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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Jun 10 2020
15:30

​Frankfurter Forscher projizieren mithilfe ökologischer Modelle die Verbreitungsgebiete der Überträger der Chagas-Krankheit

Chagas-Wanzen finden auch in Europa geeignete klimatische Bedingungen

FRANKFURT. Mit der Chagas-Krankheit kann man sich eigentlich nur in Lateinamerika infizieren, denn die Wanzenarten, die die Krankheit übertragen, kommen nur dort vor. Wissenschaftler der Goethe-Universität und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung haben jetzt anhand ökologischer Modellrechnungen getestet, inwieweit sich Habitate auch außerhalb Amerikas für die Wanzen eignen. Das Ergebnis: Für zwei Chagas-Wanzenarten herrschen auch im südlichen Europa günstige klimatische Lebensbedingungen, für eine weitere entlang der Küsten Afrikas und Südostasiens. Die Frankfurter Wissenschaftler fordern daher ein aufmerksames Beobachten der aktuellen Verbreitung der Chagas-Wanzen. (eLife DOI: 10.7554/eLife.52072)

Meist verläuft die akute Phase der Tropenkrankheit Chagas (Amerikanische Trypanosomiasis) unauffällig: Nur in jedem dritten Fall verursachen die infizierenden Parasiten (Trypanosoma cruzi) überhaupt Symptome, die dann auch noch unspezifisch sein können, wie Fieber, Nesselsucht und geschwollene Lymphknoten. Doch die Parasiten bleiben im Körper, und mehrere Jahre später kann die chronische Chagas-Krankheit lebensbedrohlich werden, mit einer krankhaften Vergrößerung des Herzens und einer fortschreitenden Lähmung des Magen-Darm-Trakts. Eine Impfung gegen die Chagas-Krankheit gibt es nicht. Weltweit sind nach Schätzungen der WHO etwa 6 bis 7 Millionen Menschen infiziert, wobei der Großteil in Lateinamerika lebt (ca. 4,6 Millionen), gefolgt von den USA mit über 300.000 und Europa mit ca. 80.000 infizierten Menschen.

Die Chagas-Parasiten werden durch Blut saugende Raubwanzen übertragen, die den Erreger mit dem Blut aufnehmen. Nach einer Entwicklungszeit im Darm der Raubwanzen werden die Parasiten mit dem Kot ausgeschieden. Durch den starken Juckreiz, den der Stich der Wanzen auslöst, wird der hochinfektiöse Kot versehentlich in die Wunde gerieben. Auch eine Übertragung durch orale Aufnahme von mit Raubwanzenkot kontaminiertem Essen ist möglich.

Forscher um die Frankfurter Parasitologen und Infektionsbiologen Fanny Eberhard und Prof. Dr. Sven Klimpel haben in Modellrechnungen untersucht, welche klimatischen Bedingungen auf der Welt günstig für lateinamerikanische Chagas-Wanzen sind. Dabei flossen insbesondere Temperatur und Niederschlagsmuster in die Berechnung der klimatischen Eignung eines Gebiets ein. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass heute neben Lateinamerika auch Zentralafrika und Südostasien geeignete Lebensbedingungen für Chagas-Wanzen bieten. Zwei der Chagas-Wanzenarten, Triatoma sordida und Triatoma infestans, finden mittlerweile in klimatisch gemäßigten Regionen im südlichen Europa gute Lebensumstände, wie zum Beispiel in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien. Beide Wanzenarten übertragen in Lateinamerika sehr häufig die gefährlichen Parasiten und sind dort innerhalb oder in der Nähe von Häusern und Ställen zu finden, wo sie ihre nächtlichen Blutmahlzeiten bevorzugt von Hunden, Hühnern oder Menschen einnehmen.

Eine andere Chagas-Wanzenart, Triatoma rubrofasciata, ist bereits außerhalb Lateinamerikas nachgewiesen worden. Die Modellrechnungen der Frankfurter Wissenschaftler sehen geeignete Lebensbedingungen an weiten Teilen der afrikanischen und südostasiatischen Küsten.

Prof. Dr. Sven Kimpel erklärt: „Es leben in Europa zwar Menschen, die in Lateinamerika mit Chagas infiziert wurden und unwissentlich Träger von Trypanosoma cruzi sind. Auf andere Menschen übertragen werden kann der Parasit jedoch derzeit nur zum Beispiel über ungetestete Blutkonserven oder von einer Mutter auf ihr ungeborenes Kind. Ansonsten benötigt Trypanosoma cruzi Chagas-Wanzen als Zwischenwirt. Und diese Wanzen finden zunehmend günstige klimatische Bedingungen auch außerhalb Lateinamerikas. Ausgehend von unseren Daten wären daher Monitoring-Programme für die Verbreitung der Chagas-Wanzen denkbar. Ebenso könnte eine Meldepflicht für die Chagas-Krankheit hilfreich sein.“


Publikation: Fanny E. Eberhard, Sarah Cunze, Judith Kochmann, Sven Klimpel. Modelling the climatic suitability of Chagas disease vectors on a global scale. eLife 2020;9:e52072 doi: 10.7554/eLife.52072, https://elifesciences.org/articles/52072


Bilder zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/88953890


Bildtext: Chagas Wanze Triatoma infestans. Foto: Dorian D. Dörge für Goethe-Universität Frankfurt
 

Informationen:
Prof. Dr. Sven Klimpel
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, Goethe-Universität
& Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. +49 (0)69 798 42237
E-Mail: Klimpel@bio.uni-frankfurt.de
https://www.bio.uni-frankfurt.de/43925886/Abt__Klimpel
http://www.bik-f.de/root/index.php?page_id=1224

 

Jun 10 2020
14:10

​Der Physiker Thomas Lippert aus Jülich wird Angewandtes Quantencomputing in Frankfurt etablieren

Experte für Supercomputing an Goethe-Universität berufen

FRANKFURT. Der Supercomputer-Forscher Prof. Thomas Lippert kommt an die Goethe-Universität Frankfurt. Ab dem 1. August 2020 wird der Physiker und Informatiker die neu geschaffene Professur für „Modulares Supercomputing und Quanten-Computing“ am Institut für Informatik der Goethe-Universität Frankfurt besetzen. Mit seiner Hilfe soll das Center for Scientific Computing (CSC) an der Goethe-Universität zu einem nationalen Hochleistungsrechenzentrum unter Einschluss eines Quantencomputers als Rechnermodul weiterentwickelt werden. Gleichzeitig mit seiner Berufung wird Prof. Lippert als Senior Fellow in den Frankfurter Think Tank Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) aufgenommen.

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Birgitta Wolff, sagte: „Mit Thomas Lippert ist es uns gelungen, einen der weltweit renommiertesten Wissenschaftler im Bereich Supercomputing für die Goethe-Universität zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass er in Forschung und Lehre an der Goethe-Universität bahnbrechende Impulse setzen wird. Zudem wird er als Direktor des Jülich Supercomputing Centre (JSC) unsere strategische Allianz mit dem Forschungszentrum Jülich im Bereich des Höchstleistungsrechnens weiter ausbauen.“

Prof. Enrico Schleiff, Vorstandsvorsitzender des FIAS, meinte: „Thomas Lipperts Forschungsinteressen an der Entwicklung, dem Bau und dem Einsatz von Hochleistungs-Rechentechnologien haben ihn in weitere hoch aktuelle Forschungsfelder geführt. So managt er eine der tragenden Säulen im europäischen Human Brain Project zur Erforschung des menschlichen Gehirns. Im FIAS engagiert er sich bereits jetzt in einem Projekt zur Simulation der SARS-CoV-2-Pandemie. Wir freuen uns auf einen ungeheuer versierten und vielseitig interessierten Kollegen, der seine Zusammenarbeiten im FIAS bereits begonnen hat.“

Prof. Thomas Lippert sagte: „Ich freue mich sehr auf meine neue Funktion an der Goethe-Universität. Ich werde zwei Arbeitsgruppen am Institut für Informatik und am FIAS einrichten, um die Entwicklung wie auch den praktischen Einsatz von Modularen Supercomputern und Quantencomputern zu erforschen. Die Alleinstellungsmerkmale des geplanten nationalen Hochleistungsrechenzentrums am CSC sollen drei Dinge sein: erstens Energieeffizienz, hier hat die Goethe-Universität eine international sichtbare Vorreiterrolle, zweitens höchste Skalierbarkeit durch Modularität und drittens Anwendungen künstlicher Intelligenz, die sich auf High-Performance-Computing stützen. Diese Kombination ist an einer deutschen Universität einzigartig.“

Thomas Lippert erhielt 1987 an der Universität Würzburg sein Diplom in Physik auf dem Feld der Supersymmetrie und promovierte 1993 in Wuppertal über Gitter-Eichtheorien, einem der komplexesten Felder der Theoretischen Physik. Seine zweite Promotion erhielt er an der Universität Groningen im Bereich Informatik. 2001 habilitierte er sich zu Simulationen der Quantenchromodynamik in Wuppertal. Seit 2004 ist er Professor für Computational Theoretical Physics an der Bergischen Universität Wuppertal, Direktor des Jülich Supercomputing Centre (JSC) des Forschungszentrums Jülich und Mitglied und Executive Director im Direktorium des John-von-Neunmann Institute for Computing (NIC). Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert hat zahlreiche große Forschungsinfrastrukturen federführend mit aufgebaut und ist darin tätig, unter anderem das JSC, das John von Neumann-Institut für Computing der Helmholtz-Gemeinschaft, die Partnership for Advanced Computing in Europe (PRACE), das europäische Entwicklungsprojekt für Superrechner DEEP und das Jülicher LOFAR-Daten- und Compute-Center im Rahmen des europäischen Radioastronomie-Großprojekts LOFAR.


Bild zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/89054917

Bildtext: Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert. Bild: Forschungszentrum Jülich

 

Jun 10 2020
09:56

​Goethe-Universität, Frankfurt University of Applied Sciences und Leibniz-Institut SAFE nutzen gemeinsames Büro in Brüssel für europäische Netzwerkarbeit.

Frankfurter Wissenschaftsinstitutionen mit Repräsentanz im Herzen Europas

FRANKFURT. Mitten im Europaviertel in unmittelbarer Nähe zur Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament liegt das Büro, das seit Anfang des Jahres drei Partnern als Repräsentanz dient: Goethe-Universität, Frankfurt University of Applied Sciences und das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE („Sustainable Architecture for Finance in Europe“) nutzen die Räumlichkeiten in der Hessischen Landesvertretung Brüssel, um vor Ort Kontakte in die europäischen Organisationen und die Netzwerke in Politik, Wirtschaft und europäischer Zivilgesellschaft zu knüpfen. Das Büro wurde bereits seit 2013 von SAFE, damals gefördert durch das hessische Forschungsförderungsprogramm LOEWE, als Interessenvertretung und Basis für Veranstaltungen in der Landesvertretung genutzt. Ein weiteres Büro, später dann das gemeinschaftlich mit SAFE genutzte Büro, diente außerdem der Goethe-Universität als Interessenvertretung der Universität und als Serviceeinrichtung für ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch für das Universitätsmanagement und ihre Kooperationspartner.

Prof. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität, freut sich: „Schön, dass wir jetzt auch in Brüssel unsere Kräfte als drei Frankfurter Wissenschaftseinrichtungen bündeln können. Was uns in Frankfurt vor Ort immer besser gelingt, wollen wir auch in Brüssel gemeinsam intensivieren: Netzwerken und gemeinsam Projekte vorantreiben.“

Prof. Rolf van Dick, Vizepräsident der Goethe-Universität für Internationalisierung, betont: „Besonders auf der europäischen politischen Bühne ist es essentiell, dass man Entwicklungen rechtzeitig erkennt. Eine Repräsentanz vor Ort ist dabei einerseits Wegweiser und Interessenvertreter in Brüssel für die eignen regionalen Angelegenheiten und Aufgaben und auf der anderen Seite Vermittler und Informationsgeber aus Brüssel in den Wissenschaftsstandort Frankfurt.“

Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), äußert sich begeistert: „Das Thema Europa ist für uns als Frankfurter Hochschule für Angewandte Wissenschaften zentral, da es der Garant für unsere Demokratie ist. Wir haben mit dem Center for Applied European Studies seinerzeit direkt klare Position zu Europa bezogen. Auch buchstabieren wir derzeit mit dem europäischen Hochschulnetzwerk U!REKA Studieren und Forschen neu aus. Es ist nur folgerichtig, dass wir jetzt auch in Brüssel präsent sind und Flagge zeigen.“

Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE, erklärt: „Als Frankfurter Wissenschaftseinrichtung mit europäischem Forschungsprogramm pflegt SAFE bereits seit geraumer Zeit den Austausch mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in Brüssel über zentrale Forschungsthemen zur Banken- und Kapitalmarktentwicklung. Wir freuen uns jetzt darauf, diesen Austausch zusammen mit den Partnerinstitutionen wirkungsvoll zu vertiefen, um damit nach besten Möglichkeiten zu einer umsichtigen Gestaltung der europäischen Geld- und Finanzmarktpolitik beizutragen."

 

FRANKFURT. Die Website www.welt-im-bildnis.museum-giersch.de bündelt die neuen digitalen Angebote des Museum Giersch der Goethe-Universität rund um die aktuelle Sonderausstellung „Die Welt im BILDnis. Porträts, Sammler und Sammlungen in Frankfurt von der Renaissance bis zur Aufklärung“ (verlängert bis 13. September 2020).

Highlight ist ein 3D-Rundgang, der ein virtuelles Erleben aller 13 Räume dieser Sonderausstellung bietet. Durch 40 integrierte Infopoints erschließen sich die Themen der einzelnen Ausstellungsräume und wird eine repräsentative Auswahl wichtiger Exponate der Ausstellung mit Abbildungen und Texten ausführlich vorgestellt. Hierzu gehören etwa das Doppelbildnis des Justinian von Holzhausen und seiner Frau Anna von Conrad Faber von Kreuznach, eines der Hauptwerke des deutschen Renaissanceporträts, ein Kunstbuch mit Druckgrafiken und Zeichnungen als seltenes Zeugnis früher bürgerlicher Sammelkultur oder das Porträt von Johann Christian Senckenbergs stark übergewichtigem Kater.  

In einer Bildergalerie lässt sich diese Objektauswahl mit Abbildungen und Texten ebenfalls digital erleben.

In einem Kurzfilm führt der Kurator Prof. Dr. Jochen Sander, Inhaber der Städel-Kooperationsprofessur am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität, in die Ausstellung ein und erläutert die faszinierenden Perspektiven, die sie auf das neuzeitliche Porträt und seinen sozialen Gebrauch vermittelt.

Die ursprünglich live für die Ausstellungseröffnung geplante musikalische Umrahmung durch den Cellisten Arthur Cambreling mit Bachs Suite für Violoncello Nr. 2 d-Moll ist über den YouTube-Kanal des Museums mit auf der Website eingebunden.

„Wir freuen uns, mit den digitalen Vermittlungsangeboten eine Ergänzung und einen Anreiz zum Museumsbesuch bieten zu können“, sagt Dr. Birgit Sander, Direktorin des Museum Giersch der Goethe-Universität. „Außerdem tragen wir mit der digitalen Aufbereitung von Inhalten einem zeitgemäßen Informationsbedürfnis unser Besucherinnen und Besuchern Rechnung.“

Wer mehr über das aktuelle Angebot des Museums erfahren möchte, kann sich auf der Website für einen Newsletter anmelden. Die Ausstellung im Museum ist aktuell von Dienstag bis Sonntag, jeweils von 10 bis18 Uhr geöffnet. Ein Besuch ist ohne Voranmeldung bei Wahrung der üblichen Hygiene- und Schutzmaßnahmen möglich. Der Katalog kann an der Museumskasse oder über die Museumshomepage bestellt werden.

Pressematerialien zum Download: https://museum-giersch.de/#/Presse

Informationen: Christine Karmann, Kommunikation und Marketing Museum Giersch der Goethe-Universität, Tel: 069/138210121, E-Mail: presse@museum-giersch.de

Adresse: Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main

 

Jun 9 2020
13:11

Die Bundesregierung setzt auf Dialog: „Innovation aus der Mitte der Gesellschaft“. Patin des Regionaldialogs im Raum Frankfurt ist Prof. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität.

Digitaler Auftakt des Beteiligungsprozesses der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Hightech-Strategie 2025 zum Thema „Flexible Wissenschaftskarrieren“

FRANKFURT. Die Hightech-Strategie (HTS) 2025 ist die aktuelle Forschungs- und Innovationsstrategie der Bundesregierung. Sie legt mit ihren drei Handlungsfeldern – gesellschaftliche Herausforderungen, Zukunftskompetenzen, offene Innovations- und Wagniskultur – den Fokus auf die für die Menschen relevanten Themen und bildet das strategische Dach der Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung. Mit der Weiterentwicklung der HTS sollen die Innovationsdynamik in Deutschland erhöht und neue Lösungsansätze für die drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen entwickelt und umgesetzt werden. Der erste Regionaldialog zum Thema „Flexible Wissenschaftskarrieren“ findet im Raum Frankfurt am Main statt.

Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität Frankfurt und Patin des Regionaldialogs, sagt: „Innovationen entstehen letztlich in kreativen Köpfen, die eine Vielfalt von Expertise und Erfahrungen miteinander verbinden. Deshalb sollten Fachleute auch mal zwischen den Sphären Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wechseln. So können wir Ideen und Potentiale auch für nicht-technische oder soziale Innovationen systematisch sphärenübergreifend entwickeln und nutzen. Als Patin ist es mir ein Anliegen, gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungsansätze für eine inhaltlich flexiblere, zugleich aber in der Perspektive verlässlichere Karriereplanung zukünftiger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu gestalten und Denkbarrieren zu überwinden.“

Der erste Regionaldialog der Hightech-Strategie wird ebenfalls unterstützt von der Frankfurt University of Applied Sciences, der Bundesagentur für Arbeit Frankfurt und Regionaldirektion Hessen, der Industrie- und Handelskammer Frankfurt und dem House of Pharma & Healthcare.

Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Präsident der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS): „Wissenschaft und Wirtschaft schließen sich nicht aus, die Frankfurt University of Applied Sciences ist schon jetzt bei Forschungsprojekten und in der akademischen Ausbildung eng mit Unternehmen und Organisationen in der Region und im Ausland verzahnt", bekräftigt Dievernich. „Aus der Praxis kommen wichtige Impulse für unsere Hochschule, und wir können jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein attraktives, internationales Netzwerk bieten. Auch für Praktiker/-innen mit wissenschaftlichem respektive Forschungsbezug und Forschungsinteresse und deren Unternehmen können wir attraktive Karriereoptionen entwickeln. Und dennoch wäre noch mehr Durchlässigkeit zwischen den Welten wünschenswert. Darum ist es mir ein großes Anliegen, als Kooperationspartner beim Regionaldialog Flexible Wissenschaftskarrieren mitwirken zu können.“

„Frankfurt am Main ist mit seinen zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen nicht nur ein wirtschaftlich starker, sondern auch ein sehr wissenschaftlich ausgerichteter Standort“, betont Stephanie Krömer, Leiterin der Agentur für Arbeit Frankfurt am Main. „Die Dynamik innerhalb des Berufslebens ist groß und wird sich besonders vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung noch weiter erhöhen. Bei Berufswegen in der Wirtschaft und in der Wissenschaft sollte es deshalb kein entweder/oder geben. Hier für Berufskarrieren mehr Durchlässigkeit zu schaffen, bedeutet einen Mehrwert für alle beteiligten Partner und somit auch einen Vorteil für den Arbeitsmarkt.“

„Wichtig für Hessen ist, dass alle Regionen, die Städte genauso wie die ländlichen Gegenden, zukunfts- und wettbewerbsfähige Lebens- und Wirtschaftsräume sind und bleiben“, ergänzt Petra Kern, Leiterin des Bereichs Arbeitsmarkt und Netzwerke der Regionaldirektion Hessen. „Aus meiner Sicht leistet der Regionaldialog einen wichtigen Beitrag, um gemeinsam Innovationpotentiale für Karriereplanung und Karriereentwicklung herauszuarbeiten. Hieraus können perspektivisch sicher auch kreative Geschäftsideen entstehen, die die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Hessens weiter positiv beeinflussen.“

Ulrich Caspar, Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main, sagt zur Bedeutung dieser Strategie für die Wirtschaft: „Attraktive berufliche Perspektiven für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wichtig, um das vorhandene Innovations- und Wissenspotenzial zwischen Wissenschaft und anderen Sektoren besser zu erschließen.“

„Innovationen durch interdisziplinäre Vernetzung zu beschleunigen, ist seit jeher ein Hauptanliegen des House of Pharma & Healthcare“, betont dessen Präsident Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt. „Flexible Karrieren verkörpern diese Interdisziplinarität individuell in hervorragender Weise. Sie nach Kräften zu fördern, liegt uns am Herzen.“

Der aktuelle Beteiligungsprozess bildet einen Pilotprozess, um die Hightech-Strategie 2025 gemeinsam mit der Gesellschaft weiterzuentwickeln. Zentraler Bestandteil dieses umfassenden Prozesses sind die sogenannten Regionaldialoge. Von Juni bis August 2020 finden bundesweit sieben Akteurskonferenzen von Karlsruhe über die Lausitz bis Bremerhaven statt – digital als auch vor Ort. Diese werden parallel von Online-Diskussionen begleitet. Im gemeinsamen Austausch sollen Praxiswissen diskutiert, blinde Flecken aufgedeckt, neue Perspektiven entdeckt und die Verzahnung aller Innovationsbereiche und -ebenen in Deutschland verbessert werden.

Attraktive berufliche Perspektiven für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wichtig, um das vorhandene Innovations- und Wissenspotenzial zwischen Wissenschaft und anderen Sektoren besser zu erschließen. Im Rahmen einer zweiteiligen Akteurskonferenz am 18. und 25. Juni 2020 im Raum Frankfurt kommen rund 30 Beteiligte aus Wissenschaft, Wirtschaft, Nonprofit- und öffentlichem Sektor zusammen, um innovative Lösungsansätze für die Förderung von flexiblen Wissenschaftskarrieren zu entwickeln.

Online-Diskussion auf www.mitmachen-hts.de: Bürgerinnen und Bürger im Raum Frankfurt sind dazu eingeladen an der Online-Diskussion teilzunehmen. Ihre Beiträge bilden eine wertvolle Grundlage für die Akteurskonferenz, in dem sie unmittelbar in diese einfließen. Die Online-Diskussion stellt sich die Frage, wie eine flexible Gestaltung von Wissenschaftskarrieren zwischen Universität/Hochschule, Wirtschaft/Industrie, Nonprofit-Sektor und dem öffentlichen Sektor gefördert werden kann. Vom 4. Juni bis zum 24. Juni hat die regionale Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich zu diesem Thema auf der Online-Plattform (www.mitmachen-hts.de) auszutauschen. Neben der Akteurskonferenz fließen die Ergebnisse zu dem in den gesamten Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung der Hightech-Strategie 2025 mit ein.

Rückfragen an: info@mitmachen-hts.de

 

Jun 9 2020
12:17

​Neue Experimentiertechnik mit Reaktionsmikroskop der Goethe-Universität ermöglicht das „Röntgen“ einzelner Moleküle

Momentaufnahmen von explodierendem Sauerstoff

FRANKFURT. Seit mehr als 100 Jahren nutzen Menschen Röntgenstrahlen, um ins Innere der Materie zu schauen. Dabei dringen sie zu immer kleineren Strukturen vor – vom Kristall bis zum Nanopartikel. Jetzt ist Physikern der Goethe-Universität im Rahmen einer großen internationalen Kollaboration am Röntgenlaser European XFEL in Schenefeld bei Hamburg ein qualitativer Sprung gelungen: Mit einer neuen Experimentiertechnik können sie erstmals auch einzelne Moleküle wie Sauerstoff „röntgen“ und sich ihre Bewegung im Mikrokosmos anschauen.

„Je kleiner das Teilchen, desto größer der Hammer.“ Diese Regel aus der Teilchenphysik, die mit riesigen Beschleunigern ins Innere der Atomkerne schaut, gilt auch für diese Forschungsarbeit. Um ein zweiatomiges Molekül wie den Sauerstoff „röntgen“ zu können, braucht man extrem starke und ultrakurze Röntgenpulse. Solche liefert der 2017 in Betrieb gegangene European XFEL, eine der stärksten Röntgenquellen der Welt.

Um einzelne Moleküle zu belichten braucht man außerdem eine neue Röntgentechnik: Mithilfe der extrem starken Laserpulse raubt man dem Molekül innerhalb kürzester Zeit zwei fest gebundene Elektronen. Dadurch entstehen zwei positiv geladene Ionen, die aufgrund der elektrischen Abstoßung explosionsartig auseinanderfliegen. Gleichzeitig macht man sich zunutze, dass Elektronen sich auch wie Wellen verhalten. „Man kann sich das wie bei einem Echolot vorstellen“, erklärt Projektleiter Prof. Till Jahnke vom Institut für Kernphysik. „Die Elektronen-Welle wird während der Explosion am Molekülgerüst gebrochen. Wir haben das entstehende Brechungsmuster aufgenommen. So konnten wir das Molekül quasi von innen durchleuchten und ihm in mehreren Schritten beim Aufbruch zuschauen.“

Für diese als "Electron-Diffraction-Imaging" bezeichnete Technik haben die Physiker am Institut für Kernphysik über mehrere Jahre die dort erdachte COLTRIMS-Technik (die oftmals auch als „Reaktionsmikroskop“ bezeichnet wird) weiterentwickelt. Unter Leitung von Dr. Markus Schöffler wurde eine entsprechende Apparatur im Vorfeld für die Anforderungen am European XFEL angepasst und im Rahmen einer Doktorarbeit von Gregor Kastirke entworfen und verwirklicht. Beileibe keine einfache Aufgabe, wie Till Jahnke feststellt: „Wenn ich ein Raumschiff entwerfen müsste, um mit diesem heil zum Mond und zurück zu fliegen, würde ich definitiv Herrn Kastirke in meinem Team dabeihaben wollen. Ich bin sehr beeindruckt, was er hier geleistet hat.“

Das Ergebnis, das in der aktuellen Ausgabe der renommierten Physical Review X publiziert wurde, ist ein erster Nachweis dafür, dass diese Experimentiermethode funktioniert. Künftig könnten damit photochemische Reaktionen einzelner Moleküle durch solche zeitlich hoch aufgelösten Bilder untersucht werden. Zum Beispiel ließe sich die Reaktion eines mittelgroßen Moleküls auf UV-Strahlung in Echtzeit beobachten. Zusätzlich handelt es sich um die ersten Messergebnisse, die seit der Inbetriebnahme der Small Quantum Systems (SQS)-Experimentierstation am European XFEL Ende 2018 veröffentlicht wurden.

Publikation: Gregor Kastirke et al. Photoelectron diffraction imaging of a molecular breakup using an X-ray free-electron laser. Phys. Rev. X 10, 021052 https://doi.org/10.1103/PhysRevX.10.021052

Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/89043339

Bildtext: Während der Sauerstoff-Explosion: Durch den Röntgenlaser XFEL wurden Elektronen aus den beiden Atomen des Sauerstoffmoleküls herausgeschlagen und der Aufbruch des Moleküls initiiert. Der Röntgenlaser löst während der Fragmentierung ein weiteres Elektron aus dem einen der beiden nun geladenen Sauerstoffatome (Ionen) aus einer inneren Schale. Das Elektron hat Teilchen- und Welleneigenschaften, und die Wellen werden am anderen Sauerstoff-Ion gebrochen. Das Brechungsmuster erlaubt es, das Auseinanderbrechen des Sauerstoffmoleküls in mehreren Schritten zu beobachten (Electron-Diffraction-Imaging). Bild: Till Jahnke, Goethe-Universität Frankfurt

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Till Jahnke
Institut für Kernphysik
Goethe-Universität Frankfurt
Tel.: 069 798-47025
E-Mail: jahnke@atom.uni-frankfurt.de

Für European XFEL und SQS:
Dr. Michael Meyer
Holzkoppel 4
22689 Schenefeld
Tel.: 040 8998 5614
E-Mail: michael.meyer@xfel.eu

 

Jun 9 2020
12:09

​Gastvortrag von Dr. Solvejg Nitzke zum Seminar „Poetiken des Vegetablen. Eine Literatur- und Kulturgeschichte der Pflanzen“

Wenn die Grenzen zwischen Mensch und Baum zu fließen beginnen

FRANKFURT. Wie ändert sich das Verhältnis des Menschen zur Natur, wenn Bäume nicht mehr nur als „Opfer“ von Umweltzerstörung gesehen werden? Wenn sie uns als eigensinnige Wesen begegnen, mit uns kommunizieren, gar „intelligent“ und „fürsorglich“ sind? Wenn sie es sind, die dem Menschen Bedingungen vorgeben?
 
In ihrem Gastvortrag „Fremde Verwandtschaft. Eine Kulturpoetik der Bäume“
 
am Donnerstag, 25. Juni, um 18:15 Uhr
online via Zoom-Meeting

spricht die Literatur- und Medienwissenschaftlerin Dr. Solvejk Nitzke (Technische Universität Dresden) über die Rolle, die das Erzählen beim Auflösen der Grenzen zwischen Mensch und Baum spielt. Ihr Vortrag fragt etwa, welche Umwelten die kommunizierenden Pflanzenriesen schaffen, was passiert, wenn der Mensch sich ökologisch und psychisch dem Baum annähert und welche Konsequenzen die Vermischung der beiden Umwelten nicht zuletzt für Literatur und Wissenschaften haben.
 
Der Vortrag findet im Rahmen des Seminars „Poetik des Vegetablen. Eine Literatur- und Kulturgeschichte der Pflanzen“ statt, das Prof. Dr. Frederike Middelhoff im Sommersemester anbietet. Die Literaturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Romantikforschung lehrt seit März an der Goethe-Universität.
 
Das Seminar widmet sich den sogenannten „Plant Studies“, einer Richtung der Literaturwissenschaften, die im Zuge von Klimawandel, Arten- und Waldsterben auf die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von Pflanzen für das menschliche Überleben reagiert. Welche Eigenheiten besitzen Pflanzen, wie nehmen sie Einfluss auf den Menschen? An lyrischen Texten und Erzählungen des 18., 19., 20. und 21. Jahrhunderts soll erforscht werden, ob die Methoden der literatur- und kulturwissenschaftlichen Pflanzenforschung hier Antworten geben können.
 
Dem Meeting beitreten unter:
https://uni-frankfurt.zoom.us/j/94234081078?pwd=Qkt3UFFqN2prbUdIWGtDWFZmTjF2QT09
Meeting-ID: 942 3408 1078
Passwort: 820904
Information: Prof. Dr. Frederike Middelhoff, Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik, Fachbereich Neuere Philologien, Campus Westend, Telefon 060 798-32853, E-Mail: middelhoff@em.uni-frankfurt.de

 

Jun 9 2020
11:55

​Beratungsstelle Mainkind an der Goethe-Universität bietet Unterstützung in Corona-Zeiten

Telefonischer Rat in Sachen „Homeschooling“

FRANKFURT. Die Beratungsstelle Mainkind für Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, ADHS und Hochbegabung der Goethe-Universität bietet montags bis donnerstags zwischen 10 und 12 Uhr eine telefonische Beratung für Familien an, insbesondere bei Schwierigkeiten mit dem „Homeschooling“. Erreichbar ist die Beratungsstelle unter der Telefonnummer 069 / 798 22440.
 
Seit 2012 bietet das Institut für Psychologie an der Goethe-Universität Unterstützung und Beratung für Familien, deren Kinder unter Aufmerksamkeitsstörungen oder Lernschwierigkeiten leiden. Die Beratungsstelle „Mainkind“ ist der Professur von Andreas Frey zugeordnet. Dort können sich Eltern melden, um gemeinsam mit den Fachleuten nach den Ursachen zu suchen. Nach einem Erstgespräch werden umfangreiche Tests durchgeführt, die eine fundierte Diagnose ermöglichen sollen. Wie es dann weitergeht, ob eine Lerntherapie notwendig ist oder eine Psychotherapie oder wie die Situation sonst zu verbessern ist, auch in diesen Fragen finden Eltern bei „Mainkind“ Unterstützung. Auch Studierende wirken bei Diagnose und Beratung mit.
 
In der Zeit der Kontaktbeschränkungen zur Pandemie-Eindämmung sind jedoch keine persönlichen Treffen möglich. Deshalb bietet die Beratungsstelle jetzt eine telefonische Beratung an – insbesondere für Fragen in Zusammenhang mit der gegenwärtigen Lernsituation. „Homeschooling stellt viele Familien vor neue Schwierigkeiten. Auch wenn Kinder mit Lernproblemen oder ADHS erfahrungsgemäß besonders betroffen sind: Wir unterstützen alle Eltern bei Fragen im Zusammenhang mit Homeschooling“, sagt Dr. Thomas Dreisörner, der Leiter der Beratungsstelle. Oft fehle es den Kindern an Struktur und Motivation, hier könnten bestimmte Strategien helfen. Vielen Eltern sei z.B. auch nicht bewusst, dass die Schulen in der Pflicht seien, allen Kindern eine Teilnahme an Videomeetings zu ermöglichen. „Sonst würden ja manche Familien jetzt ganz verlorengehen“, so der Psychologe.
 
Information: Dr. Thomas Dreisörner, fachlicher Leiter der Beratungsstelle Mainkind, Institut für Psychologie, Arbeitsbereich Pädagogische Psychologie, Campus Westend, Telefon 069 798-35350, E-Mail: T.Dreisoerner@paed.psych.uni-frankfurt.de, Website: mainkind@paed.psych.uni-frankfurt.de

 

Jun 8 2020
14:34

EUbOPEN: 66 Millionen Euro für die Entwicklung offen zugänglicher chemischer Werkzeuge

Neues europäisches Verbundforschungsprojekt legt Basis zur Erforschung von Krankheiten

FRANKFURT, INGELHEIM. Die effektivste Methode, um gezielt grundlegende biologische und krankheitsrelevante Prozesse aufzuklären, ist der Einsatz kleiner chemischer Werkzeuge, kleiner Moleküle, die die Proteinfunktion verändern. Das neue Verbundforschungsprojekt EUbOPEN hat sich zum Ziel gesetzt, solche chemischen Modulatoren für 1.000 Proteine zu entwickeln, also für ein Drittel aller Proteine im menschlichen Körper, die wahrscheinlich durch chemische Verbindungen modulierbar sind. Diese chemischen Werkzeuge werden für Wissenschaftler weltweit offen zugängig sein und es ermöglichen, die Hintergründe von Krankheiten zu erforschen und die Entwicklung neuer Therapien voranzutreiben. EUbOPEN wird von der Goethe-Universität Frankfurt und Boehringer Ingelheim gemeinsam geleitet.

Auch fast zwei Jahrzehnte nach der Sequenzierung des menschlichen Genoms ist die Funktion der meisten Proteine, die durch das Genom kodiert werden, noch nicht entschlüsselt. Daher ist unser Wissen über die Vorgänge in der menschlichen Zelle begrenzt. Um die Funktion eines Proteins in einem bestimmten Zelltyp zu untersuchen, nutzen Wissenschaftler häufig kleine chemische Werkzeuge, die so spezifisch wie möglich das Zielprotein beeinflussen. Dabei soll eine unbeabsichtigte Modulation anderer Proteine vermieden werden. Derzeit steht nur ein sehr eingeschränktes Repertoire solcher Moleküle zur Verfügung. Der Bedarf an selektiven und gut charakterisierten chemischen Werkzeugen für die Grundlagen- und angewandte Forschung ist daher groß. Im Idealfall wären solche Werkzeuge für jedes menschliche Protein verfügbar und sollten allen Forschern offen und ohne Nutzungseinschränkungen zur Verfügung stehen, um die Untersuchung von noch unerforschten krankheitsrelevanten Prozessen zu ermöglichen.

Das Ziele der neu gegründeten öffentlich-privaten Partnerschaft "Enabling and Unlocking biology in the OPEN" (EUbOPEN) ist die Entwicklung und Verbreitung solch qualitativ hochwertiger und gut charakterisierter Werkzeuge für einen wesentlichen Teil aller Proteine. Der Forschungsverbund besteht aus 22 akademischen Einrichtungen und Industriepartnern und startet im Mai 2020 mit einem Gesamtbudget von 65,8 Millionen Euro, das von der europäischen Innovative Medicines Initiative (IMI) sowie in Form von Geld- und Sachleistungen vom Europäischen Dachverband der Pharmaunternehmen und -verbände (EFPIA), assoziierten Partnern und Nicht-EU-Partnern bereitgestellt wird.

Stefan Knapp, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Goethe-Universität Frankfurt und Koordinator des Forschungsverbunds, sagte: „Am Ende des Projekts werden wir die größte und am besten charakterisierte, offen zugängige Substanzbibliothek für die funktionelle Erforschung von Proteinfunktionen entwickelt haben. Diese chemischen Verbindungen zusammen mit den gewonnenen Forschungsdaten werden eine großartige Basis für die Grundlagenforschung sein und zur Entdeckung neuer Mechanismen der Entstehung von Krankheiten und zur Entwicklung neuartiger Medikamente beitragen.“

Mit Hilfe neuer Technologien wird EUbOPEN chemische Modulatoren entwickeln und im menschlichen Gewebe testen. Die im Rahmen des Projekts EUbOPEN gewonnenen Forschungsdaten und Reagenzien werden für jeden Nutzer offen und ohne technische oder rechtliche Barrieren für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Die Nachhaltigkeit des Projekts wird durch zahlreiche Partnerschaften, beispielsweise mit Chemikalienherstellern und Biotech-Unternehmen sowie Anbietern von Online-Datenbanken sichergestellt. EUbOPEN wird die Basis für weltweite Bemühungen zur Erzeugung chemischer Modulatoren für die Gesamtheit aller Proteine sein.

Über den EUbOPEN-Forschungsverbund
Zum Forschungsverbund EUbOPEN gehören Universitäten, Forschungsinstitute, Mitglieder des Europäischen Verbands der pharmazeutischen Industrie und Verbände (EFPIA) sowie ein kleines und mittelständisches Unternehmen (KMU) an. Insgesamt umfasst das Konsortium 22 verschiedene Partnerorganisationen. Prof. Stefan Knapp von der Goethe-Universität Frankfurt ist der akademische Koordinator und Adrian J. Carter von Discovery Research bei Boehringer Ingelheim ist der EFPIA-Projektleiter. Weitere Partner sind: Bayer AG, Diamond Light Source, EMBL-EBI, ETH Zürich, Fraunhofer IME, Georg-Speyer-Haus, Karolinska Institutet, Leiden University Medical Center, McGill University, Ontario Institute for Cancer Research, Pfizer, Royal Institute of Technology, Servier, Structural Genomics Consortium, Takeda, University of Dundee, University of North Carolina, University of Oxford und University of Toronto. Internet: https://www.eubopen.org/

Innovative Medicines Initiative (IMI)
Die Innovative Medicines Initiative ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der pharmazeutischen Industrie, vertreten durch den Europäischen Dachverband der Pharmaunternehmen und -verbände, die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA). IMI hat das Ziel, durch die Förderung von kooperativer Forschung die Entwicklung von sicheren und wirksamen Arzneimitteln zu beschleunigen. Internet: https://www.imi.europa.eu/

Informationen:
Goethe-Universität Frankfurt 
Prof. Dr. Stefan Knapp
EUbOPEN-Projektkoordinator
Institut für Pharmazeutische Chemie
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail: knapp@pharmchem.uni-frankfurt.de

Dr. Markus Bernards
Wissenschaftskommunikation
Tel: +49 (69) 798 12498
bernards@em.uni-frankfurt.de

Boehringer Ingelheim
Dr. Adrian Carter
EUbOPEN-Projektleiter
Boehringer Ingelheim
E-Mail: adrian.carter@boehringer-ingelheim.com

Dr. Reinhard Malin
Head of Communications Innovation Unit
Tel: + 49 (6132) 77 90815
reinhard.malin@boehringer-ingelheim.com

 

Jun 5 2020
14:36

​Frankfurter Neurowissenschaftler: Beide Gehirnhälften leisten besonderen Beitrag zur Sprachkontrolle – Forschung stellt bisherige Lehrmeinung infrage

Wie das Gehirn unser Sprechen kontrolliert

FRANKFURT. Wenn wir sprechen, benötigen wir dazu beide Gehirnhälften. Jede übernimmt einen Teil der komplexen Aufgabe, Laute zu formen, die Stimme zu modulieren und das Gesprochene zu überprüfen. Allerdings ist die Aufgabenteilung anders als bisher gedacht, wie ein interdisziplinäres Team von Neurowissenschaftlern und Phonetikern der Goethe-Universität Frankfurt und des Leibniz-Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft jetzt herausgefunden hat: Nicht nur die rechte Gehirnhälfte analysiert, wie wir sprechen, sondern auch die linke leistet dazu einen Beitrag.

Das gesprochene Wort, davon ging man bisher aus, entsteht in der linken Gehirnhälfte und wird von der rechten Gehirnhälfte analysiert. Nach der gängigen Lehrmeinung würde das bedeuten: Wenn wir beispielsweise Englisch lernen und das „th“ üben, würde die linke Gehirnhälfte das Zusammenspiel von Zunge und Zähnen motorisch steuern, während die rechte überprüft, ob der produzierte Laut auch wirklich so klingt, wie wir ihn formen wollten.

Die Aufgabenverteilung folgt jedoch anderen Prinzipien, erklärt Privatdozent Dr. Christian Kell von der Klinik für Neurologie der Goethe-Universität: „Während die linke Hirnhälfte bei der Sprachkontrolle zeitliche Aspekte wie Übergänge zwischen Sprachlauten kontrolliert, ist die rechte Gehirnhälfte für das Klangspektrum zuständig. Wenn man zum Beispiel „mother“ sagt, kontrolliert die linke Hirnhälfte bevorzugt die dynamischen Übergänge zum Beispiel zwischen „th“ und den Vokalen, während die rechte Hirnhälfte bevorzugt den Klang der Laute selbst überprüft.“ Diese Aufgabenteilung in zeitliche beziehungsweise spektrale Verarbeitung beim Sprechen konnte sein Team zusammen mit der Phonetikerin Dr. Susanne Fuchs erstmals aufgrund von Untersuchungen nachweisen, bei denen Probanden sprechen mussten, während ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie aufgezeichnet wurde.

Eine mögliche Erklärung für diese Form der Arbeitsteilung zwischen den beiden Hirnhälften wäre, dass die linke Hirnhälfte generell schnelle Abläufe, wie die Übergänge zwischen Sprachlauten, besser analysiert als die rechte. Die rechte Hirnhälfte könnte besser langsamere Abläufe kontrollieren, die zur Analyse des Klangspektrums benötigt werden. Dass dies in der Tat so ist, erschließt sich aus einer vorangegangenen Studie zur Handmotorik, die im Fachjournal „elife“ erschienen ist. Kell und seine Gruppe wollten klären, warum wir die rechte Hand für schnelle Abläufe und die linke Hand für langsame Abläufe bevorzugen. Etwa beim Brotschneiden, wenn die rechte Hand mit dem Messer sägt und die linke das Brot hält.

Im Experiment ließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rechtshändige Probanden mit beiden Händen im Rhythmus eines Metronoms klopfen. In einer Variante sollten sie jeden Schlag klopfen, in der anderen nur jeden vierten. Wie sich herausstellte, war die rechte Hand bei der schnellen Schlagfolge präziser und die linke Gehirnhälfte, welche die rechte Körperseite kontrolliert, zeigte eine erhöhte Aktivität. Umgekehrt stimmte das Klopfen der linken Hand besser mit dem langsamen Rhythmus überein. Entsprechend zeigte die rechte Gehirnhälfte die höhere Aktivität.

Fasst man die Ergebnisse der beiden Studien zusammen, ergibt sich ein schlüssiges Bild, wie komplexes Verhalten – Handmotorik und Sprechen – von beiden Hirnhälften kontrolliert wird. Die linke Hirnhälfte kontrolliert bevorzugt die schnellen, während die rechte parallel hierzu eher die langsamen Abläufe steuert.

 
Publikationen:
Floegel M, Fuchs S, Kell CA (2020) Differential contributions of the two cerebral hemispheres to temporal and spectral speech feedback control. Nature Communications, 11:2839. https://doi.org/10.1038/s41467-020-16743-2
Pflug A, Gompf F, Muthuraman M, Groppa S, Kell CA (2019) Differential contributions of the two human cerebral hemispheres to action timing. eLife, 8:48404 https://doi.org/10.7554/eLife.48404

 
Weitere Informationen:

Privatdozent Dr. Christian Kell
Cognitive Neuroscience Group
Klinik für Neurologie
Goethe-Universität Frankfurt/ Universitätsklinikum Frankfurt
Tel.: (069) 6301-6395
E-Mail: c.kell@em.uni-frankfurt.de

 

Jun 5 2020
14:28

​Digitale Veranstaltungsreihe zur Studienwahl an der Goethe-Universität

„Auf die Plätze…fertig…los!“

FRANKFURT. Trotz Kontaktbeschränkungen, Schulausfällen und Homeschooling hat sich eines in diesem Sommer nicht geändert: Tausende von Schülerinnen und Schülern erwerben im Juni ihren Schulabschluss und befinden sich schon in den Startlöchern für einen Studienbeginn im Wintersemester. Um sie beim Aufbruch in ihre Zukunft zu unterstützen, leistet das Studien-Service-Center der Goethe-Universität wie immer Starthilfe durch Veranstaltungen rund um das Thema Studium und Studienwahl; dieses Jahr in Form der digitalen Veranstaltungsreihe „Auf die Plätze...fertig...los!“.

Los geht's Ende Juni mit allgemeinen Online-Vorträgen zu Studienwahl, Bewerbung und Zulassung und generellen Facts zu Studienorganisation und Kombinationsmöglichkeiten. Anfang Juli geht es weiter mit Infovorträgen und Live-Chats zu einzelnen Studiengängen und der Möglichkeit, mit Studierenden der einzelnen Fächer ins Gespräch zu kommen. Den Abschluss bilden schließlich intensive Online-Workshops, mit denen sich die Studieninteressierten gründlicher mit den Anforderungen eines bestimmten Studiengangs auseinandersetzen können.

Auch die Eltern sollen in der Veranstaltungsreihe nicht zu kurz kommen: ein digitaler Live-Vortrag informiert sie darüber, was Studium heutzutage ausmacht, welche Formalien bei einer Studienbewerbung zu beachten sind und wie sie ihre Kinder bei der Studienwahl unterstützen können. Neben diesen Veranstaltungen stehen die Studienberater und Studienberaterinnen der Zentralen Studienberatung den Studieninteressierten natürlich auch für persönliche Sprechstunden via Telefon oder Videochat zur Verfügung.

Alle digitalen Veranstaltungen der Goethe-Universität für Schülerinnen und Schüler mit Informationen über die genauen Termine und die Anmeldemodalitäten finden sich unter: www.schule.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen:
Alexandra Baboula, Zentrale Studienberatung, Studien-Service-Center, Tel: +49 (69) 798-13630, baboula@em.uni-frankfurt.de
Elisabeth Kummert, Zentrale Studienberatung, Studien-Service-Center, Tel: +49 (69) 798-18485, kummert@em.uni-frankfurt.de

Website: www.schule.uni-frankfurt.de

 

Jun 5 2020
11:39

​Studie von Goethe-Uni und den Universitäten Bonn und Mannheim nimmt die Folgen für berufstätige Eltern in den Fokus – Frauen wohl besonders betroffen

Corona lässt Arbeitszeit schrumpfen

FRANKFURT. Der Wegfall der Kinderbetreuung während der Corona-Krise hat signifikante Effekte auf das Arbeitsangebot. Dies macht eine Studie deutlich, an der auch Prof. Dr. Fuchs-Schündeln, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Goethe-Universität, beteiligt war.

Seit Wochen sind Schulen und Kindergärten geschlossen, die Wirtschaft wird jedoch allmählich wieder hochgefahren. Dieses Hochfahren geht einher mit mehr Präsenzzeiten am Arbeitsplatz – für berufstätige Eltern eine kaum zu erfüllende Anforderung. Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität, hat gemeinsam mit ihrem Bonner Kollegen Prof. Dr. Moritz Kuhn und der Mannheimer Kollegin Prof. Michèle Tertilt die Folgen mangelnder Betreuungsangebote für Kinder und deren Auswirkungen auf die verfügbare Arbeitszeit berufstätiger Eltern untersucht. Das Ergebnis: Der Anteil der Eltern, die von geschlossenen Schulen und Kindergärten betroffen ist, ist doppelt so hoch wie die Gesamtzahl der Arbeitslosen in Deutschland.

Denn auch wenn Schulen und Betreuungseinrichtungen ebenfalls vorsichtig wieder öffnen: Von Normalität kann noch lange nicht die Rede sein. Regelunterricht findet in den meisten Bundesländern nach derzeitigen Planungen bis zu den Sommerferien erst einmal nicht statt. „Jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland hat Kinder unter 14 Jahren im Haushalt, deren Betreuungsmöglichkeiten nun wegfallen“, sagt Fuchs-Schündeln. Die Menge der Betroffenen entspreche den rund zehn Millionen Beschäftigten des Verarbeitenden Gewerbes und der Bauindustrie in Deutschland. Das Forscherteam nutzt für seine Schätzungen die Daten der Arbeitskräfteerhebung der EU (AKE) aus dem Jahr 2018.

Selbst wenn man berücksichtige, dass beispielsweise ältere Geschwister oder ein nicht arbeitender Elternteil die Betreuung der Kinder übernimmt, sind immer noch 21 Prozent der Erwerbstätigen von geschlossenen Schulen und Kindertagesstätten betroffen. Häufig wird das Betreuungsproblem dann dadurch gelöst, dass ein Elternteil zu Hause bleibt. In diesem Fall – so schätzen die Forscher – würden den Arbeitgebern elf Prozent der Erwerbstätigen fehlen. Damit ist der Anteil der von der Betreuungsnot betroffenen Eltern fast doppelt so hoch wie die derzeitige Arbeitslosenquote in Deutschland (5,8 Prozent im April 2020).

Wenn die Kinder klein sind, ist es zumeist die Mutter, die ihre Arbeitszeit reduziert. Die untersuchten Daten zeigen, dass in 82 Prozent der untersuchten Haushalte die Frau weniger arbeitet als der Mann. Berücksichtigt man die reduzierte Arbeitszeit eines Elternteils, so der Befund der Forscher, wären 8,4 Prozent der geleisteten Arbeitsstunden von einem Arbeitsausfall auf Grund fehlender Kinderbetreuung betroffen– das entspräche dem achtfachen kurzarbeiterbedingten Stundenausfall während der Finanzkrise 2009. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung arbeitender Eltern zeigt sich hier deutlich.

Hierin zeigten sich den Autoren zufolge die gegenwärtigen Kosten fehlender Kinderbetreuung. Darüber hinaus könne langfristig jedoch auch die Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsmarkt einen Rückschlag erleiden. Karriereunterbrechungen im ersten Drittel des Erwerbslebens führten zu einer langfristigen Verschlechterung des Einkommens. „Wir haben in unserer Forschung zu Karriereverläufen gesehen, dass unterschiedliche Karriereverläufe von Männern und Frauen zu 50 Prozent die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede erklären“, so der Bonner Wirtschaftswissenschaftler Moritz Kuhn.


Ein Porträt von Nicola Fuchs-Schündeln zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/88964858

Bildtext: Die Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlerin Nicola Fuchs-Schündeln ist Mitautorin einer Studie zu den langfristigen Folgen mangelnder Kinderbetreuung durch die Corona-Krise. Foto: Kay Nietfeld

Informationen: Prof. Dr. Nicola Fuchs-Schündeln, Ph.D., Professur für Makroökonomie und Entwicklung, Campus Westend, Telefon 069 798-33815, E-Mail fuchs@wiwi.uni-frankfurt.de. Link zum Paper: https://voxeu.org/article/short-run-implications-school-closures

 

Jun 5 2020
10:59

​Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) an der Goethe-Universität legt Indikatoren zur Einschätzung der Auswirkungen der Corona-Krise auf die regionalen Arbeitsmärkte in Hessen vor

Corona und der Arbeitsmarkt in Hessen: Differenzierter Blick tut not

FRANKFURT. Durch die Berichterstattung in den Medien konnte in den vergangenen Wochen leicht der Eindruck entstehen, dass Kurzarbeit ein sehr weitverbreitetes Phänomen sei. Doch dies entspricht zumindest in Hessen nicht ganz der Realität, wie die heute vorgelegten Daten des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) zeigen.

Nur für ein knappes Drittel der Beschäftigten in Hessen ist von März bis Mai 2020 Kurzarbeit angemeldet worden, wobei es zwischen den Regionen große Unterschiede gibt: Während in der Stadt Darmstadt nur für einen von fünf Beschäftigten eine Meldung zur Kurzarbeit gemacht wurde, trifft dies im Kreis Groß-Gerau auf jeden zweiten Beschäftigten zu. „Dies liegt daran, dass die einzelnen Wirtschaftszweige in unterschiedlichem Maße von Kurzarbeit betroffen sind“, sagt Dr. Christa Larsen, Geschäftsführerin des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK), eines Zentrums der Goethe-Universität, das nun den Regionaldatenreport veröffentlicht hat.

Zwischen den Wirtschaftszweigen gibt es große Unterschiede: Während im Gastgewerbe von März bis Mai 2020 für 91 Prozent der Beschäftigten Kurzarbeit angemeldet wurde, waren in der Logistik sowie im verarbeitenden Gewerbe jeweils rund die Hälfte der Beschäftigten davon betroffen. Hingegen trifft dies in der öffentlichen Verwaltung nur auf 3 Prozent der Beschäftigten und im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen auf 4 Prozent zu. In den Kreisen und kreisfreien Städten Hessens, wo jene Wirtschaftszweige, die stark von Kurzarbeit betroffen sind, dominieren, ist der Anteil an Kurzarbeit entsprechend hoch. Der zeitliche Peak der Anmeldungen von Kurzarbeit war im April 2020. Im Mai war das wirtschaftliche Geschehen offenbar wieder so weit in Gang gekommen, dass nur noch 4 Prozent der Betriebe in Hessen Kurzarbeit angemeldet hatten.

Ein ähnlicher Befund zeigt sich im Mai 2020 auch bei den Personen, die sich arbeitslos gemeldet haben.  Im Vergleich zum Vormonat war deren Zahl deutlich rückläufig, nämlich insgesamt um 21 Prozent. Besonders stark ist dieser Trend in den meisten Kreisen und kreisfreien Städten zu beobachten. „Dies ist zunächst ein hoffnungsvolles Signal“, meint Oliver Lauxen, Leiter der Studie im IWAK. Allerdings seien die absoluten Zahlen deutlich höher als im Vorjahr, und im Vergleich zu 2019 seien auch weniger arbeitslose Menschen wieder in Beschäftigung gekommen. Insofern gebe es sicherlich Handlungsbedarf. Wichtig sei, dass im Mai die Rekrutierung bei den Betrieben wieder stärker angelaufen sei. Während im April 2020 die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Arbeitsstellen noch um 52 Prozent unter den Vorjahreswerten lagen, schließt sich die Schere im Mai im Vergleich zu 2019 und liegt nur noch bei 39 Prozent. Dies sind dem IWAK zufolge Zeichen, dass sich die Lage leicht entspannt.

Dies gilt allerdings noch nicht für den Ausbildungsbereich. Im Mai 2020 sind 9 Prozent weniger Berufsausbildungsstellen bereits besetzt, als dies zur gleichen Zeit im Vorjahr der Fall war. Im April 2020 lag der Abstand zum Vorjahr noch bei 7 Prozent, die Lücke wächst hier also, wobei die Unterschiede zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten sehr groß sind. Während im Kreis Darmstadt-Dieburg im Mai 2020 noch 27 Prozent weniger Ausbildungsstellen besetzt waren als im Vorjahr, stellt sich die gegenteilige Lage im Wetteraukreis, im Vogelsbergkreis und im Kreis Groß-Gerau dar. Dort sind im Mai 2020 schon mehr Ausbildungsstellen besetzt als zum gleichen Zeitpunkt in 2019.

„Wir sehen in den Daten erste Signale, dass immer größere Teile der Wirtschaft in Hessen langsam wieder Fahrt aufnehmen“, so Larsen weiter. „Die Kurzarbeit und die Arbeitslosigkeit hatten bisher im April ihren Peak erreicht, und die Dynamik ist im Mai deutlich zurückgegangen. Die Zurückhaltung der Betriebe bei der Besetzung offener Stellen scheint abzunehmen. Die Ausbildung bleibt allerdings ein Sorgenkind, das besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Allerdings ist hier eine regional differenzierte Betrachtung wichtig“, sagt Christa Larsen.

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität unterstützt seit vielen Jahren die Akteure in Arbeitsmarkt und Wirtschaft in Hessen regelmäßig mit Daten, um Transparenz und Orientierung zu schaffen. Die Darstellung der regionalen Unterschiede nimmt dabei einen großen Stellenwert ein. Der hier vorgelegt IWAK-Regionaldatenreport ist auf Wunsch vieler Akteure aus regionaler Wirtschaft und Arbeitsmarkt nach einem kontinuierlichen Monitoring der Lage entstanden.

„Wir knüpfen dabei an die in vielen Bereichen gute Kooperation zwischen Hochschule und Wirtschaft in Hessen an“, stellt Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz fest, der an der Goethe-Universität für die „Third Mission“ zuständig ist – also für das Zusammenwirken von Wissenschaft und Gesellschaft und Wirtschaft.

Von jetzt an plant das IWAK monatliche Berichte, die zeitnahe Einblicke in die Entwicklungen vor Ort, aber auch auf Landesebene ermöglichen. Dafür steht das Institut in kontinuierlichem Austausch mit den Nutzenden, so dass der bedarfsorientierte Einbezug weiterer Indikatoren möglich ist. Anfang Juli 2020 soll der nächste Bericht mit einem Schwerpunkt auf dem Thema Arbeitslosigkeit vorgelegt werden.


Informationen:
Dr. Christa Larsen, Geschäftsführerin des IWAK, Telefon: 069 798 22152, Mail: C.Larsen@em.uni-frankfurt.de, www.iwak-frankfurt.de. Ein Abonnement des monatlichen Berichts erhalten Sie auf E-Mail-Anfrage bei Christa Larsen. Den aktuellen Bericht zum Download finden Sie unter:
http://www.iwak-frankfurt.de/wp-content/uploads/2020/06/IWAK_Regionaldatenreport_2.pdf

 

Jun 4 2020
15:50

Der Theologe Prof. Christof Mandry spricht im neuen UniReport über moralisch-ethische Dilemmata der Corona-Pandemie.

Freiheit oder Leben?

FRANKFURT. Die Bekämpfung der Corona-Pandemie hat weltweit für zum Teil massive Einschränkungen des wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebens gesorgt und in einer Reihe von Staaten das Gesellschaftssystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Viele Maßnahmen wurden zwar bereits zurückgenommen, doch bei weiteren Pandemiewellen könnte es (wieder) zu erheblichen medizinischen Versorgungsengpässen kommen. Christof Mandry, Professor für Moraltheologie und Sozialethik an der Goethe-Universität, bringt in seinem Essay in der neuen Ausgabe des UniReport den Konflikt zwischen den Grundrechten auf Freiheit und auf Gesundheitsschutz auf den Punkt, wenn er fragt: „Welchen Stellenwert kann die Selbstbestimmung von Erkrankten haben, wenn die Behandlungskapazitäten nicht für alle ausreichen und faktisch entschieden werden muss, wer eine potenziell lebensrettende (intensiv-) medizinische Versorgung erhält und wem sie mit potenziell tödlichen Konsequenzen verwehrt werden muss?“

Mandry sieht eine Zuspitzung dieses Dilemmas gegeben, wenn weitere Kranke, die in einer Pandemie-Überlastungssituation in die Klinik gebracht werden, nach dem medizinischen Prognoseverfahren bessere Erfolgsaussichten haben. Dann müssten nach dem Verfahren der sogenannten „Triage-Reevaluation“ Patienten mit weniger guten Heilungschancen das Intensivbett verlassen – die ethische Problematik, so der Theologe, bestehe unter anderem darin, dass in einem solchen Fall Patienten gegen ihren Willen und bei fortbestehender Sinnhaftigkeit die Behandlung entzogen werde und sie sterbengelassen werden. Mandry fragt weiter: „Sollte der Bundestag hier tatsächlich tätig werden und durch Gesetz festlegen, dass Bürger in solchen Situationen verpflichtet sind – und folglich gezwungen werden können –, ihr Lebensrecht für andere aufzugeben – gäbe er damit nicht seine Legitimation preis, die gerade in der Garantie der Grundrechte des Einzelnen besteht?“
 

Die weiteren Themen im UniReport 3/Juni 2020:


  • „Die Gefahr durch dieses Virus ist jetzt nicht geringer als Anfang März“: Die Virologin Prof. Sandra Ciesek über den aktuellen Stand der Forschung zu Covid-19.
  • Das Experiment virtuelles Semester läuft besser als gedacht: Der Online-Lehrbetrieb – Eindrücke, Erfahrungen und Ausblicke von Lehrenden und E-Learning-Experten.
  • Mehr Flexibilität, weniger „realer“ Austausch: Wie Corona den Alltag im Studium verändert.
  • Was Corona über Nacht aus Studierenden macht (oder machen kann): Gedanken aus der Fachdidaktik von Prof. Daniela Elsner und Dr. Heike Nielsen.
  • Konsequente Unterdrückungsstrategien führen zu niedrigeren Gesamtkosten: Die Physiker Prof. Roser Valenti und Prof. Claudius Gros haben sich mit den sozioökonomischen Folgen von „Social Distancing“ beschäftigt.
  • Nichts Neues bei den Masken: Der Japanologe Prof. Michael Kinski wirft einen Blick in die Geschichte der Mund-Nasenschutz-Masken in Japan.
  • Covid-19-Erkrankung ist keine Grippe: Erfahrungsgesättigte Einschätzungen aus der Virologie und der Medizin.
  • „Kleine Fächer“ an der Goethe-Universität: Prof. Zhiyi Yang über die Sinologie in Frankfurt und Chinas Rolle in der Welt.
  • Teilchen Billard mit drei Partnern: Physiker der Goethe-Universität haben das Rätsel um den Compton-Effekt gelöst.
  • Wem die Bücher wirklich gehören: Die Universitätsbibliothek will Raubgut in ihren Beständen aufspüren.
  • Innovative Ideen für das Lehren mit digitalen Medien: Digi_Gap ist ein neues Forschungsprojekt in der Lehrkräftebildung.
  • EU-Projekt zum akut-auf-chronischen-Leberversagen vereint Experten im Taunus: Nachbericht zur zweiten Vollversammlung des Horozon-2020-Projekts MICROB-PREDICT.
  • Neue Goethe-Fellows: Prof. Sabine Andresen, Prof. Beatrice Brunhöber und Prof. Cornelia Ebert werden am Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg forschen.
  • Porträt in der Rubrik Goethe, Deine Forscher: Der Amerikanist Johannes Völz verbindet in seiner Forschung Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie.
  • Eingebunden in die Bewältigung der Corona-Krise: Fazilet Duygu arbeitet als Stipendiatin der Philipp-Schwartz-Initiative in der Infektiologie des Universitätsklinikums
  • Luminale kommt ans Uniklinikum: Licht-Anemonen des Künstlers Malte Kebbel leuchten für die kommenden Wochen auf dem Vorplatz des Universitätsklinikums.
  • „Die digitale Lehre wird bleiben“: Das E-Learning-Projekt „StudyCore“ verbindet Forschung mit pädagogischer Praxis.
Der UniReport 3/2020 steht zum kostenlosen Download bereit unter https://www.unireport.info/aktuelle-ausgabe

 

Jun 4 2020
09:43

​Expertise der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlerin international gefragt

Nicola Fuchs-Schündeln in französische Wirtschafts-Kommission berufen

FRANKFURT. Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität, ist in eine neu eingesetzte internationale Expertenkommission berufen worden, die den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu den großen wirtschaftlichen Herausforderungen beraten wird.

Geleitet wird die Kommission von dem Nobelpreisträger Jean Tirole und dem ehemaligen Chefökonomen des Internationalen Währungsfonds Olivier Blanchard. Die darin vertretenen 24 Ökonominnen und Ökonomen aus der ganzen Welt sollen Zukunftskonzepte zu den Themen Ungleichheit, Klimawandel und Demographie erarbeiten.

Fuchs-Schündeln ist bereits seit September 2019 Mitglied des deutsch-französischen Expertenrats für Wirtschaft. Dieses Gremium besteht aus fünf deutschen und fünf französischen Wirtschaftsexpertinnen und -experten.

Nicola Fuchs-Schündeln hat seit 2009 die Professur für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität inne. 2018 erhielt sie den renommierten Leibniz-Preis sowie einen Forschungspreis des European Research Councils. Sie ist Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik, des Vereins der deutschsprachigen Ökonomen, und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums. Außerdem ist sie Vorsitzende der Review of Economic Studies, einer renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Vor ihrem Wechsel an die Goethe-Universität war Fuchs-Schündeln an der US-amerikanischen Harvard University tätig. Forschungsaufenthalte führten sie an die Stanford University und die University of New South Wales.


Ein Porträt von Nicola Fuchs-Schündeln zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/88964858
Bildtext:
Nicola Fuchs-Schündeln, Professorin für Makroökonomie und Entwicklung an der Goethe-Universität, ist Mitglied in der neu eingesetzten internationalen Expertenkommission, die den französischen Präsidenten beraten wird. Foto: Kay Nietfeld

Informationen:

https://www.elysee.fr/emmanuel-macron/2020/05/29/climat-inegalites-demographie-installation-dune-commission-dexperts-sur-les-grands-defis-economiques

 

Jun 3 2020
16:40

Museum Giersch der Goethe-Universität zeigt erstmals 180 Bilder von Nini und Carry Hess - Sonderausstellung wird Partnerprojekt der RAY Fototriennale 2021

Sonderausstellung mit Fotoschätzen aus der Weimarer Republik

FRANKFURT. Das Museum Giersch der Goethe-Universität stellt im Frühjahr/Sommer nächsten Jahres Leben und Werk der Frankfurter Fotografinnen Nini (1884–1943) und Carry Hess (1889–1957) in einer umfangreichen monographischen Ausstellung mit rund 180 Originalfotografien vor. Das Fotoatelier der beiden Schwestern gehörte zu den renommiertesten der Weimarer Republik. Zahlreiche Prominente suchten es auf, um sich porträtieren zu lassen, unter anderen Max Beckmann, Thomas Mann und Mary Wigman. Spezialisiert auf Porträt- und Theaterfotografien, schufen Nini und Carry Hess aber auch Tanz-, Akt-, Mode- und Architekturaufnahmen und prägten durch ihre Fotos das Bild der „Neuen Frau“ in den 1920er-Jahren entscheidend mit. Die beiden jüdischen Fotografinnen wurden von den Nationalsozialisten verfolgt und ihr Atelier in der Reichspogromnacht vollständig zerstört. Nini Hess wurde in Auschwitz ermordet, ihre Schwester Carry verstarb 1957 im Exil.
 
Die Sonderausstellung im Museum Giersch der Goethe-Universität ist nun als Partnerprojekt in das Programm der Triennale RAY Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain aufgenommen worden. Die Triennale RAY Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain wurde 2010 auf Initiative des Kulturfonds Frankfurt RheinMain gegründet – mit dem Ziel, die Vielfalt und die Kompetenz der zahlreichen Sammlungen und Institutionen, die sich dem Thema der künstlerischen Fotografie in der Region Frankfurt/Rhein-Main widmen, zu bündeln und besonders herauszustellen. Vom 3. Juni bis 12. September 2021 zeigen zum vierten Mal zwölf Institutionen der Region ein breites Kaleidoskop an Fotoausstellungen, die von zahlreichen weiteren Aktivitäten begleitet werden. Das Thema dieses Fotografie-Sommers lautet IDEOLOGIES.
 
„Wir freuen uns mit dem aufwändigen Forschungs- und Ausstellungsvorhaben zu Nini und Carry Hess Teil von RAY 2021 sein zu dürfen und so Schicksal wie Werk der beiden beeindruckenden Fotografinnen einem größeren Publikum bekannt machen zu können“, sagt Dr. Birgit Sander, Direktorin des Museum Giersch der Goethe-Universität. „Mit der Aufarbeitung des fotografischen Schaffens von Nini und Carry Hess knüpfen wir an erfolgreiche Fotoausstellungen unseres Museums an – z. B. zur frühen Fotografie im Rhein-Main-Gebiet oder zum fotografischen Werk von Laura J. Padgett oder von Inge Werth. Und wir lenken den Blick abermals auf wenig bekannte Künstlerinnen unserer Region, die der Entdeckung lohnen.“
 
Foto zum Download unter: http://www.uni-frankfurt.de/88956976
 
Pressefoto: Nini & Carry Hess: Thomas Mann, 1925, ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv
 
 
RAY 2021 im Internet: www.ray2021.de
 
RAY 2021 Fotografieprojekte Frankfurt/RheinMain ist eine Kooperation von Darmstädter Tage der Fotografie, Deutsche Börse Photography Foundation, DZ BANK Kunstsammlung, Fotografie Forum Frankfurt,Frankfurter Kunstverein, Museum Angewandte Kunst, Museum MMK für Moderne Kunst sowie der RAY Partner Historisches Museum Frankfurt, Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim, Kunstforum der TU Darmstadt, Marta Hoepffner-Gesellschaft für Fotografie e.V. im Stadtmuseum Hofheim, Museum Giersch der Goethe-Universität und Nassauischer Kunstverein Wiesbaden.
 
Informationen: Christine Karmann, Kommunikation und Marketing Museum Giersch der Goethe-Universität, Tel: 069/138210121, E-Mail: presse@museum-giersch.de
Adresse: Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main

 

Jun 3 2020
13:50

​Studie zum Unterrichtshandeln von Lehrkräften während der Corona-Schulschließungen

Schule auf Distanz: Herausforderung und Chance

FRANKFURT. Herausforderung und Chance zugleich – so erleben hessische Lehrkräfte das Unterrichten auf Distanz, das durch die Schulschließungen während der Corona-Krise notwendig wurde. Eine Studie an der Goethe-Universität zeigt, welche unterschiedlichen Wege die Lehrerinnen und Lehrer dabei gegangen sind.
 
Mit der bundesweiten Schulschließung im März 2020 standen Lehrerinnen und Lehrer in ganz Deutschland quasi über Nacht vor der Herausforderung, den Lernprozess der Schüler von zu Hause aus als Fern-Unterricht zu organisieren. Die Bedingungen, Voraussetzungen und Strukturen des Unterrichts und des schulischen Lernens änderten sich für alle Beteiligten ebenso plötzlich wie tiefgreifend.
 
Wie gestalten nun Lehrerinnen und Lehrer ihr praktisches Lehrhandeln unter den veränderten Bedingungen? Das hat das Team der mediendidaktischen Abteilung von studiumdigitale, der zentralen eLearning-Einrichtung der Goethe-Universität, in einer qualitativen Studie mit rund 70 Lehrkräften verschiedener Schulformen (Grundschule, Sekundarstufe 1 und 2, Berufsschule) untersucht. Qualitativ heißt: Die Befragten konnten ihre Erfahrungen individuell schildern. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, inwiefern die Lehrpraxis durch die Krise beeinflusst wird und wie sie sich unter den neuen Bedingungen verändert. Sehen die Lehrkräfte die Situation auch als Chance, Lernszenarien ganz neu zu gestalten? Erhoben wurden die Daten in der ersten Aprilwoche, als die Schulen seit etwa zwei Wochen geschlossen waren. Die Lehrkräfte beschrieben ihr Lehrhandeln also unter dem Eindruck der ersten Wochen der Krise.
 
Dabei zeigte sich: Die veränderte Situation bedeutete für Lehrkräfte Herausforderung und Chance zugleich. Einerseits wurde ein gewisser Druck empfunden, digitale Medien zu nutzen, um den Unterricht überhaupt zu ermöglichen. Das Fehlen bekannter Strukturen und Abläufe wie Schulstunden im 45 bzw. 90 Minutentakt oder Fachunterricht im Klassenverband wurde jedoch andererseits auch genutzt, um Schule, Unterricht und Lernen ganz anders zu denken und zu organisieren.
 
„Beides ist eng miteinander verwoben: Der mit der digitalen Transformation verbundene Wechsel von der Buchdruckgesellschaft zur digitalen globalisierten Netzwerkgesellschaft erfordert ein neues Verständnis von Lehren und Lernen. Der Lernprozess sollte stärker projekt- und problemorientiert sein, Lernende sollten, losgelöst von spezifischen ‚Lernorten', kollaborativ in Lernnetzwerken und Projektgruppen an fächerübergreifenden Themen arbeiten“, erklärt Prof. Dr. Alexander Tillmann, kommissarischer Leiter von studiumdigitale.
 
Die Studie zeigt, dass bisherige Lehrpraktiken offenbar weitgehend erhalten bleiben, auch wenn die üblichen Rahmenbedingungen schulischen Lernens, wie der Unterricht entlang strenger Fächergrenzen in vorgegebenem Stundentakt de facto außer Kraft gesetzt sind. Gefördert wird das auch von vielen Schulleitungen, die klare Aufgaben mit Angabe der Bearbeitungszeit und Abgabeform verlangen, wobei sich die Bearbeitungszeit an Umfang und Dauer der Unterrichtsstunden im jeweiligen Fach orientieren sollen. Die Forderung, dass Lernerfolg und Lernweg regelmäßig in kleinen Schritten kontrolliert werden sollen, führt zu einer sehr starken Arbeitsbelastung für die Lehrkräfte. Wo zudem keine Lernplattformen für Kommunikation und Austausch zur Verfügung stehen, sondern vor allem über E-Mail kommuniziert wird, werden Abläufe und Kommunikation als schwierig empfunden, wie eine Lehrkraft ausführt: „Ich erstelle Arbeitsaufträge im Homeoffice und schicke sie per E-Mail an die Schülerinnen und Schüler. […] Die Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern erfolgt nur per E-Mail, was sehr umständlich ist. Eine Schulplattform ist aktuell für unsere Schule noch nicht freigeschaltet.“ Der zeitliche Aufwand für Korrekturen, Kommunikation und Feedback erscheine gegenüber dem Präsenzunterricht deutlich höher: „Sowohl Lehrkräfte als auch Schüler arbeiten gefühlt doppelt so viel. Lehrkräfte haben viel zu viele Korrekturen […] ein echter Lernertrag bleibt gefühlt aber auf der Strecke“.
 
Zum Teil lässt sich ein Nachdenken über neue Lernformen bei den Lehrkräften beobachten: So stellt sich eine Lehrerin die Frage, „…ob man nicht den Schülern im Sinne des offenen Lernens mehr Spielräume statt eines starren Stundenplans geben kann, um so zu arbeiten und sich dann in regelmäßigen Präsenzzeiten in der Schule zusammenfindet“. Die Reflexion der aktuellen Erfahrungen mit digitalen Werkzeugen führt bei einzelnen Lehrkräften dazu, dass sich ihr praktisches Lehrhandeln bereits verändert hat: „Tatsächlich hat sich eher die Art der Arbeitsaufträge hin zu offenen Lernformen verändert als die 'digitalen Praktiken'“. Aber auch wenn Lehrkräfte durchaus gegenüber neuen Lehrformaten, wie sie die Bildungsforschung für die digitale Netzwerkgesellschaft fordern, aufgeschlossen sind, werden digitale Medien im aktuellen „Homeschooling“ kaum für projektorientierte und fächerübergreifende kollaborative Aktivitäten der Wissenskonstruktion eingesetzt. Ausnahme sind Schulen, an denen solche Handlungspraktiken bereits vor Corona etabliert waren.
 
Die Krise könne erfolgreich als Ausgangspunkt für positive Veränderung genutzt werden, wenn die gegenwärtigen Erfahrungen reflektiert und für zukünftiges Handeln fruchtbar gemacht würden, so Prof. Tillmann. Die Reflexion der während der Schulschließung gemachten Erfahrungen sei also in der Zeit nach der Krise für Schulen eine wichtige Aufgabe.
 
Die Studie wird im August bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) in Winterthur vorgestellt und im Tagungsband unter „Michael Eichhorn, Alexander Tillmann, Ralph Müller, Angela Rizzo (2020). Unterrichten in Zeiten von Corona: Praxistheoretische Untersuchung des Lehrhandelns während der Schulschließung“ publiziert.
 
 
Informationen: Michael Eichhorn, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei studiumdigitale, Qualifizierung und Beratung, Telefon 069 798-23609, E-Mail eichhorn@sd.uni-frankfurt.de; Prof. Dr. Alexander Tillmann, kommissarischer Leiter von studiumdigitale, Telefon 069 798-24618, E-Mail tillmann@sd.uni-frankfurt.de; die Studie ist auf Anfrage vorab erhältlich.

 

Mai 29 2020
15:41

​Neues bundesweites Forschungsinstitut nimmt seine Arbeit auf – Frankfurt auch Standort der allgemeinen Geschäftsführung

Was fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

FRANKFURT. In einer Pressekonferenz hat Bundesministerin Anja Karliczek gestern den Startschuss für das neue Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) gegeben. Nun kann auch das Frankfurter Teilinstitut seine Arbeit aufnehmen. An der Goethe-Universität ist außerdem die allgemeine Geschäftsstelle des Forschungsinstituts angesiedelt.

83 Forschungsprojekte an elf Teilinstituten in zehn Bundesländern: Nach einer eineinhalbjährigen Vorbereitungsphase startet am 1. Juni das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ). 40 Millionen Euro Fördermittel stehen für die vierjährige Hauptphase zur Verfügung. Das FGZ soll unterschiedliche Perspektiven zusammenführen und wissenschaftliche Expertise bündeln. Die Themen reichen von neuen sozialen Konflikten über das Auseinanderdriften von Stadt und Land bis hin zu Populismus und zunehmendem Antisemitismus. „Um zu verstehen, was uns als Gesellschaft zusammenhält, brauchen wir noch tiefere Erkenntnisse“, sagte Bundesministerin Karliczek während der Konferenz. „Und wir brauchen konkrete Lösungsvorschläge, wie wir diesen Zusammenhalt stärken können.“

Der Begriff des „gesellschaftlichen Zusammenhalts“ sei eine Einladung, grundsätzliche Fragen gesellschaftlicher Entwicklung zu untersuchen und dabei die Instrumente aller Geistes- und Sozialwissenschaften einzusetzen, sagte Matthias Middell, Professor für Kulturgeschichte in Leipzig und Geschäftsführender Sprecher des FGZ. Neben der Universität Leipzig fungieren auch die Uni Bremen und die Goethe-Universität als koordinierende Standorte. Olaf Groh-Samberg, Professor für Soziologie an der Universität Bremen und ebenfalls FGZ-Sprecher, wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass derzeit mithilfe des BMBF ein zusätzliches Forschungsprojekt zur Untersuchung der nachhaltigen Auswirkungen der Corona-Krise auf globale, internationale und nationale Vernetzung sowie auf Vorstellungen von gesellschaftlichen Zusammenhalt entwickelt werde.

Nicole Deitelhoff, Professorin für Internationale Beziehungen an der Goethe-Universität Frankfurt und ebenfalls FGZ-Sprecherin: „Die öffentliche Auseinandersetzung, eine lebhafte Debatten- und Streitkultur sind zentrale Elemente gesellschaftlichen Zusammenhalts, die gerade in Krisenzeiten wie der jetzigen Corona-Pandemie gefährdet sind. Wenn wir gegenwärtig über wachsende Polarisierung und um sich greifende Verschwörungstheorien sprechen, dann sind das auch Reaktionen auf tief empfundene Ungewissheiten und Unsicherheit. Welche Gruppen besonders zu Verunsicherung neigen bzw. besondere Schwierigkeiten haben, damit umzugehen, wie Verschwörungstheorien öffentliche Debatten zersetzen und welche Bewältigungsstrategien es dafür gibt, gehört zu den Forschungs- und Transferaufgaben des FGZ.“

Deitelhoff betonte auch die Bedeutung des am Standort Frankfurt koordinierten Wissenstransfers für das FGZ. Das FGZ biete die Chance, in vielfältigen Formaten gemeinsame Erkenntnisse und Orientierungswissen durch den Austausch mit Praxispartnern zu entwickeln. Dies hob auch Bundesministerin Karliczek unter Verweis auf das Transferprojekt „Frankfurt streitet“ des Frankfurter FGZ-Teilinstituts hervor.

Das interdisziplinär besetzte Frankfurter FGZ-Team, das im Forschungsverbund Normative Ordnungen der Goethe-Universität angesiedelt ist, geht unter der Leitung von Prof. Dr. Nicole Deitelhoff (Stellvertretung: Prof. Dr. Daniela Grunow und Prof. Dr. Rainer Forst) der Frage nach, wie die Pluralisierung moderner Gesellschaften auf Fragen des Zusammenhalts einwirkt und wie Konflikte so gestaltet werden können, dass sie demokratischen Zusammenhalt stabilisieren, nicht schwächen.

„Ich freue mich sehr, dass das neue Forschungsinstitut nicht nur mit einem Teilinstitut, sondern auch mit einer Sprecherin und der allgemeinen Geschäftsführung an der Goethe-Universität angesiedelt ist“, kommentierte Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff den Start des FGZ. Viele dringende gesellschaftliche Fragen knüpften an die bereits elfjährige Zusammenarbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ mit der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und dem Frankfurter Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an. „Aus dieser Zusammenarbeit ist viel Forschungsexpertise vorhanden, hier wurde schon immer Disziplinen übergreifend gearbeitet. Der gesellschaftliche Zusammenhalt hat viele fachliche Bezüge; er zwingt dazu, kulturelle, soziale, politische, ökonomische und rechtliche Fragen zusammenzudenken. Ich wünsche allen beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern viel Erfolg bei ihrer wichtigen Arbeit“, so Wolff weiter.

Auch die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn beglückwünscht alle Beteiligten am koordinierenden Standort des FGZ in Frankfurt: „Ich freue mich sehr darüber, dass die Goethe-Universität so maßgeblich an dem neuen Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt beteiligt ist und dass Hessen damit einer der Hauptstandorte ist. Es ist wichtig, dieses Thema intensiv zu erforschen, gerade Zeiten, in denen Spalter und Hetzer viel Gehör finden. Wir erhoffen uns wesentliche Impulse dafür, wie wir als Gesellschaft auch künftig in Frieden und Wohlstand miteinander leben können. Deshalb unterstützen wir auch gern die Geschäftsstelle des Instituts an der Goethe-Universität in Frankfurt aus Landesmitteln."

Informationen: Rebecca Caroline Schmidt, Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Administrative Geschäftsführerin, c/o Forschungsverbund Normative Ordnungen der Goethe-Universität, Telefon +49 69 798-31400, E-Mail rebecca.schmidt@normativeorders.net. Weitere Informationen zum Start des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt finden Sie in der Pressemitteilung des BMBF https://www.bmbf.de/de/karliczek-verstehen-was-eine-moderne-gesellschaft-zusammenhaelt-10704.html?utm_source=hootsuite und der Website des FGZ unter www.fgz-risc.de/.

 

Mai 29 2020
12:37

​DFG bewilligt neuen Transregio-Sonderforschungsbereich an der Goethe-Universität

Gebündelte Forschung zu Quantenmaterialien

FRANKFURT. Quantenmaterialien zeichnen sich durch ungewöhnliche physikalische Eigenschaften aus, die sich nur mithilfe der Quantentheorie erklären lassen – etwa die Supraleitung. Ein neuer Transregio-Sonderforschungsbereich (SFB-TRR) unter Federführung der Goethe-Universität in enger Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und dem Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe in Dresden wird Quantenmaterialien untersuchen, deren Eigenschaften sich in besonderem Maße durch elastische Verformung verändern lassen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben in den kommenden vier Jahren mit insgesamt rund 10 Millionen Euro.

„Jedes Quantenmaterial ist ein eigenes Universum für sich“, sagt Sprecherin Prof. Maria-Roser Valentí vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität. Denn in den chemisch komplexen Materialien treten eigene Gesetzmäßigkeiten, Felder und Teilchen auf. So finden sich in Supraleitern paarweise gekoppelte Elektronen (Cooper-Paare), die gemeinsam wie ein einziges Teilchen widerstandslos durch das Kristallgitter wandern. In den vergangenen Jahren haben Physikerinnen und Physiker zahlreiche neue Materialien mit solchen außergewöhnlichen Eigenschaften entdeckt und synthetisiert.

Allen Quantenmaterialien ist gemein, dass die Elektronen darin einen geordneten „Tanz“ vollführen. Die Choreografie ist oft über weite Energiebereiche und Zeiträume hinaus erhalten. Die Effekte hängen dabei nicht nur von der chemischen Zusammensetzung des Materials ab, sondern auch von äußeren Bedingungen wie Temperatur, Druck oder magnetischen Feldern. Indem man diese ändert, kann man die Eigenschaften eines Quantenmaterials gezielt „frisieren“. Im neuen SFB-TRR wollen Forscherinnen und Forscher insbesondere Quantenmaterialien untersuchen, deren Eigenschaften stark auf elastische Verformung reagieren. „Langfristig möchten wir elektronische Quantenmaterialien entwickeln, die außergewöhnlich gut auf mechanische Verformung ansprechen“, so Valentí.

https://transregio288.org


Weitere Informationen:
Prof. Dr. Maria-Roser Valenti
Institut für Theoretische Physik
Tel.: (069) 798-47816
valenti@itp.uni-frankfurt.de

 

Mai 28 2020
11:07

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg will im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Stadt Frankfurt am Main und der Senckenbergischen Gesellschaft für Naturforschung Raubgut in ihren Beständen aufspüren

Die Herkunft der Bücher

FRANKFURT. Welche Bücher befinden sich zu Unrecht in den Magazinen der Unibibliothek? In einem umfangreichen Projekt wird die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg der Goethe-Universität ihre Altbestände daraufhin überprüfen, ob sich darunter Raubgut aus dem vormaligen Besitz von Verfolgten des NS-Regimes befindet. Kooperationspartner sind die Stadt Frankfurt am Main und die Senckenbergische Gesellschaft für Naturforschung, die als Eigentümer und Dauerleihgeber für einen beträchtlichen Teil der UB-Bestände verantwortlich sind. Die aufwändige Arbeit wird möglich durch Fördergelder vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste.

„Eine Universitätsbibliothek sollte keine zu Unrecht erworbenen Werke in ihren Beständen haben. Das widerspräche dem Ethos von Forschung und Lehre, dem wir uns verpflichtet fühlen“, sagt Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität. „Mit den bewilligten Mitteln können wir uns zunächst einen Überblick verschaffen und in die erste Phase der Aufarbeitung treten“, sagt Wolff. Das Präsidium habe sich besonders für den Antrag beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg stark gemacht. Mit dessen wichtiger Mission fühlt sich Wolff auch noch aus ihrer Zeit als damals dafür zuständige Kultusministerin von Sachsen-Anhalt sehr verbunden.

Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig: „Frankfurt hat mit der gemeinsamen Museumsinitiative ‚Gekauft. Gesammelt. Geraubt?' 2018 einen wichtigen Aufschlag auf dem Gebiet der Provenienzforschung geleistet. Diesen Weg gilt es konsequent weiterzugehen und alle Objekte in den städtischen Instituten einer kritischen Revision zu unterziehen. Was für die Frankfurter Museen gilt, muss auch für die Bestände der ehemaligen Stadtbibliothek gelten: keine städtische Sammlung darf sich im 21. Jahrhundert noch mit Objekten schmücken, die ihren Eigentümern geraubt oder unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung abgepresst worden sind.“

265.000 Euro sind vom Zentrum Kulturgutverluste genehmigt worden, hinzu kommen Eigenmittel der UB und Zuschüsse der Stadt Frankfurt, so dass für das Projekt insgesamt 333.000 Euro zur Verfügung stehen. Damit können zwei wissenschaftliche Mitarbeiterstellen finanziert werden sowie studentische Hilfskräfte. In den nächsten beiden Jahren steht der Altbestand in der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek im Fokus, und zwar die Bestände der Erscheinungsjahre bis 1945. Stichproben haben bereits mehrere Verdachtsfälle ergeben, etwa durch Indizien wie den handschriftlichen Namenszug einer jüdischen Wissenschaftlerin oder das Ex Libris einer jüdischen Krankenschwester. Diese Bücher gehören seit vielen Jahrzehnten zum Bestand – doch woher kamen sie? Darüber soll das jetzt bewilligte Projekt Aufschluss geben.

Bereits in den 1950er Jahren waren Bände aus verschiedenen Teilbibliotheken der damaligen Stadt- und Universitätsbibliothek an das Institut für Sozialforschung zurückgegeben (restituiert) worden. Das Institut war von den Nationalsozialisten geschlossen, die Bücher in unterschiedliche Hände übergeben worden. Eine kontinuierliche Suche nach belasteten Beständen parallel zum Alltagsbetrieb hat sich jedoch als schwierig erwiesen. Im neuen Jahrtausend kam jedoch Bewegung in die Sache. „Schon dem früheren Direktor der Universitätsbibliothek Dr. Heiner Schnelling war es ein besonders wichtiges Anliegen, den Bestand auf eine etwaige NS-Belastung zu untersuchen“, sagt Dr. Mathias Jehn, der in der Universitätsbibliothek die Abteilung Bestandserhaltung und Digitalisierung leitet. Bei zwei unabhängigen Historikern hatte das Fritz-Bauer-Institut an der Goethe-Universität 2014 ein Gutachten in Auftrag gegeben. Sie sollten herausfinden, ob sich eine vertiefte Provenienzforschung lohnen würde. Die Antwort war eindeutig: Ja, denn es wurden einige Indizien gefunden.

Insgesamt rund 79.000 Bände sollen in den zunächst zwei Jahren der Projektförderung durchgesehen werden, dabei wird man sich auf die Zentralbibliothek in Bockenheim konzentrieren. Es geht um die Bücher, die zwischen 1942 und 1945 in den Bestand aufgenommen wurden, sowie die Bände mit der Signatur 00. Ein Großteil davon stammt aus dem Offenbach Archival Depot, das nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern eingerichtet worden war, um Raubgut an die Besitzer zurückzugeben. Bei vielen Exemplaren war das damals nicht möglich, weil man die Herkunft nicht genau ermitteln konnte. Und so wurden die Restbestände an verschiedene Bibliotheken verteilt. „Heute haben wir ganz andere Recherchemöglichkeiten“, sagt Maria Nüchter, die als Bibliotheks-Referendarin in der UB arbeitet und als Projektmitarbeiterin in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart bereits Erfahrung in der Provenienzforschung gesammelt hat. Über das Internet seien zahlreiche Datenbanken verfügbar, in denen man Hinweise auf Vorbesitzer finden könne. Wenn kein Eigentumsvermerk in Form eines Stempels, eines Exlibris-Aufklebers oder einer handschriftlichen Eintragung vorhanden ist, wird es allerdings schwierig: „Bücher sind ja keine Unikate wie Kunstwerke, die eindeutig zugeordnet werden können“, sagt Nüchter. Dann bleibe nur, die Bücher in die Datenbank „Lost Art“ beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste einzutragen, um auf diese Weise ein wenig Gerechtigkeit herzustellen – und vielleicht doch noch den rechtmäßigen Eigentümer zu finden.

Insgesamt rund 2,87 Millionen Euro hat der Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg auf Empfehlung des Förderbeirates „NS-Raubgut“ in der ersten Antragsrunde 2020 zur Verfügung gestellt, damit Museen, Bibliotheken, wissenschaftliche Einrichtungen, aber auch Privatpersonen der Herkunft ihrer Objekte auf den Grund gehen können. Seit 2008 fördern Bund und Länder Projekte zur Provenienzforschung, bis heute wurden dafür 34,7 Millionen Euro für 358 Projekte ausgegeben. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Rückgabe gibt es in Deutschland nicht, allerdings hat sich auch die Bundesrepublik im Rahmen der Washingtoner Erklärung dazu verpflichtet.

 
Ein Bild zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/88763256

Bildtext:
Problemlos zuzuordnen sind Bücher mit dem Stempel des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Dessen Bibliothek war 1933 beschlagnahmt und über mehrere Bibliotheken in Deutschland verteilt worden, unter anderem auch an die Universitätsbibliothek. (Foto: Nüchter)

Informationen: Dr. Mathias Jehn, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Bockenheimer Landstr. 134-138, Telefon 069 798-39007, E-Mail: m.jehn@ub.uni-frankfurt.de