wird von der VolkswagenStiftung im Rahmen der Förderlinie „Weltwissen – Strukturelle Stärkung Kleiner Fächer“ mit 1 Million Euro gefördert.

Für die Filmwissenschaft stellt der Übergang zur digitalen Filmproduktion und -distribution in Verbindung mit der Emergenz digitaler Kommunikationsnetzwerke einen bedeutsamen Umbruch dar. Zunehmend erreichen Forscherinnen und Forscher ihre Gegenstände und Quellen in digitaler Datenform, oft verknüpft mit hoch entwickelten Metadaten. Auch das Internet bietet reichhaltige Datenschätze, die mit entsprechenden Werkzeugen geerntet und genutzt werden können. Bisher sind filmwissenschaftliche Daten – ihre Strukturen, Verknüpfungen und Möglichkeiten – von der Forschung wenig bearbeitet worden. Das Verbundprojekt DiCi-Hub der Universitäten Marburg, Mainz und Frankfurt will dies nun ändern.

„Um der zeitgenössischen Vielfalt der Netzwerke, Formate und Märkte von Bewegtbildern, ihrer globalen Herkunft und ihrer globalen Zirkulation angemessen Rechnung zu tragen, muss die Film- und Medienwissenschaft ihr Methodenspektrum, aber auch ihre Arbeitsweise anpassen“, so Prof. Dr. Malte Hagener von der Universität Marburg, einer der Antragsteller. Das kooperativ vorgehende Strategiekonzept zielt auf die Entwicklung neuer konzeptueller Grundlagen und Methoden für das „kleine Fach“ Filmwissenschaft: Etablierte (post-)hermeneutische Methoden sollen mit neuen digitalen Forschungsinstrumenten und Methoden verbunden werden. DiCi-Hub stellt drei Schlüsselbereiche der Filmkultur ins Zentrum - nämlich Netzwerke (Philipps-Universität Marburg), Formate (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und Märkte (Goethe-Universität Frankfurt am Main).

„Die digitalen Tools und Methoden, die wir in enger Kooperation mit IT-Fachleuten entwickeln, werden dazu beitragen, ein neues Verständnis der Entwicklung und Dynamik von transnationalen Netzwerken der historischen und aktuellen Film- und Kinokultur zu gewinnen“, so Prof. Dr. Yvonne Zimmermann, die in Marburg zusammen mit Hagener für den Teilbereich „Netzwerke“ zuständig ist. Prof. Dr. Alexandra Schneider wird in Mainz den Teilbereich „Formate“ leiten. „Formate haben einen erheblichen Einfluss auf die ästhetischen Eigenschaften eines Films sowie wichtige Konsequenzen für die Modi des Zugangs, der Distribution aber auch für den ökologischen Fußabdruck von Medien – alles Phänomene, zu denen wir mithilfe von digitalen Methoden neue Zugänge gewinnen können“, sagt Schneider. In Frankfurt widmet sich Prof. Dr. Vinzenz Hediger dem Teilbereich Märkte. „Mit digitalen Methoden kann es uns gelingen, ein genaueres Bild von der Zirkulation von Filmen und den Präferenzen des Publikums jenseits der etablierten Institutionen wie Kinos, Festivals und Filmmuseen zu gewinnen“, sagt Hediger.

An allen drei Standorten sollen die entwickelten Methoden in die Lehre implementiert und Infrastrukturen weiterentwickelt werden. Die Universitäten arbeiten darüber hinaus im übergreifenden Modul Data Criticism/Data Literacy zum Thema Verlässlichkeit, Herkunft, Validität, Integrität und Dichte von Forschungsdaten zusammen. Dabei profitiert das Projekt von bereits bestehenden Forschungsprojekten an den drei Standorten und einschlägigen Forschungsverbünden, wie beispielsweise dem kürzlich gegründeten Marburg Center for Digital Culture and Infrastructure (MCDCI) der Philipps-Universität, das den digitalen Wandel aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Perspektive erforscht. Die Projektleiterinnen und Projektleiter kooperieren darüber hinaus unter anderem seit 2017 im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs 2279 „Konfigurationen des Films“, dessen Doktorandinnen und Doktoranden von der Kooperation innerhalb von DiCi-Hub ebenfalls profitieren sollen.

Das Projekt wird durch die VolkswagenStiftung mit 1 Million Euro gefördert; dazu kommen Eigenleistungen der drei beteiligten Universitäten, so dass insgesamt 1,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wird ein Team aus Filmwissenschaftlerinnen und Filmwissenschaftlern mit IT-Experten Werkzeuge, Module und Tools entwickeln, die ebenso der Lehre wie der Forschung dienen sollen.


Kontakt:
Prof. Dr. Malte Hagener, Professor für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschichte, Ästhetik und Theorie des Films, Institut für Medienwissenschaft, Philipps-Universität Marburg, E-Mail: hagener@uni-marburg.de

Prof. Dr. Yvonne Zimmermann, Professorin für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschichte und Pragmatik visueller Medien, Institut für Medienwissenschaft, Philipps-Universität Marburg, E-Mail: yvonne.zimmermann@uni-marburg.de

Prof. Dr. Alexandra Schneider, Professorin für Filmwissenschaft mit Schwerpunkt Mediendramaturgie, Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, E-Mail: a.schneider@uni-mainz.de

Prof. Dr. Vinzenz Hediger, Professor für Filmwissenschaft, Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt, E-Mail: hediger@tfm.uni-frankfurt.de

 

Jan 11 2021
12:36

Forschung Frankfurt zum Thema Klimakrise: Wie sich Anleger im boomenden Markt Grüner Anleihen orientieren

(Un)glaubwürdig grün?

Immer mehr Anleger wollen in Wertpapiere für explizit klimafreundliche Industrien und Projekte investieren. Ist der Klimaschutz damit in der Finanzwelt angekommen? Oder ist der Verdacht begründet, dass es sich bei Green Bonds lediglich um Green Marketing handelt, wenn nicht gar um „Greenwashing“? „Forschung Frankfurt, das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität, berichtet über die Arbeit der Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Kapraun, die zeigt, wie Anleger beim Kauf Grüner Anleihen nach Orientierung suchen.

FRANKFURT. Wer nicht ökologisch wird, verliert ökonomisch – dieser Gedanke kommt inzwischen auch Unternehmen und Finanzdienstleistern, die mit „grün“ ansonsten nicht viel im Sinn haben. Denn spätestens nach dem Pariser Klimagipfel 2015 steht fest: Die Internationalen Finanzströme sollen umgeleitet werden. Weg von Öl, Gas und Kohle hin zu klimafreundlichen Projekten. Grüne Anleihen gelten als wichtige Katalysatoren, wenn nicht gar als Dreh- und Angelpunkt bei der Umstellung der Weltwirtschaft hin zu weniger Kohlenstoffverbrauch. Doch können sich Anleger sicher sein, dass sie mit einer Grünen Anleihe auch wirklich ein grünes Projekt finanzieren?

Zweifel sind zumindest angebracht, wie Dr. Julia Kapraun in ihrer Studie auf Grundlage aller Green Bonds mit verfügbaren Daten bis Ende 2018 nahelegt. Denn die Lage ist unübersichtlich: Jedes Unternehmen, jede Bank, jedes Land kann die Kriterien für „Green bonds“ selbst bestimmen. Für von China ausgegebene grüne Anleihen gilt etwa, dass die Hälfte des Bond-Volumens in nachhaltige Projekte fließen muss; europäische Green-Bond-Standards schreiben dagegen 95 Prozent vor. Die Wirtschaftswissenschaftlerin der Goethe-Universität hat untersucht, wie Anleger im boomenden Grüne-Anleihen-Markt nach Orientierung suchen. Ihre Studie zeigt, welche Kriterien darüber entscheiden, ob Anleger Grüne Anleihen als glaubwürdig einschätzen, und welchen Preis sie für den Klimaschutz zu zahlen bereit sind. Mehr darüber lesen Sie in der gerade erschienen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020), die sich dem Thema Klimakrise aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven widmet.

Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.

Weitere Informationen
Dr. Julia Kapraun
Wiss. Mitarbeiterin
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
House of Finance
Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-W.-Adorno-Platz 3
60323 Frankfurt | Germany
Tel. +49 (0)69 798 33728
julia.kapraun@hof.uni-frankfurt.de
www.finance.uni-frankfurt.de

 

Jan 11 2021
12:04

AIWG veröffentlicht Expertise zu islamischem Religionsunterricht

Politische Debatten verdecken positive Effekte des Islamunterrichts

Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat heute ihre neue Expertise zum islamischen Religionsunterricht in Deutschland veröffentlicht. Die Publikation „Islamischer Religionsunterricht in Deutschland: Qualität, Rahmenbedingungen, Umsetzung“ bietet einen Überblick zu Lehrinhalten und rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem nehmen die Autorinnen und Autoren die konkrete Umsetzung des Schulfachs in ausgewählten Bundesländern in den Blick, darunter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen.

FRANKFURT. Religionsunterricht ist das einzige Fach, das im deutschen Grundgesetz verankert ist. Der Staat steht also in der Verantwortung, strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen und personelle Ressourcen bereitzustellen, damit Religionsunterricht in deutschen Klassenzimmern stattfinden kann. Trotzdem haben muslimische Kinder bislang nicht in allen Bundesländern die Möglichkeit, an einem „bekenntnisorientierten“ Unterricht in ihrer Religion teilzunehmen. Aktuell nehmen 60.000 Schülerinnen und Schüler in Deutschland am islamischen Religionsunterricht beziehungsweise am islamkundlichen Unterricht teil. Das ist nur ein Bruchteil aller muslimischen Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen insgesamt, deren Anzahl auf 580.000 geschätzt wird.

Politische Aspekte bestimmen Debatten zum islamischen Religionsunterricht

Aus Sicht der Autorinnen und Autoren dominieren in den Diskussionen über den islamischen Religionsunterricht vor allem rechtliche und politische Aspekte: Welche islamischen Organisationen eignen sich als Gegenüber für den Staat? Wie hoch ist das Risiko, dass sich ausländische Einrichtungen in den Unterricht einmischen? Und welche Auswirkungen hätte es, wenn islamische Organisationen als Religionsgemeinschaften anerkannt würden? Bei diesen Debatten kommen Aspekte, die ebenso wichtig sind, oft zu kurz. Den Autorinnen und Autoren zufolge sind das: die Qualität des Unterrichts, die Ausbildung von Standards in der Lehrkräfteausbildung, die fehlende empirische Unterrichtsforschung, der Auf- und Ausbau des islamischen Religionsunterrichts sowie die positiven Effekte, die Religionsunterricht – unabhängig von Konfession oder Glaubensrichtung – für eine Gesellschaft haben kann.

Dazu Dr. Fahimah Ulfat, Professorin für islamische Religionspädagogik an der Universität Tübingen und Mitautorin der Expertise: „Der islamische Religionsunterricht übt eine zentrale Anerkennungsfunktion von religiöser Pluralität in Schule und Gesellschaft aus. Schüler_innen muslimischen Glaubens können sich, ebenso wie ihre Mitschüler_innen christlichen Glaubens, im Unterricht mit ihrer Religion kritisch und reflektiert auseinandersetzen. Ihre Religion wird als Normalität im Kontext Schule anerkannt. Der islamische Religionsunterricht ist in der Schule häufig der einzige Ort, an dem über Islam und Menschen muslimischen Glaubens in einer wertschätzenden Art und Weise gesprochen wird, aber auch an dem über viele religiöse und ethische Fragen, die junge Muslim_innen in Deutschland beschäftigen, offen diskutiert wird. Der Religionsunterricht leistet einen Beitrag zur Bildung, da er zur Aneignung von Wissen, zum Verstehen, zur Perspektivenübernahme und somit zur Handlungsfähigkeit im Sinne von Kommunikation und Partizipation befähigt. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten sind Grundlage für Haltungen wie Toleranz, wechselseitiger Respekt und Anerkennung des Anderen. Dies sind entscheidende Argumente für eine Beibehaltung und den Ausbau des islamischen Religionsunterrichts in einer religionspluralen Gesellschaft.“

Warum steht islamischer Religionsunterricht bislang nicht in den Lehrplänen aller Bundesländer?

Ein Grund dafür ist, dass die meisten Bundesländer aufgrund religionspolitischer Bedenken islamische Religionsgemeinschaften bislang nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt haben. Deshalb gibt es – mit Ausnahme des Religionsunterrichts der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Hessen, an dem allerdings nur wenige Schüler teilnehmen, – in Deutschland keinen islamischen Religionsunterricht, für den eine einzelne islamische Religionsgemeinschaft verantwortlich ist.

Stattdessen werden entweder alternative Modelle praktiziert, in denen mehrere islamische Organisationen in übergreifenden Kommissionen, Beiräten oder über lokale Vertreterinnen und Vertreter eingebunden sind. Dies ist zum Beispiel der Fall in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Oder die Bundesländer erteilen eine in alleiniger staatlicher Verantwortung stehende Islamkunde, wie etwa in Bayern oder Schleswig-Holstein. Beide Modelle werfen jedoch verfassungsrechtliche Probleme auf: „Einerseits sieht das Grundgesetz keinen Religionsunterricht vor, der ohne anerkannte Religionsgemeinschaft erteilt wird. Andererseits ist die Gefahr hoch, dass der Staat durch die Erteilung eines Islamkundeunterrichts gegen seine Verpflichtung verstößt, religiös und weltanschaulich neutral zu sein. Denn hier bestimmen staatliche Akteurinnen und Akteure de facto, welche Inhalte einer Religion gelehrt werden sollen und welche nicht“, sagt Dr. Jan Felix Engelhardt, Geschäftsführer an der AIWG und Mitautor der Expertise.

Die Autorinnen und Autoren:

Dr. Fahimah Ulfat ist Professorin für Islamische Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die empirische Erforschung von Glaubens- und Wissenskonzepten muslimischer Kinder und Jugendlicher, die wissenschaftliche Begleitung, Erforschung und Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts sowie die Erforschung der theologischen und pädagogischen Professionalität von Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht.

Esra Yavuz hat Islamische Theologie sowie Mathematik, Deutsch und Islamische Religion auf Lehramt studiert. Seit 2018 unterrichtet sie diese Fächer an einer Grundschule in Frankfurt am Main. Sie ist Expertin für islamischen Religionsunterricht in Deutschland mit praktischer Erfahrung in Hessen sowie für interreligiöses Lernen im schulischen Kontext. 

Dr. Jan Felix Engelhardt ist Geschäftsführer an der AIWG. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Akademisierung muslimischer Wissensproduktion in Deutschland und Europa sowie das Verhältnis zwischen Theologie, Gesellschaft und Politik.

Über die Publikationsreihe „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in puncto“:

Mit ihren Publikationsreihen „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in puncto“ möchte die AIWG Wissensbedarfe zum Islam in Deutschland decken, Debatten versachlichen sowie Erkenntnislagen verbessern. Den von Expertinnen und Experten erarbeiteten Wissensstand, ihre Einschätzung und Diskussionspunkte stellt die AIWG in anschaulicher Form einer breiten Öffentlichkeit bereit. Die „AIWG-Expertisen“ präsentieren eine vertiefte Erörterung des jeweiligen Themas. „AIWG in puncto“ behandelt eine konkrete Fragestellung in Kurzform und stellt thesenartige Einschätzungen zur breiten Diskussion.

Über die AIWG

Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien und benachbarter Fächer sowie Akteurinnen und Akteuren aus der muslimischen Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Stiftung Mercator.


Publikation: https://aiwg.de/publikationen-expertisen/

Weitere Informationen
Stefanie Golla
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft
Goethe-Universität
Telefon 069 79822-459
E-Mail golla@aiwg.de
Homepage https://aiwg.de/

 

Jan 8 2021
14:24

Wissenschaftler:innen von Goethe-Universität und Universität Münster begleiten Modellbau des ALICE-Detektors im Teilchenbeschleuniger in Genf 

CERN-Detektor als Legomodell nachbauen – Einladung an Schüler:innen und Studierende

Das deutsche Netzwerk der ALICE-Kollaboration am CERN lädt Jugendliche ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester ein, den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begleiten das Projekt. Vom 18. Januar an entwerfen die Teilnehmer:innen zunächst das Modell mit Konstruktionsprogrammen, im Juni soll der Lego-Detektor voraussichtlich in Frankfurt zusammengebaut werden. Mitmachen können junge Interessierte aus dem ganzen Bundesgebiet, da die Veranstaltungen online angeboten werden.

FRANKFURT / MÜNSTER (WESTF.) An der großen Teilchenbeschleunigeranlage CERN in Genf gehen Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt grundlegenden Fragen der Physik nach: Was ist Materie? Wie hat sich das Universum entwickelt? Dazu lassen die Forscher:innen Atomkerne mit hohen Geschwindigkeiten aufeinanderprallen und zerlegen sie in ihre elementaren Bestandteile. Vermessen werden diese Materie-Bausteine mithilfe großer Teilchendetektoren. Der ALICE-Detektor misst die Teilchen, die bei der Kollision von Blei-Ionen entstehen – 900 Millionen Teilchen pro Sekunde. Eines der Forschungsziele ist es, den Zustand von Materie kurz nach dem Urknall verstehen zu lernen.

Wie der 26 Meter lange und 16 Meter hohe ALICE-Detektor funktioniert, können Physik-interessierte Schülerinnen und Schüler jetzt in einem Online-Kurs erfahren, indem sie den Detektor nachbauen, maßstäblich und mit Lego-Bausteinen. Ähnliche Detektor-Nachbauten gab es in der Vergangenheit bereits für zwei weitere große CERN-Detektoren; das Modell für ALICE sollen die Teilnehmer:innen jetzt gemeinsam entwickeln und dabei lernen, wie das große ALICE-Original funktioniert und wie mit dem Detektor Forschungsfragen beantwortet werden können.

Unterstützt werden sie dabei von Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und weiteren Forschenden aus dem deutschen ALICE-Netzwerk, die Wissen über Teilchenphysik und das ALICE-Experiment, über Detektortechnologie und die Zusammenarbeit in einer Forschungskollaboration vermitteln und auch für Fragen zu Studium und Beruf zur Verfügung stehen.

Start: 18. Januar 2021, 16:00 Uhr
Anmeldung: https://indi.to/ALICE-Lego-Modell

Veranstaltungsposter zum Download:
https://indico.cern.ch/event/980071/attachments/2161765/3647814/Poster_ALICE_LEGO_Workshop_v3.pdf

Bild zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/96043535

Bildtext: Jugendliche ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester können in einem Online-Workshop den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Copyright: Fotograf: Julien Ordan/CERN. Montage: WWU

Weitere Informationen
Marcus Mikorski
Koordinator für den Deutschen ALICE-Forschungsschwerpunkt
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: 069 798-47099
marcus.mikorski@cern.ch

Prof. Dr. Christian Klein-Bösing
Institut für Kernphysik
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Tel.:  0251 83-34973
Christian.Klein-Boesing@uni-muenster.de

 

Dez 22 2020
10:30

Kooperation von Goethe-Universität mit University of Oklahoma

Erstmals Quantenwelle im Heliumdimer gefilmt

Ein internationales Wissenschaftsteam der Goethe-Universität Frankfurt und der University of Oklahoma hat erstmals Effekte der Quantenphysik an einem auseinanderbrechenden Heliumdimer gefilmt. Der Film zeigt die Überlagerung von Wellen zweier Ereignisse, die mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig auftreten: Der Fortbestand und das Auseinanderbrechen des Heliumdimers. Die Methode könnte künftig erlauben, das Entstehen und den Zerfall quantenphysikalischer Efimov-Systeme experimentell zu verfolgen. (Nature Physics, DOI 10.1038/s41567-020-01081-3)

FRANKFURT. Wer sich in die Welt der Quantenphysik begibt, muss sich auf Einiges gefasst machen, was in der Alltagswelt unbekannt ist: Edelgase gehen Bindungen ein, Atome verhalten sich gleichzeitig wie Teilchen und wie Wellen, und Ereignisse, die eigentlich einander ausschließen, lassen sich gleichzeitig beobachten.

Reinhard Dörner und sein Team beschäftigen sich in der Quantenwelt mit Molekülen, die es klassischerweise gar nicht geben dürfte: Zweierverbindungen von Helium, sogenannte Heliumdimere. Denn Helium wird ja gerade deshalb zu den Edelgasen gezählt, weil es eigentlich keine Verbindungen eingeht. Wenn man das Gas jedoch auf nur 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius abkühlt und dann durch eine kleine Düse in eine Vakuumkammer strömen lässt, wodurch es noch kälter wird, dann bilden sich – ganz selten – solche Heliumdimere. Es sind sicher die am schwächsten gebundenen Moleküle im Universum, und entsprechend weit sind die beiden Atome im Molekül voneinander entfernt. Während eine chemische Bindung gewöhnlicherweise rund 1 Ångström misst (0,1 Nanometer), sind es beim Heliumdimer im Mittel mehr als 50 Mal so viel, 52 Ångström.

Solche Heliumdimere haben die Frankfurter Wissenschaftler mit einem extrem starken Laserblitz bestrahlt und dadurch die Bindung zwischen den beiden Heliumatomen minimal verdreht – was ausreichte, um die beiden Atome auseinanderfliegen zu lassen. Daraufhin konnten die Wissenschaftler das wegfliegende Heliumatom erstmals als Welle sehen und in einem Film aufzeichnen.

Der Quantenphysik zufolge verhalten sich Objekte gleichzeitig wie ein Teilchen und eine Welle, was der Laie vielleicht von den Lichtteilchen (Photonen) her kennt, die sich einerseits wie Wellen überlagen und damit verstärken oder auslöschen können (Interferenz), andererseits aber als „Sonnenwind“ zum Beispiel Raumsonden über deren Sonnensegel antreiben können.

Dass die Forscher das wegfliegende Heliumatom im Frankfurter Laser-Experiment als eine Welle überhaupt beobachten und filmen konnten, lag daran, dass das Heliumatom nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wegflog: Mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit war es noch an seinen zweiten Heliumpartner gebunden, mit 2-prozentiger Wahrscheinlichkeit flog es weg. Diese beiden Heliumatom-Wellen – Vorsicht: Quantenphysik! – überlagerten sich, ihre Interferenz ließ sich messen.

Vorstellen kann man sich das nicht, aber die Vermessung solcher „Quantenwellen“ lässt sich ausdehnen auf Quantensysteme mit mehreren Partnern wie das Heliumtrimer aus drei Helium-Atomen. Das Heliumtrimer ist interessant, da es einen exotischen sogenannten Efimovzustand bilden kann, sagt Maksim Kunitski, Erstautor der Studie: „Solche Drei-Teilchen-Systeme wurden 1970 durch den russischen Theoretiker Vitaly Efimov vorhergesagt und zunächst an Cäsiumatomen nachgewiesen. Vor fünf Jahren haben wir erstmals den Efimovzustand im Heliumtrimer entdeckt. Unsere jetzt entwickelte Methode der Laserpuls-Bestrahlung könnte es uns in Zukunft erlauben, die Entstehung und den Zerfall von Efimov-Systemen zu beobachten und so quantenphysikalische Systeme besser verstehen zu können, die experimentell nur schwer zugänglich sind.“


Publikation: Maksim Kunitski, Qingze Guan, Holger Maschkiwitz, Jörg Hahnenbruch, Sebastian Eckart, Stefan Zeller, Anton Kalinin, Markus Schöffler, Lothar Ph. H. Schmidt, Till Jahnke, Dörte Blume, Reinhard Dörner: Ultrafast manipulation of the weakly bound helium dimer. In: Nature Physics, https://doi.org/10.1038/s41567-020-01081-3

Bilder zum Download: 

http://www.uni-frankfurt.de/95834340
Bildtext: Dr. Maksim Kunitski am COLTRIMS-Reaktionsmikroskop an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dessen Hilfe die "Quantenwelle" beobachtet werden konnte. (Foto: Uwe Dettmar für Goethe-Universität)

http://www.uni-frankfurt.de/95834284
Bildtext: Prof. Reinhard Dörner (links) und Dr. Maksim Kunitzki vor dem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dessen Hilfe die "Quantenwelle" beobachtet werden konnte. (Foto: Goethe-Universität Frankfurt)

Video: https://static-content.springer.com/esm/art%3A10.1038%2Fs41567-020-01081-3/MediaObjects/41567_2020_1081_MOESM2_ESM.mp4

Weitere Informationen
Prof. Dr. Reinhard Dörner
Institut für Kernphysik
Tel. +49 (0)69 798-47003
doerner@atom.uni-frankfurt.de
https://www.atom.uni-frankfurt.de/

 

Dez 21 2020
13:49

VolkswagenStiftung fördert Islamische Archäologie und Kunstgeschichte an der Goethe-Universität 

Neue Professur soll islamische Kultur vergangener Jahrhunderte erforschen

Die archäologischen Wissenschaften an der Goethe-Universität erhalten Verstärkung: Mit Mitteln der VolkswagenStiftung wird eine neue Professur für Islamische Archäologie und Kunstgeschichte eingerichtet, zusätzliche Mittel fließen für Gastwissenschaftler, Forschungsprojekte und Infrastruktur.

FRANKFURT. „Die Professur für Islamische Archäologie und Kunstgeschichte an der Goethe-Universität wird eine große Besonderheit sein. Sie ist erst die dritte Professur dieser Art in ganz Deutschland“, freut sich Prof. Dr. Dirk Wicke, der in Frankfurt die Archäologie Vorderasiens lehrt, über die Bewilligung. Wicke hat den zusätzlichen Forschungszweig im Rahmen des Programms „Weltwissen ‒ Strukturelle Stärkung ‚kleiner Fächer'“ der VolkswagenStiftung beantragt, mit dem diese seit 2017 fachunabhängig strukturell unterrepräsentierte Wissensgebiete mit hohem Innovationspotenzial fördert. Der Antrag, der nun bewilligt wurde, umfasst neben der Einrichtung einer Professur für zunächst sechs Jahre ein Programm für Gastwissenschaftler, die Anschubfinanzierung für Forschungsprojekte und auch eine umfangreiche Unterstützung der Infrastruktur am Institut. Für die ersten sechs Jahre stellt die Stiftung knapp eine Million Euro bereit. Der Fortbestand der W2-Professur ist bereits durch Unipräsidium und Fachbereich gesichert.

„Das ist eine sehr gute Nachricht“, freut sich auch Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff. „Die Kleinen Fächer gehören sehr prägend zum Profil der Goethe-Universität, manche von ihnen sind besonders forschungsstark und sehr erfolgreich im Einwerben von Drittmitteln. Gerade die Archäologie hat einen ausgezeichneten Ruf und ist bereits in mehreren auch für Laien faszinierenden Themenfelder sehr gut unterwegs. Dass sie sich im Bereich der islamischen Kunst zusätzlich positioniert, unterstützen wir auch Seitens des Präsidiums gerne“, so Wolff weiter. „Die neue Professur fügt sich nahtlos in den bereits seit Jahren bestehenden Fächerkanon und das Bachelor-Master-Studienprogramm des Institutes ein. Zudem wird es viele Anknüpfungspunkte an andere Disziplinen im Fachbereich und weit über die Goethe-Universität hinaus geben“, ist Wicke überzeugt. Er erwarte einen innovativen Forschungsschub, außerdem würden neue Impulse für eine stärkere Internationalisierung gesetzt. Nach Ansicht des Frankfurter Archäologen gibt es in Deutschland Nachholbedarf auf diesem Gebiet: In anderen Ländern sei der islamischen Archäologie und Kunstgeschichte in den vergangenen Jahren wachsende Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Deutschland hinke bislang noch hinterher. An der Goethe-Universität ist die islamische Kunst und Kultur im Rahmen der vorderasiatischen Archäologie schon seit langem erforscht worden, die Arbeiten kamen jedoch durch den Bürgerkrieg in Syrien letztlich zum Erliegen. Das Institut verfügt mittlerweile jedoch über eine kleine altorientalische Studiensammlung.

Das Fach Islamische Archäologie und Kunstgeschichte beschäftigt sich mit den materiellen Zeugnissen der islamischen Welt von etwa dem 7. Jahrhundert nach Christus bis in die heutige Zeit in dem weiten geographischen Rahmen von Marokko bis Indonesien und von Zentralasien bis zur Sahara. Es verfolgt im Wesentlichen kulturhistorische Fragestellungen anhand der materiellen Kultur des Islam und arbeitet eng mit historischen und philologischen Disziplinen wie der Orientalistik oder den Islamischen Studien zusammen. Gerade angesichts der politischen Unruhen im Nahen Osten zählen auch der Erhalt des islamischen kulturellen Erbes und dessen Vermittlung in Gegenwart und Zukunft zu den Aufgaben dieser Wissenschaft.

Bilder zu islamischen Archäologie und Kunstgeschichte zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/95801886

Bildtext:
Abb. 1: Persische Glasmalerei, Qadjaren-Zeit (19. Jahrhundert n.Chr.). (Foto: Birgitta Schödel/Altorientalische Sammlung der Goethe-Universität)

Abb. 2: Glasierte Keramik aus Kharab Sayyar, Syrien (9. Jh. n. Chr.)
(Foto: Ausgrabungsprojekt Kharab Sayyar)

Abb. 3: Qasr al-Kharana, Jordanien (späters 7. Jh. n. Chr.)
(Foto: Jutta Eichholz)

Abb. 4: Badende,Wandmalerei im Qusair `Amra, Jordanien (8. Jh. n. Chr.)
(Foto: Jutta Eichholz)

Abb. 5: Frühislamische Badeanlage von Kharab Sayyar, Syrien (9. Jh. n. Chr.)
(Foto: Ausgrabungsprojekt Kharab Sayyar)

Weitere Informationen
Prof. Dr. Dirk Wicke
Professur für Vorderasiatische Archäologie
Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung I,1
Goethe-Universität
wicke@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 21 2020
12:02

Loperamid könnte bei der Behandlung von Glioblastomen helfen

Durchfallmittel treibt Krebszellen in den Tod

Stellungnahme

Forscher der Goethe-Universität Frankfurt hatten kürzlich in einem Artikel und einer Pressemitteilung über den Einfluss des Wirkstoffes Loperamid auf den Zelltod bei Hirntumorzellen berichtet. Es sind daraufhin an den Deutschen Hirntumorzentren zahlreiche Anfragen nach dem therapeutischen Einsatz von Loperamid bei Patienten mit Hirntumorerkrankungen eingegangen. 

Es ist jedoch festzuhalten, dass die zugrundeliegende Forschungsarbeit lediglich auf Zellkulturmodellen basiert. Aus den Ergebnissen können auf keinen Fall Empfehlungen zur Behandlung des Menschen abgeleitet werden. Loperamid kann neben Darmträgheit vor allem bei höher dosiertem oder nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch schwere und lebensbedrohliche Nebenwirkungen verursachen.

Die Autoren des Forschungsartikels und des Schwerpunkts Neuroonkologie des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) raten daher dringend von einem Einsatz von Loperamid bei Hirntumorpatienten (außerhalb der Indikation Durchfall) ab.

Prof. Dr. med. Christian Brandts

Direktor Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen Frankfurt (UCT), Universitätsklinikum Frankfurt

Prof. Dr. med. Joachim Steinbach
Direktor des Dr. Senckenbergischen Instituts für Neuroonkologie, UCT, Universitätsklinikum Frankfurt

Sjoerd J. L. van Wijk, Ph.D.

Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie, UCT, Universitätsklinikum Frankfurt

In der Zellkultur wirkt das gängige Durchfallmittel Loperamid gegen Glioblastomzellen. Ein Forschungsteam der Goethe-Universität Frankfurt hat jetzt den Wirkmechanismus des Mittels aufgeklärt und damit gezeigt, wie der Wirkstoff die Behandlung von Hirntumoren unterstützen könnte, die schwer zu therapieren sind.

FRANKFURT. Hinweise darauf, dass das Durchfallmittel Loperamid in der Therapie von Hirntumoren eingesetzt werden könnte, fand die Arbeitsgruppe um Dr. Sjoerd van Wijk vom Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie der Goethe-Universität bereits vor zwei Jahren. Nun entschlüsselte sie den Wirkmechanismus und eröffnet damit Optionen für neue Behandlungsstrategien.

Wenn Zellen sich selbst auffressen

Loperamid führt in bestimmten Tumorzellen zu einer Stressreaktion im Endoplasmatischen Retikulum (ER), dem Zellorganell, das für wesentliche Schritte der Proteinsynthese im Körper verantwortlich ist. Der Stress im ER löst dessen Selbstverdau aus: Es vernichtet sich quasi selbst. Dieser als Autophagie („Selbstverdau“) bezeichnete Mechanismus ist auch im normalen Stoffwechsel manchmal sinnvoll, um aus beschädigten oder überflüssigen Zellbestandteilen die wertvollen Anteile zu recyceln und somit das Überleben der Zelle etwa bei Nährstoffmangel zu sichern. Bestimmte Tumorzellen scheinen über Autophagie jedoch so viel Material abzubauen, dass sie nicht mehr überlebensfähig sind.

„Unsere Experimente mit Zelllinien zeigen, dass Autophagie bei Glioblastom-Hirntumoren die Behandlung unterstützen könnte“, so van Wijk. Das Glioblastom ist eine sehr aggressive und meist tödliche Krebsform bei Kindern und Erwachsenen, die schlecht auf Chemotherapeutika reagiert. Daher werden dringend neue Therapieansätzen gesucht. Die Arbeitsgruppe um van Wijk identifizierte jetzt einen wichtigen Faktor, der die ER-Stressreaktion mit dem Abbau des ER (Retikulophagie) verbindet: Der „Aktivierende Transkriptions-Faktor“ ATF4 wird sowohl bei ER-Stress als auch unter Loperamid-Einfluss vermehrt gebildet. Er löst den Abbau der ER-Membranen und damit des ERs aus.

Durchfallmittel löst Zelltod in Glioblastomzellen aus

„Wenn wir umgekehrt ATF4 blockieren, sterben nach Zugabe von Loperamid deutlich weniger Zellen einer Tumorzellkultur“, beschreibt van Wijk die Kontrollergebnisse. Außerdem konnte die Arbeitsgruppe unter dem Elektronenmikroskop die ER-Trümmer in Abbauzellen des Körpers nachweisen. „Der ER-Abbau, also die Retikulophagie, trägt sichtbar zum Zelltod von Glioblastom-Zellen bei“, so van Wijk. Zudem zeigte die Arbeitsgruppe, dass Loperamid in einer weiteren Zelllinie (embryonalen Maus-Fibroblasten) nur Autophagie, nicht jedoch den Zelltod auslöst. „Diese Autophagie ist in normalen Zellen harmlos - auch für die Einnahme als Durchfallmittel, denn Loperamid wirkt im Darm nur an besonderen Bindestellen und wird nicht wirklich aufgenommen durch Darmzellen", erklärt der Forscher.

Wirkmechanismus auch für andere Krankheiten denkbar

Der Loperamid-induzierte Zelltod von Glioblastomzellen könnte helfen, neue Therapieansätze für die Behandlung dieser schweren Krebserkrankung zu entwickeln. „Unsere Erkenntnisse eröffnen aber auch neue spannende Möglichkeiten für andere Krankheiten, bei denen der ER-Abbau gestört ist, etwa Nervenzell- oder Demenz-Erkrankungen sowie weitere Tumorarten“, so van Wijk. Bevor Loperamid allerdings tatsächlich bei der Behandlung von Glioblastomen oder anderen Erkrankungen eingesetzt werden kann, ist noch einige Arbeit notwendig. So muss beispielsweise untersucht werden, wie Loperamid ins Gehirn transportiert werden und die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann. Hierfür kommen möglicherweise Nanopartikel in Frage. Die Frankfurter Arbeitsgruppe will nun weitere Retikulophagie-auslösende Substanzen identifizieren und untersuchen, wie sich die Wirkung von Loperamid verstärken lässt. 

Die Arbeitsgruppe um Sjoerd van Wijk wird durch die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder und den DFG-geförderten Sonderforschungsbereich SFB1177 “Molekulare und funktionale Charakterisierung der selektiven Autophagie" finanziell unterstützt. Die Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit mit Dr. Muriel Mari, Prof. Dr. Fulvio Reggiori (Universität von Groningen, Niederlande) und Prof. Dr. Donat Kögel (Experimentelle Neurochirurgie, Goethe-Universität Frankfurt).

Publikation: Svenja Zielke, Simon Kardo, Laura Zein, Muriel Mari, Adriana Covarrubias-Pinto, Maximilian N. Kinzler, Nina Meyer, Alexandra Stolz, Simone Fulda, Fulvio Reggiori, Donat Kögel und Sjoerd van Wijk: ATF4 links ER stress with reticulophagy in glioblastoma cells. Taylor & Francis Online https://doi.org/10.1080/15548627.2020.1827780

Bild zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/95797718

Bildtext: In Zellen des Hirntumors Glioblastom löst das Durchfallmittel Loperamid den Abbau des Endoplasmatischen Retikulums aus: Im Normalzustand ist es in diesen Mikroskopie-Aufnahmen gelb gefärbt, den Abbauzustand leuchtet es als rotes Signal (im Ausschnitt mit Pfeilen markiert). Balken linkes Bild: 20 Mikrometer, Balken rechtes Bild („Inset“): 5 Mikrometer. (Fotos: Svenja Zielke et. al.)

Weitere Informationen:
Dr. Sjoerd J. L. van Wijk PhD,
Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 69 67866574
s.wijk@kinderkrebsstiftung-frankfurt.de
https://www.kinderkrebsstiftung-frankfurt.de/

 

Dez 18 2020
14:29

​Im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität kommen Volker Mosbrugger und Joachim Curtius zu unterschiedlichen Einschätzungen zum Klimawandel

Zwei Standpunkte: Schaffen wir das 2-Grad-Ziel oder nicht?

Zwar ist der Klimaschutz in aller Munde, aber ist es realistisch, dass wir das Ziel der Pariser Klimakonferenz erreichen? 2015 hatte die Weltgemeinschaft beschlossen, die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu halten und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. In der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ zum Thema „Klimakrise“ vertreten zwei Experten der Goethe-Universität unterschiedliche Standpunkte: „Ich bin Klima-Optimist“, meint der Atmosphärenforscher Prof. Joachim Curtius, „Nein, wir schaffen es nicht mehr“, glaubt der Paläontologe und Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Prof. Volker Mosbrugger.

FRANKFURT. Seit 30 Jahren steht der Klimawandel auf der Agenda der Weltpolitik, und seit 1960 steigt die atmosphärische CO2-Konzentration kontinuierlich stark an. „Man erkennt keinerlei Trendwechsel als Folge etwa der Reports des Weltklimarats IPCC oder der internationalen Klimakonferenzen in Kopenhagen oder Paris“, meint der Senckenberg-Generaldirektor Prof. Volker Mosbrugger im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“. Es gebe „unendlich vielen Zielkonflikte“, etwa dass Biodiesel zwar gut für den Klimaschutz, aber schädlich für die Biodiversität sei. Wer beim Klimaschutz vorangehe, hätte zunächst einmal Nachteile, und zudem würde das Zuviel an Treibhausgasemissionen von weniger als der Hälfte der Weltbevölkerung verursacht. Volker Mosbrugger sieht dennoch größten Handlungsbedarf, der sich jedoch über die Reduktion der Treibhausgasemissionen hinaus auch auf Anpassungsmaßnahmen erstrecken sollte.

Der „Klima-Optimist“ Prof. Joachim Curtius vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität ist dagegen fest überzeugt: „Wir können es schaffen!“ Er verweist auf erste Erfolge bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen und die ehrgeizigen Ziele selbst von Schwellenländern wie China. „Das Thema wird nun in allen Schichten der Gesellschaft ernst genommen, nicht nur unter Experten und Umweltaktivisten“, meint der Atmosphärenforscher. Dazu würde auch beitragen, dass die lang vorhergesagten Folgen des Klimawandels bereits spürbar seien. Zudem gäbe es mittlerweile Instrumente wie CO2-Preissysteme, Alternativen zu Kohlekraftwerken und Nachhaltigkeitskonzepte für Verkehr und Landwirtschaft. Joachim Curtius: „Es liegt immer noch ein weiter Weg vor uns und riesige Anstrengungen sind notwendig.“ Daher plädiert er für einen realistischen Optimismus: „Nur mit Optimismus werden wir alle die Tatkraft und den inneren Antrieb aufbringen, allen Barrieren, Sachzwängen, Gewohnheiten, Bequemlichkeiten und inneren Schweinehunden zum Trotz, schnell genug umzusteuern.“

In weiteren Beiträge der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität über ihre Forschungsprojekte rund um den Klimawandel, wie zum Beispiel die knappe Ressource Wasser bereits heute als Waffe in Konflikten eingesetzt wird, wie der Klimawandel zum dramatischen Artenschwund beiträgt oder wie Klimamodelle von Warmzeiten der Erdgeschichte präzisere Voraussagen unserer Klimazukunft erlauben. Sie gehen aber auch der Frage nach, warum es uns so schwerfällt, unsere Lebensweise zu verändern.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de

Alle Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de


Weitere Informationen
Prof. Dr. Volker Mosbrugger
Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung
Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt
vmosbrugger@senckenberg.de

Prof. Dr. Joachim Curtius
Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität Frankfurt
curtius@iau.uni-frankfurt.de

 

Dez 18 2020
13:01

​Ab dem 25. Januar bietet die Goethe-Universität mit dem MainStudy-Webportal Informationen und Beratung bei der Studienwahl.

Studienwahl in Corona-Zeiten: Unterstützung bietet MainStudy Online

FRANKFURT. Ab dem 25. Januar 2021, 13 Uhr, öffnet die Goethe-Universität in diesem Jahr digital ihre Pforten und ermöglicht über das umfangreiche MainStudy-Webportal Schülerinnen und Schülern einen Einblick in die unterschiedlichsten Studiengänge und Berufe. Videos aus den Fachbereichen, Instituten und Campus-Standorten, Online-Workshops für Schüler*innen und Eltern, Online-Vorträge sowie Telefon- und Video-Beratungen bieten auch ohne Campusbesuch Hilfe bei der Berufs- und Studienentscheidung.

Die Corona-Pandemie stellt auch die beliebte Schülerinformationsveranstaltung MainStudy vor neue Herausforderungen. Wie können Tausende von Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufen und der Fachoberschulen aus dem Rhein-Main-Gebiet, die Mitte 2021 ihr (Fach-)Abitur machen, kontaktlos und zielführend über Studiengänge, Berufsmöglichkeiten und Bewerbungsmodalitäten informiert werden? Die Auswahl an möglichen Studiengängen ist extrem umfangreich und die jungen Menschen oft mit der Entscheidung überfordert. Was hier wirklich hilft, sind Informationen und Eindrücke aus erster Hand. Deshalb bietet die Goethe-Universität am 27. und 28. Januar in Form der „MainStudy Online“, die Möglichkeit vom heimischen Computer aus, die Universität und ihre Studiengänge kennen zu lernen. Dabei erwarten die Schüler*innen Einblicke aus allen Fachbereichen und Instituten in Form von Präsentationen, Videos, Online-Vorträgen zu Berufs- und Studienmöglichkeiten und Campusführungen. Die Studienberater*innen und Expert*innen für die Fächer stehen telefonisch oder per Video-Beratung für Fragen zur Verfügung. Die Angebote der Bundesagentur für Arbeit runden die beiden Tage mit Online-Vorträgen zur Berufspraxis und übergreifenden Themen zu Entscheidungsfindung und Überbrückungsmöglichkeiten zwischen Abitur und Studium ab. Das Portal wird am 25. Januar 2020 um 13 Uhr freigeschaltet, die Inhalte sind bis zum 8. Februar abrufbar.

Online-Workshops zur Studienwahl für Schüler*innen und speziell für Eltern finden samstags, am 23. bzw. 30.01.2021 statt. Online-Vorträge und Live-Beratungen (via Zoom oder Telefon) gibt es am 27. Januar 2021 (Schwerpunkt der geistes-, gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer) und am 28. Januar 2021 (naturwissenschaftlicher Schwerpunkt), jeweils von 14:00 bis 18:00 Uhr.

Auch die Online-MainStudy ist wie gewohnt eine Kooperationsveranstaltung der Hochschulen der Region Frankfurt. Neben der Goethe-Universität sind Gastgeber die Frankfurt University of Applied Sciences, die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und die Hochschule für Gestaltung Offenbach.

Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und alle Interessierten sind herzlich eingeladen, das MainStudy-Portal zu besuchen. Eine Anmeldung ist nur für die beiden Online-Workshops am 23. und 30.01.2021 notwendig. http://www.mainstudy.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen: Marion Gröger, Studien-Service-Center, Tel.: (069) 798-17288; m.groeger@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 18 2020
12:41

Strategisch gut aufgestellt und strukturell gerüstet für künftige Herausforderungen: Eine Momentaufnahme der Goethe-Universität

Amtsübergabe im Corona-Modus

FRANKFURT. Die Goethe-Universität hat in den sechs Amtsjahren von Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff einen weiteren erfolgreichen Wachstumskurs genommen: Studierendenzahlen, Anteil weiblicher Professuren, Drittmittel, Budget, Bautätigkeit – wichtige Indikatoren haben sich deutlich verbessert. Zudem sind grundlegende strategische Weichenstellungen vollzogen worden – unter Einbeziehung von mehr Ideen aus der Goethe-Universität als jemals zuvor.
 
Die Intelligenz der ganzen Uni nutzen
 
So waren an der erfolgreichen diskursiven Erarbeitung der wichtigsten strategischen Uni-Großprojekte der letzten sechs Jahre so viele Universitätsangehörige wie niemals zuvor beteiligt, was auch zu einer breiteren internen Akzeptanz führte. Innerhalb der Universität seien mit einem breit diskutierten Hochschulentwicklungsplan, einem neuen Forschungsprofil, dem Ausbau der Transferaktivitäten mit Wirtschaft und Gesellschaft sowie dem Leitbild digitale Lehre, von dem die Goethe-Universität jetzt in der Corona Krise profitiere, entscheidende strategische Weichenstellungen vorgenommen worden. Weitere große strategische Prozesse wurden konkretisiert wie die neue Ausrichtung der Berufungsstrategie und die Strategievereinbarungen mit den Fachbereichen. Die Nachwuchsplattform GRADE sei für Promovierende und Postdocs weiterentwickelt worden, ein Dauerstellenkonzept für den Mittelbau formuliert und die Evaluation und Neu-Aufstellung wichtiger universitärer Forschungsplattformen sowie die Etablierung eines universitären Nachhaltigkeitsmanagements vorangetrieben worden. Es stiegen Zahl und Anteil mit Frauen besetzter Professuren; erste Fachbereiche erreichten eine ausgeglichene Geschlechterrelation. In mehreren Projekten reflektiert die Goethe-Universität nun mit Partnern in Stadt und Wissenschaft auch wissenschaftlich ihre Geschichte zwischen 1933 und 45 und sie betreibt Provenienzforschung in ihrer Bibliothek.
 
Mit der Professionalisierung der universitären Transfergesellschaft „Innovectis“ wurde während Wolffs Amtszeit der Grundstein gelegt für erfolgreiche Patentverwertung und Spin-offs aus der Wissenschaft (z.B. Spezialpräparat Obnitix) sowie eine leistungsfähige Struktur zur Förderung weiterer innovativer Startups – auch von Studierenden. Dazu gehört auch ein neuer Fonds für die Bereitstellung von Risikokapital. Die Mitgründung des TechQuartiers, gemeinsam mit dem Land, der Stadt und der TU Darmstadt war ein weiterer Meilenstein.
 
Neue Forschungspower
 
„Mehr Kooperation wagen“ ist auch Wolffs Credo in der Zusammenarbeit mit uni-externen Partnern. Mit dem Fritz Bauer Institut, dem Institut für Sozialforschung und dem ISOE wurden neue gemeinsame Berufungen durchgeführt, die die Beziehungen in Forschung und Lehre auf eine neue Ebene heben. Die Beziehung zum Jüdischen Museum wird nicht zuletzt durch die Honorarprofessur seiner Leiterin an der Goethe-Uni verstärkt. Mit vielen Frankfurter Partnern, insbesondere Kultureinrichtungen, bestehen gemeinsame Studiengänge und andere Projekte. Das Museum Giersch entwickelte seine Programmatik als weitere Interaktionsplattform der Universität mit der Gesellschaft. Mit der Gründung von SAFE als Leibniz-Institut entstand während ihrer Amtszeit ein weiterer Partner für wissenschaftliche Exzellenz direkt auf dem Westend-Campus, mit dem Frankfurt Cancer Institute ein neues Forschungs-Power House auf dem Campus Niederrad. Auf eine neue Basis gestellt wurde auch das Verhältnis zur Frankfurter Schwester-Hochschule Frankfurt University of Applied Sciences mit regelmäßigen gemeinsamen Präsidiumssitzungen und zur Frankfurt School of Finance and Management sowie der Deutschen Nationalbibliothek bei der Realisierung einer Campusmeilen-Konzeption. Vernetzung und bessere Abstimmungen untereinander stehen auch im Mittelpunktes der „Frankfurter Wissenschaftsrunde“ mit allen wissenschaftlich aktiven Frankfurter Einrichtungen, die seit 2017 regelmäßig tagt und mit der Stadt kommuniziert. Die Allianz der Rhein-Main-Universitäten wurde vertraglich begründet und in Lehre, Forschung und Transfer mit zahlreichen neuen Programmen und Projekten ausgebaut. Dass die Goethe-Universität ein Ort wissenschaftsgeleiteten diskursiven Diskutierens wichtiger gesellschaftlicher Fragestellungen ist, ist Birgitta Wolff ihre Amtszeit hindurch ein hohes Gut gewesen, das es zu bewahren und immer wieder neu auszuhandeln gilt.
 
Dank kluger Kooperation gewinnen alle

 
„Wenn wir uns von der Fiktion verabschieden, dass wir uns vor allem gegeneinander profilieren müssen, und stattdessen durch engere Zusammenarbeit bisher brachliegende Potenziale für Forschung, Lehre und Transfer mobilisieren, gewinnen alle – vor allem die Gesellschaft, die uns letztlich finanziert“, betont Wolff. In eben diesem Sinne arbeitete sie auch von Oktober 2018 bis September 2020 als Sprecherin der Konferenz der Hessischen Universitätspräsidien (KHU) und als Vizepräsidentin der bundesweiten Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Sie vernetzte die Uni nicht zuletzt auch durch ihre zahlreichen persönlichen Mandate und Ehrenämter in zahlreichen Einrichtungen mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
 
In die Amtszeit von Birgitta Wolff fällt auch die Verabschiedung des neuen hessischen Hochschulpakts, der während ihrer Zeit als Sprecherin der KHU gelang. In seltener Einigkeit konnten die hessischen Hochschulen dabei dem Land gegenüber entscheidende Forderungen nach höheren Budgets durchsetzen – auch ein Ergebnis einer bei allen Unterschieden auf Verständigung hin orientierten Kommunikationskultur in den verschiedenen Verhandlungsphasen. Nicht zuletzt ist es Birgitta Wolff gerade in der Coronakrise durch ein vorbildliches Krisenmanagement gelungen, die Goethe-Universität und deren Community vollumfänglich handlungsfähig zu halten – ohne vollständig auf Präsenzlehre zu verzichten.
 
Auch bei den Drittmitteln legte die Goethe-Uni weiter zu: So hat sich die Drittmittelstärke der Goethe-Universität seit 2014 nochmals um mehr als 20 Mio. Euro p.a. erhöht – auf einen Jahreswert von zuletzt über 200 Millionen €. Insbesondere auch bei der Einwerbung von EU-Mitteln sei die Goethe-Uni inzwischen auch im deutschlandweiten Vergleich sehr erfolgreich.
 
Neue Realisierungsperspektive für Unibibliothek und U4
 
Die Bauaktivitäten an den verschiedenen Uni-Standorten hätten in ihrer Amtszeit wieder stark an Fahrt aufgenommen. Während ihrer Amtszeit wurden Bauprojekte in einem Gesamtwert von mehreren Hundert Millionen Euro begonnen oder neu eingeworben. Auf dem Campus Riedberg drehen sich die Kräne an mehreren Projekten ebenso intensiv wie auf dem Campus Westend. Auch zwei wichtige Projekte studentischen Wohnens – in Ginnheim und am Riedberg – trieb sie persönlich mit dem Studentenwerk und anderen Partnern voran. Ein besonderer Coup gelang Wolff mit der Gewinnung einer neuen Perspektive für die Universitätsbibliothek auf dem Campus Westend. Dank intensiver Kommunikation profitiert die Goethe-Universität letztlich vom Verkauf des alten Polizeipräsidiums in Frankfurt mit 105 Mio. €, das Startkapital für den neuen Westend-Wissenstempel als Universitätsbibliothek der Zukunft, deren Realisierung bis 2030 gelingen soll. Auch die Planungen für die lang ersehnte Anbindung der Goethe-Universität an das Frankfurter U-Bahn-Netz konnte sie durch beharrliche Kommunikation im Schulterschluss mit dem Asta, der studentischen Interessenvertretung, voranbringen: Inzwischen herrscht in Frankfurt unter allen im Römer vertretenen Parteien Konsens, dass beim Bau der neuen Bahnstrecke U4 der Campus Westend auf jeden Fall mit angeschlossen werden muss, idealerweise sogar mit einer zentralen Campushaltestelle.
 
Wolff übergibt das Amt zum 1. Januar an ihren Nachfolger Enrico Schleiff. Zunächst wird sie sich als Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Goethe-Universität Forschungsthemen wie Digitalisierung und „New Work“ in einem Sabbatical widmen und freut sich auch wieder auf den Austausch mit Studierenden. Und vernetzt wird sie bleiben – auch im Sinne der Goethe-Universität: um ihre Mandate kann sie sich bald mit noch mehr Aufmerksamkeit widmen.
 
Text: Dr. Olaf Kaltenborn

 

Dez 18 2020
10:43

Die Witwe des Musikkritikers Hans-Klaus Jungheinrich übergibt seinen Nachlass an Unibibliothek

50 Jahre Musikleben in Deutschland 

FRANKFURT. Die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main erhielt als Schenkung der Familie den Nachlass des Musikjournalisten, Musikschriftstellers und Musikers Hans-Klaus Jungheinrich (1938-2018). Hans-Klaus Jungheinrich war von 1967 bis zu seinem Lebensende einer der renommiertesten Musikkritiker und Musikschriftsteller im deutschsprachigen Raum. Jahrzehnte lang im Feuilleton der Frankfurter Rundschau erhielt er für seine Verdienste 2011 die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main.

Seine Rezensionen spiegeln 50 Jahre Musikleben im deutschsprachigen Raum wider: Konzerte in Frankfurt und weiterer Umgebung, größere und kleinere Operninszenierungen deutschlandweit, Festivals wie Bayreuth. Einen Schwerpunkt bildet auch die Oper Frankfurt. Der Nachlass umfasst 36 Ordner mit Rezensionen und Manuskripten, sowie Korrespondenzen mit Komponisten, Dirigenten und Musikschriftstellern, darunter einen sich über 25 Jahre erstreckenden Briefwechsel mit dem befreundeten Komponisten Hans-Werner Henze. Die Universitätsbibliothek wird den Nachlass archivieren, aufarbeiten und der Forschung zur Verfügung stellen. Die Nutzung ist nach Voranmeldung und unter Berücksichtigung von Schutzfristen im Lesesaal Spezialsammlungen der UB möglich.

Weitere Informationen: Dr. Ann Kersting-Meuleman, Sammlung Musik und Theater, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Bockenheimer Landstraße 134-138, 60325 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798 39245, E-Mail: a.b.kersting-meuleman@ub.uni-frankfurt.de  

Kontakt für Pressefragen allgemein: Bernhard Wirth, Stabsstelle Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit der Bibliothek, Tel. (069) 798 39223; Mail: pr-team@ub.uni-frankfurt.de  

 

Dez 18 2020
09:37

Online-Veranstaltung an der Goethe-Universität zu Karoline von Günderrode eröffnet Workshop-Reihe zu Autorinnen in der Romantik

Noch Zukunft haben

FRANKFURT. Ihre Gedichte, Prosa- und Dramentexte wurden nicht nur in romantischen Zirkeln zur Kontroverse: Bewunderung und Verachtung, Lobpreis und Unverständnis waren die Reaktionen auf Karoline Günderrodes Werk, das bis heute polarisiert. Erinnert wird die Autorin, die jahrelang in Frankfurt lebte, allerdings vornehmlich als unglücklich Verliebte, die sich in Winkel im Rheingau erdolchte. Zwar galt Karoline von Günderrode schon im 19. Jahrhunderts als „Sappho der Romantik“, doch ihre Schriften sind im Buchhandel heute meistens vergriffen.

Die Literaturwissenschaftlerinnen Prof. Dr. Frederike Middelhoff und PD Dr. Martina Wernli nehmen dies zum Anlass, Karoline von Günderrodes Werk in einem zweitägigen Workshop wieder zu lesen und neu zu reflektieren:

Noch Zukunft haben. Das Werk Karoline von Günderrodes (1780-1806)
neu gelesen 
am 14. und 15. Januar 2021
Online-Veranstaltung (Beginn jeweils 9.30 Uhr).

In der Veranstaltung geht es unter anderem um Elemente des Romantischen in Günderrodes Werk, das Schreiben unter Pseudonym, über Theorien des Fragments, die Deutung ihrer mythologisch orientierten Texte und ihre Orient-Faszination. Die teilnehmenden Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler sind außer an der Goethe-Universität an den Universitäten Hamburg, Frankfurt an der Oder, Oxford, Hyderabad und Halle-Wittenberg tätig.

Die Günderrode-Veranstaltung bildet den Auftakt zu einer Reihe von Autorinnen-Workshops, die unter dem Namen Kalathiskos. DieAutorinnen der Romantik zwei Mal jährlich an der Goethe-Universität Frankfurt stattfinden sollen. Mit ihrem Titel nimmt die Workshop-Serie den antiken Korb – kalathiskos – als Sammelbehälter in seiner wörtlichen und sinnbildlichen Bedeutung auf und erinnert gleichzeitig an Sophie Mereau gleichnamiges Zeitschriftenprojekt von 1801 und 1802. Die Reihe wird ebenfalls von Frederike Middelhoff und Martina Wernli konzipiert und organisiert.

Für September 2021 ist anlässlich des 250. Geburtstags von Rahel Levin Varnhagen der zweite Workshop vorgesehen. Weitere Veranstaltungen zu Autorinnen wie Veit/Schlegel, Caroline Schlegel/Schelling, Bettine von Arnim, Helmine von Chézy und Sophie Tieck-Knorring sind in Planung.

Anmeldung und Zoom-Link per Mail:
middelhoff@em.uni-frankfurt.de und wernli@lingua.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen zum Programm:
http://www.uni-frankfurt.de/Middelhoff

Kontakt
Prof. Dr. Frederike Middelhoff
Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik
Goethe-Universität
middelhoff@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 17 2020
20:00

​Ernennung des neuen Präsidenten und symbolische Amtsübergabe von Professorin Birgitta Wolff an Professor Enrico Schleiff

Stabwechsel an der Goethe-Universität

FRANKFURT. Die symbolische Übergabe der Präsidentschaft der Goethe-Universität von Professorin Dr. Birgitta Wolff an Professor Dr. Enrico Schleiff erfolgte heute bei einer medienöffentlichen Online-Veranstaltung der Universität. Schleiff war am 8. Juli 2020 zum neuen Präsidenten gewählt worden. Am 1. Januar 2021 tritt der gewählte Präsident sein Amt offiziell an. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Universitätspräsidentin Birgitta Wolff hat das Amt seit Anfang 2015 inne und wechselt zum Jahresbeginn 2021 auf eine Professur für Betriebswirtschaft. Aufgrund der verschärften Corona-Lage konnte die Veranstaltung nur im kleinsten Kreis stattfinden und wurde per Livestream übertragen.

Der Vorsitzende des Hochschulrates, Prof. Dr. Matthias Kleiner, der die Ernennung vollzog, erklärte: „Birgitta Wolff hat in den sechs Jahren ihrer Präsidentinnenschaft Hervorragendes geleistet. Ihre Amtszeit hat in all ihren Facetten der Goethe-Universität sehr gutgetan und ich freue mich und bin von Herzen dankbar, dass ich dabei die Präsidentin und ihr Präsidium als Hochschulratsvorsitzender begleiten durfte. Mit Enrico Schleif ist in einem nicht ganz einfachen, aber erfolgreichen Wahlverfahren ein ausgezeichneter Nachfolger bestimmt worden, dem ich für seine Amtszeit sehr herzlich alles Gute wünsche: viele Ideen und Argumente, viel Mut und Energie, viel Bewegung und Spielraum, viel Glück und Erfolg! Der Hochschulrat wird Enrico Schleiff ein guter Partner sein.“

Die Wissenschaftsministerin des Landes Hessen, Angela Dorn, sagte anlässlich der Amtsübergabe: „Die Goethe-Universität hat unter der Präsidentschaft von Frau Professorin Wolff in den vergangenen beiden Semestern eine große Kraftanstrengung unternommen, um in der Coronapandemie ein weitgehend digitales Studium zu ermöglichen. Dieses herausragende Engagement beschließt eine Präsidentschaft, in der sie sich mit all ihrer Kraft und ihrem Wissen für die Goethe-Universität eingesetzt hat: Mit dem Begriff ,Third Mission' wird mittlerweile bundesweit ihr Name verbunden, denn von Beginn an setze sie auf Transfer und war Gründungsmitglied der Agentur für Sprunginnovation. Nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Exzellenzstrategie hat sie schnell die Ärmel wieder hochgekrempelt, die Goethe Universität einem selbstkritischen Analyseprozess unterzogen und einen Reform- und Professionalisierungskurs vorangebracht. Prof. Dr. Wolff hinterlässt eine Universität mit zukunftsfesten Strukturen und starken Entwicklungsperspektiven. Für diesen Einsatz danke ich ihr von Herzen. Ich bin mir sicher, dass Prof. Dr. Schleiff mit seiner vielschichtigen Erfahrung auf diesem Fundament gut aufbauen kann. Ich wünsche ihm viel Erfolg bei seiner neuen Aufgabe und Prof. Dr. Wolff auf ihrem weiteren Werdegang alles Gute.“

Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Peter Feldmann, betonte: „Im Juli 2014, sind Sie, liebe Frau Professor Wolff, als erste Frau zur Präsidentin dieser Universität gewählt worden. Der große Hilmar Hoffmann sprach von einem Signal der Erneuerungskraft – zu Recht, wie wir heute wissen. Sie haben die Goethe-Universität in die Stadt getragen, zu den Bürgerinnen und Bürgern. Sie haben Sie geöffnet, zu einem Ort der Debatte gemacht. Ausdruck und Ergebnis Ihres Engagements ist die für unsere Bevölkerung erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Bürger-Uni“. Das passt zu Frankfurt als Geburtsort der deutschen Demokratie. Ich bitte Sie: Bleiben Sie uns, bleiben Sie Frankfurt erhalten. Auch Ihre Wahl, lieber Professor Schleiff, ist eine Weichenstellung. Sie wollen das Profil der Uni schärfen, durch Gründung einer Forschungsallianz und durch eine stärkere Internationalisierung. Vielfalt macht stark – dafür ist unsere internationale Stadt der Beweis. Als Hochschule dieser Stadt noch internationaler, noch vielfältiger werden zu wollen, ist aus meiner Sicht genau der richtige Ansatz. Ich freue mich darauf, mehr zu erfahren und mit Ihnen über Ihre Pläne zu diskutieren.“

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Dr. Birgitta Wolff, sagte: „Sechs Jahre durfte ich als Präsidentin der Goethe-Universität dienen und sie mitgestalten. Umgekehrt haben mir die Goethe-Universität und die vielen großartigen Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte und was ich hier in dieser Zeit lernen durfte, unendlich viel gegeben. Viele dieser inspirierenden Kontakte werden – da bin ich mir sicher – auch über meine Amtszeit hinaus weiterbestehen. Ich übergebe Enrico Schleiff eine Goethe-Universität, die auf wichtigen Feldern ihrer internen Governance und Kooperationskultur große Fortschritte gemacht hat. Die Goethe-Universität ist heute mehr denn je eine Hochschule, die gelernt hat, dass sie ihre Stärken in kooperativen Netzwerken – sei es auf regionaler, sei es auf nationaler, sei es auf internationaler Ebene – viel besser entfalten kann, als ohne diese. An der Neuausrichtung der Strukturen haben wir die letzten drei Jahre hart gearbeitet. Ich wünsche Enrico Schleiff eine glückliche Hand bei der Weiterentwicklung unserer wundervollen Goethe-Universität.

Der gewählte Präsident der Goethe-Universität, Prof. Dr. Enrico Schleiff, erklärte: „Ich freue mich sehr auf die Aufgabe, als Präsident gemeinsam mit den Kolleg*innen unsere Goethe-Universität weiter zu entwickeln. Die Wahl war ein großer Vertrauensbeweis und Vertrauensvorschuss der Goethe-Community. Gleichzeitig habe ich das Votum des Erweiterten Senats als besonderen Auftrag an mich verstanden, den Zusammenhalt innerhalb der Goethe-Universität zu stärken. Die ersten Wochen und Monate im Amt werde ich daher auch dafür nutzen, um auf verschiedene Personen und Gruppierungen innerhalb und außerhalb der Goethe-Universität persönlich zuzugehen. Ich bin überzeugt, dass uns als Mitglieder der Goethe-Community alle der Anspruch eint, mit der Goethe-Universität in einer sich drastisch verändernden Welt durch richtungsweisende Forschung und Lehre einen Beitrag zur Entwicklung und Gestaltung der Gesellschaft zu leisten – jede und jeder an ihrer und seiner Stelle. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass wir die dafür nötigen Freiräume in Forschung, Lehre und Third Mission weiter entfalten. Ich danke Gitta Wolff für ihren enormen Einsatz und die wegweisenden Impulse, die sie in der Weiterentwicklung der Goethe-Uni gesetzt hat.“