​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Apr 6 2023
10:08

Ringvorlesung an der Goethe-Universität zum gesellschaftlichen Umgang mit Ursachen und Wirkungen des Islamismus in Deutschland und Europa

Wie der Islamismus westliche Gesellschaften herausfordert

FRANKFURT. Spätestens seit den Attentaten vom 11. September 2001 wird der radikale Islam in westlichen Gesellschaften als unmittelbare Bedrohung wahrgenommen. Kam diese damals noch vorrangig von außen, so sind radikale Strömungen des Islam heute zu einer innergesellschaftlichen Herausforderung geworden. Was sind die sozialen, politischen, kulturellen und historischen Gründe für diese Entwicklung? Und wie wirken sie sich etwa durch Verunsicherungen und Bedrohungen auf das gesellschaftliche Leben aus?

Zur Erforschung dieser Fragen fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) deutschlandweit zwölf Forschungsprojekte in der RADIS-Förderlinie: Sie betreiben Grundlagenforschung zu den Ursachen und Wirkungen von Islamismus und Radikalisierung in Deutschland und Europa und denken dabei die gesellschaftliche Relevanz ihrer Forschung immer mit. In der Förderlinie erheben rund 100 Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen u.a. durch Umfragen und Interviews ein umfangreiches Datenmaterial – etwa darüber, wie muslimische Organisationen nach Anschlägen mit islamistischem Hintergrund kommuniziert haben, wie Schule und der islamische Religionsunterricht präventiv gegen islamistische Radikalisierung vorgehen können und welche Rolle Familie und soziales Umfeld für den individuellen Prozess der Radikalisierung und die Abwendung von ihm spielen.

Aktuell ist Halbzeit bei den meisten der bis 2025 geförderten Projekte. Dies nehmen die Forscher*innen zum Anlass, die ersten gebündelten Ergebnisse ihrer Studien vorzustellen: Die Ringvorlesung

Islamismus in Deutschland und Europa: Gesellschaftlicher Umgang mit Ursachen und Wirkungen,
findet statt donnerstags um 18:15 Uhr
auf dem Uni Campus Westend.

Sie wird organisiert in Zusammenarbeit mit der Forschungsinitiative „ConTrust –   Vertrauen im Konflikt“ der Goethe-Universität.

Zum Auftakt der Reihe sprechen am 20. April die Sozialwissenschaftler PD Dr. Özkan Ezli und Prof. Dr. Levent Tezcan von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter dem Titel „'Man kann den Islam nur in den eigenen vier Wänden ausleben'. Ressentiment in Theorie und Praxis“. In ihrem Vortrag geht es darum, wie Diskriminierungs- und Kränkungserfahrungen in der Einwanderungsgesellschaft verarbeitet werden.

Weitere Vortragende sind der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg PD Dr. Martin Kahl (Universität Hamburg), Elif Durmaz von der FH Bielefeld, die Sozialpädagogin Alexandra Schramm (Vechta), Prof. Dr. Mehmet Kart, Professor für Soziale Arbeit an der IU Internationale Hochschule, und der Religionssoziologe und Theologe Dr. Youssef Dennaoui von der RWTH Aachen.

Veranstaltet wird die Vortragsreihe von „RADIS – Transfervorhaben Gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam in Deutschland und Europa“, dem Begleit- und Transferprojekt zur Förderlinie am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld in Kooperation mit der Forschungsinitiative „ConTrust – Vertrauen im Konflikt. Politisches Zusammenleben unter Bedingungen der Ungewissheit“. Neben Frankfurt sind die Universitäten Aachen, Leipzig und Erlangen Orte, an denen die Ergebnisse des Förderprogramms vorgestellt werden.

Die öffentlichen Vorträge finden im Hörsaalgebäude, Theodor-W.-Adorno-Platz 5, statt oder im Gebäude der Sprach- und Kulturwissenschaft (SKW), Rostocker Straße 2. Der Eintritt ist frei.

Die Veranstaltungen im Überblick:

20. April 2023, Hörsaalzentrum HZ 7
"Man kann den Islam nur in den eigenen vier Wänden ausleben". Ressentiment in Theorie und Praxis
PD Dr. Özkan Ezli / Prof. Dr. Levent Tezcan, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

11. Mai 2023, Hörsaalzentrum HZ 6
Was bestimmt den (institutionellen) Umgang mit Islamismus in Deutschland?
PD Dr. Martin Kahl, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg

25. Mai 2023, Hörsaalzentrum HZ 10
Strategische Kommunikation muslimischer Organisationen nach Anschlägen mit islamistischem Hintergrund
Elif Durmaz, FH Bielefeld

15. Juni 2023, Hörsaalzentrum HZ 7
Aufgaben und Möglichkeiten des islamischen Religionsunterrichts und der Schule in der Prävention islamistischer Radikalisierung
Alexandra Schramm, Universität Vechta

29. Juni 2023, Sprach- und Kulturwissenschaft (SKW) – SKW B
Die Rolle von Sozialisationsinstanzen in Prozessen der Hinwendung zum und Abwendung vom Islamismus
Prof. Dr. Mehmet Kart, IU Internationale Hochschule

6. Juli 2023, Hörsaalzentrum HZ 13
Umkämpfte Religion: Überbietungskämpfe im Islam und ihre Folgen dargestellt am Beispiel des Salafismus in Marokko und Deutschland
Dr. Youssef Dennaoui, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Weitere Informationen unter: www.radis-forschung.de/ringvorlesung und https://contrust.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen
Anke Harms
Referentin für Wissenschaftskommunikation des Forschungszentrums
„Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität
069/798-31407
anke.harms@normativeorders.net

Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 4 2023
15:35

Zum UNISTART werden über 2.000 Erstsemester erwartet. Begrüßung von Universitätspräsident Enrico Schleiff, Kulturdezernentin Ina Hartwig und dem AStA.

Auf ins Sommersemester: Goethe-Universität freut sich auf neue Studierende

FRANKFURT. Die Goethe-Universität wird am Mittwoch, 5. April, ihre neuen Studierenden begrüßen: Für ungefähr 2.000 „Erstis“ startet das Sommersemester 2023 mit einer großen fachübergreifenden Veranstaltung im Hörsaalzentrum auf dem Campus Westend. Begrüßt werden sie von Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt, Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff sowie dem AStA-Vorstand. Die Ansprachen werden live im Netz übertragen. Medienvertreter*innen sind herzlich eingeladen, sich einen Eindruck vom UNISTART zu verschaffen. 

Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff betont: „Der UNISTART ist eine tolle Gelegenheit für alle Erstsemester, sich einen Eindruck von den vielen Möglichkeiten an der Uni zu verschaffen, aber auch mit ihren Kommiliton*innen in Kontakt zu treten. Ich freue mich viele zu sehen, die an der Goethe-Universität studieren oder studieren werden. Auf sie wartet eine aufregende Lebensphase, in der sie sich nicht nur berufliche Perspektiven erarbeiten, sondern auch viele bereichernde Menschen kennen lernen und sich in unterschiedlichsten Initiativen engagieren können.“

Auf der Veranstaltung wartet ein reichhaltiges Programm auf die neuen Studierenden: Neben den offiziellen Begrüßungsansprachen (ab 13.00 Uhr im Hörsaal 2) finden zahlreiche Vorträge, Q&A-Sessions und ein spannendes Workshop-Programm über den Tag verteilt statt. So stellen sich unter anderem das Hochschulrechenzentrum, der Hochschulsport und das Schreibzentrum vor. Drei Workshops zum Thema Nachhaltigkeit zeigen unter anderem auf, wie Studierende die sozial-ökologische Transformation an Hochschulen vorantreiben können. Auf der begleitenden Messe im Hörsaalzentrum haben die Erstis die Möglichkeit, direkt mit zentralen Ansprechpartnern der Goethe-Universität sowie höheren Fachsemestern ins Gespräch zu kommen. 

Der reguläre Vorlesungsbetrieb für alle Studierenden beginnt ab dem kommenden Montag. Insgesamt wird mit ungefähr 41.000 Studierenden im Sommersemester gerechnet. Besonders nachgefragt waren erneut Fächer wie Zahnmedizin und Pharmazie. 

Mehr zum Programm der UNISTART-Begrüßungsveranstaltung unter www.unistart-frankfurt.de/ 


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 4 2023
09:03

Internationales Forschungsteam aus Deutschland, Österreich, Kanada, den Niederlanden und den USA wendet neues Verfahren zur Karbonat-Analyse auf Eierschalen von Dinosauriern, Reptilien und Vögeln an

Analyse von Dinosaurier-Eierschalen: Vogelähnlicher Troodon legte 4 bis 6 Eier in ein Gemeinschaftsnest

Troodon, ein mit heutigen Vögeln eng verwandter Dinosaurier, war zwar ein Warmblüter. Sein Fortpflanzungssystem jedoch ähnelte dem von Reptilien. Dies hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Goethe-Universität Frankfurt jetzt festgestellt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wandten eine neue Methode zur genauen Bestimmung der Temperatur an, bei der die Kalkschalen der Dinosauriereier gebildet wurden. Außerdem zeigten die Forschenden, dass ein Troodon-Gelege vier bis sechs Eier umfasste. Da Nester mit bis zu 24 Eiern gefunden wurden, schließen die Forschenden, dass mehrere Troodon-Weibchen ihre Eier in Gemeinschaftsnester legten.

FRANKFURT. In Millionen von Jahren und als Folge vieler kleiner Veränderungen entwickelte sich eine bestimmte Gruppe von Dinosauriern, die Theropoden, zu den Vögeln, die wir heute auf unserem Planeten fliegen sehen. Vögel sind damit die einzigen Nachfahren der Dinosaurier, die das katastrophale Aussterben überlebten, das vor 66 Millionen Jahren die Kreidezeit beendete.

Troodon war ein solcher Theropode. Der fleischfressende Dinosaurier war etwa zwei Meter lang und bevölkerte vor etwa 75 Millionen Jahren die weiten, halbtrockenen Landschaften Nordamerikas. Wie einige seiner Dinosaurier-Verwandten besaß Troodon einige vogelähnliche Merkmale wie hohle und leichte Knochen. Troodon bewegte sich auf zwei Beinen fort und hatte voll entwickelte, gefiederte Flügel. Da er jedoch recht groß war, konnte er nicht fliegen. Stattdessen lief er wahrscheinlich recht schnell und fing seine Beute mit seinen starken Krallen. Troodon-Weibchen legten Eier, die mehr den asymmetrischen Eiern moderner Vögel glichen als den runden Eiern von Reptilien, den ältesten Verwandten aller Dinosaurier. Die Troodon-Eier waren gefärbt und wurden halb in den Boden eingegraben aufgefunden. Sie wurden von Troodon wahrscheinlich sitzend bebrütet.

Ein internationales Wissenschaftsteam um Dr. Mattia Tagliavento und Prof. Jens Fiebig von der Goethe-Universität Frankfurt hat nun das Kalziumkarbonat einiger gut erhaltener Troodon-Eierschalen untersucht. Die Forscher nutzten dafür eine von Fiebigs Arbeitsgruppe im Jahr 2019 entwickelte Methode, die „dual clumped isotope thermometry“. Damit konnten sie messen, inwieweit schwere Elementvarianten (Isotope) von Sauerstoff und Kohlenstoff im Karbonat nebeneinander gruppiert vorkommen. Das Ausmaß dieser „Isotopengruppierung“ ist temperaturabhängig und ermöglichte es daher den Wissenschaftlern, die Temperatur zu bestimmen, bei der die Karbonate kristallisierten.

Bei der Analyse der Troodon-Eierschalen stellte das Forscherteam fest, dass diese bei Temperaturen von 42 und 30 Grad Celsius gebildet wurden. Mattia Tagliavento, Erstautor der Studie, erklärt: "Die Isotopenzusammensetzung der Troodon-Eierschalen zeigt, dass diese ausgestorbenen Tiere eine Körpertemperatur von 42°C hatten und in der Lage waren, diese auf etwa 30°C zu senken, wie moderne Vögel."

Um herauszufinden, ob Troodon modernen Vögeln oder Reptilien ähnlicher war, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Isotopenzusammensetzung der Eierschalen verschiedener Reptilien (Krokodil, Alligator und verschiedene Schildkrötenarten) und Vögel (Huhn, Spatz, Zaunkönig, Emu, Kiwi, Kasuar und Strauß). Sie fanden zwei unterschiedliche Isotopenmuster: Die Schalen von Reptilieneiern haben eine Isotopenzusammensetzung, die einer Bildung bei der Umgebungstemperatur entspricht. Dies rührt daher, dass die Tiere kaltblütig sind und ihre Eier langsam bilden. Bei Vögeln hingegen ist eine sogenannte „nicht-thermische Signatur“ in der Isotopenzusammensetzung erkennbar, die darauf hindeutet, dass die Eierschalenbildung sehr schnell erfolgt. Tagliavento: „Wir glauben, dass diese sehr hohe Produktionsrate damit zusammenhängt, dass Vögel im Gegensatz zu Reptilien nur einen Eierstock haben. Da sie jeweils nur ein Ei nach dem anderen produzieren können, müssen Vögel dies schneller tun“.

In den Troodon-Eierschalen konnten die Forscher die für Vögel typische Isotopenzusammensetzung nicht feststellen. Tagliavento ist überzeugt: „Dies zeigt, dass Troodon seine Eier auf eine Weise gebildet hat, die eher mit der moderner Reptilien vergleichbar ist, und es deutet darauf hin, dass sein Fortpflanzungssystem noch aus zwei Eierstöcken bestand.“

Unter der zusätzlichen Berücksichtigung des bereits bekannten Körper- und Eierschalengewichts von Troodon berechneten die Forscherinnen und Forscher anhand ihrer Analysen, dass Troodon nur 4 bis 6 Eier pro Fortpflanzungsphase produzierte. „Diese Beobachtung ist besonders interessant, weil Troodon-Nester normalerweise groß sind und bis zu 24 Eier enthalten“, erklärt Tagliavento. „Wir denken, dass dies ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Troodon-Weibchen ihre Eier in Gemeinschaftsnester legten. Ein solches Verhalten beobachten wir heutzutage bei modernen Straußen.“

Dies seien sehr spannende Erkenntnisse, findet Jens Fiebig: „Ursprünglich haben wir die ‚dual clumped isotope'-Thermometrie entwickelt, um die Temperaturen der Erdoberfläche vergangener geologischer Epochen genau zu rekonstruieren. Unsere neue Untersuchung zeigt, dass unsere Methode nicht nur eine zuverlässige Rekonstruktion der Temperatur erlaubt, sondern auch ermöglicht zu untersuchen, wie sich die Biomineralisierung von Karbonaten im Laufe der Erdgeschichte entwickelt hat.“

Publikation: Mattia Tagliavento, Amelia J. Davies, Miguel Bernecker, Philip T. Staudigel, Robin R. Dawson, Martin Dietzel, Katja Goetschl, Weifu Guo, Anne S. Schulp, François Therrien, Darla K. Zelenitsky, Axel Gerdes, Wolfgang Müller, Jens Fiebig: Evidence for heterothermic endothermy and reptile-like eggshell mineralization in Troodon, a non-avian maniraptoran theropod. PNAS (2023) https://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2213987120

Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/134845598

Bildtext: So könnte es ausgesehen haben: Zwei Troodons mit einem gemeinsamen Nest. Bild: Alex Boersma/PNAS

Beteiligte Partner:
Institute of Geosciences, Goethe University Frankfurt, Germany
Frankfurt Isotope and Element Research Center (FIERCE), Goethe University Frankfurt, Germany.
Institute of Applied Geosciences, Graz University of Technology, Austria.
Royal Tyrrell Museum of Palaeontology, Drumheller, Canada.
Department of Geoscience, University of Calgary, Canada.
Naturalis Biodiversity Center, Leiden, the Netherlands
Department of Earth Sciences, Universiteit Utrecht, the Netherlands
Department of Geosciences, University of Massachusetts, USA
Morrill Science Center, Amherst, USA
Department of Geology and Geophysics, Woods Hole Oceanographic Institution, USA

Hintergrund:
Thermometer für die Erdgeschichte: „Dual clumped isotope“-Methode zur Karbonatanalyse (2020) 
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/geowissenschaften-exakte-klimadaten-aus-der-vergangenheit/

Weitere Informationen:

Goethe-Universität Frankfurt
Institut für Geowissenschaften

Dr. Mattia Tagliavento
Tel. +49 176 64735849
Tagliavento@geo.uni-frankfurt.de

apl. Prof. Dr. Jens Fiebig
Tel: +49 (0) 69 798 40182
Jens.Fiebig@em.uni-frankfurt.de

Naturalis Biodiversity Center und Utrecht University,
Leiden/Utrecht, Niederlande

Prof. Dr. Anne S. Schulp (Englisch, Deutsch, Niederländisch)
Tel: +31 6 51229317
anne.schulp@naturalis.nl / a.s.schulp@uu.nl

Twitter-Handles: @goetheuni @UUGeo @UMass @UniGraz @WHOI @Naturalis_Sci @RoyalTyrrell @UCalgarySWC @anneschulp  @Naturalis_Sci @museumnaturalis


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 3 2023
18:00

Auszeichnung für wissenschafts- und hochschulpolitische Themen wird zum achten Mal seit 2008 verliehen.

Unbequem, nachfragend und kritisch: Goethe-Medienpreis 2022

FRANKFURT. Das wissenschaftliche Scheitern als Chance, die Gefahren staatlicher Einflussnahme und die Vorbildfunktion wissenschaftlicher Biographien: Faszinierende Themen stehen im Fokus der Verleihung des diesjährigen Goethe-Medienpreises für wissenschafts-und hochschulpolitischen Journalismus an drei herausragende Autorenteams bzw. Einzelautoren renommierter Medien. Prämiert werden drei Arbeiten, die 2021 und 2022 in Print- und Hörfunkmedien erschienen sind.

Jeanette Schindler befasst sich in ihrem Radiofeature mit einem oftmals tabuisierten Thema in der Wissenschaft: mit dem Scheitern. Jede*r Wissenschaftler*in möchte ein Forschungsprojekt erfolgreich zu Ende führen, Misserfolge sind nicht intendiert. Aber birgt nicht auch ein Irrweg, so die Ausgangshypothese in Schindlers Feature, ein Erkenntnispotenzial? Sogenannte „Nullbefunde“ werden bislang im Wissenschaftsbetrieb nicht publiziert oder dokumentiert, obwohl die Forschungsdaten nützlich sein könnten. Jeanette Schindler zeigt in ihrem Beitrag ebenfalls auf, dass gerade Nachwuchswissenschaftler*innen unter großem Druck stehen, sich zu bewähren. In der Corona-Pandemie reagierten viele Menschen, auch Politiker*innen, verärgert und misstrauisch, wenn Wissenschaftler*innen falsche Annahmen in Bezug auf das Corona-Virus korrigieren mussten. Die Jury erkannte dieser mit interessanten und vielfältigen Stimmen angereicherten Arbeit („Scheitern in den Wissenschaften“, Radiofeature SWR 2, gesendet am 3. März 2022) den ersten Preis zu, der mit 4000 € dotiert ist.

Fördert die deutsche Wissenschaft indirekt das chinesische Militär? Sind die deutschen Wissenschaftler*innen und Universitäten sich der Gefahr eines Know-How-Transfers bewusst und wie gehen sie damit um? Diesen Fragen ist ein Autoren- und Rechercheteam von Süddeutsche Zeitung, Correctiv, Deutsche Welle und Deutschlandfunk in einer Recherche zusammen mit weiteren europäischen Partnern nachgegangen. Die Beiträge im Rahmen der “China Science Investigation" erschienen am 19. und 20.Mai 2022, dafür erhält das Team von der Jury den mit 1800 € dotierten zweiten Preis. Die Journalist*innen werteten tausende wissenschaftliche Paper aus und recherchierte im chinesischen Netz zu den persönlichen Verstrickungen zahlreicher chinesischer Wissenschaftler mit dem chinesischen Militärapparat. Mit der Recherche konnte aufgezeigt werden, dass in vielen Fällen die Universitäten, an denen chinesische Kolleg*innen arbeiten, dem chinesischen Militär nahe oder sind ihm sogar ganz unterstellt sind. Mit der Recherchearbeit konnten der deutschen Wissenschaftspolitik wichtige Impulse gegeben werden, um das Verhältnis gegenüber China nachhaltig auf den Prüfstand zu stellen.

Die mit 1000 € dotierte dritte Preisträgerarbeit von Friederike Haupt („Vorbilder“, erschienen in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 5.12.2021) befasst sich mit zwei Physikerinnen, die die Welt verändert haben, wenn auch in ganz unterschiedlichen Epochen und gesellschaftlichen Sphären: Es geht um eine biographische Parallelität, auch um die Bedeutung von Vorbildern, um sich in bewegten Zeiten orientieren zu können. Friederike Haupt zeichnet in ihrem Beitrag einfühlsam und anschaulich nach, wie stark die Wissenschaftlerin Marie Curie die Politikerin Angela Merkel auf ihrem Weg geprägt hat. Merkel war 18 Jahre Bundesvorsitzende der CDU, 16 Jahre lang Bundeskanzlerin; auch wenn sie zum Ende ihrer Amtszeit betont hat, dass Politiker*innen keine Vorbilder sein müssten, hat sie in Reden immer wieder Bezug auf Marie Curie genommen, um gerade junge Mädchen und Frauen zu motivieren, ihren Weg zu gehen, auch und gerade in die Wissenschaft.

Der Präsident der Goethe-Universität, Prof. Enrico Schleiff, sagt: „Wichtige und relevante wissenschaftliche oder gesellschaftliche Themen, oft mit komplizierten Hintergründen und Zusammenhängen, so aufzuarbeiten, dass sowohl die Frage als auch die Antwort verständlich und greifbar für die Breite der Gesellschaft wird, ist eine hohe Kunst und von unschätzbarem Wert. Das deutsche Wissenschaftssystem hat viel für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu bieten, und dies durch Wissenschaftskommunikation auf höchstem Niveau zu vermitteln ist wichtiger denn je. Mit dem Goethe-Medienpreis wird zum wiederholten Mal außerordentliche Qualität im wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus ausgezeichnet. Die prämierten Beiträge diskutierten die Funktionsweise der Wissenschaft, den Wert der wissenschaftlichen Bildung für die Selbstbestimmung des Individuums und ihre Verantwortung in der internationalen Zusammenarbeit - drei Fragen mit Relevanz für die Akzeptanz der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir danken unseren Partnern, der FAZIT-Stiftung und dem Deutschen Hochschulverband, für die Möglichkeit, seit langem herausragende Leistungen im Wissenschaftsjournalismus auch als Role Model für zukünftige Arbeiten auszeichnen zu können.“

Für die Jury erklärte Carsten Knop, Herausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Die ausgezeichneten Arbeiten sind Musterbeispiele für sorgfältige Recherche, kenntnisreiche Darstellung und für eine Sprache, die ihrem Thema gerecht wird. Der nachforschende, nachfragende, nachdenkliche Journalismus ist nicht von gestern, sondern sehr lebendig. Und das gilt natürlich nicht nur für geschriebene Texte, sondern auch für die Audio- und Videoformate im Wettbewerb. Die Jury findet: Die Beiträge von Jeanette Schindler, Lea Weinmann (et al.) und Friederike Haupt sind ausgezeichneter Journalismus, und sie stehen für das, was den Beruf immer ausgezeichnet hat und ausmachen wird.“

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Prof. Dr. Bernhard Kempen: „Journalistinnen und Journalisten erklären der Öffentlichkeit nicht nur die Hochschulwelt oder die Forschung. Zu ihren Kernaufgaben gehört vielmehr auch, zu hinterfragen und einzuordnen, mithin kritisch und unbequem zu sein, weil sie Distanz haben und wahren müssen. Mein herzlicher Glückwunsch geht an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger, die diesen Anspruch in herausragender Weise erfüllen. Ihre Arbeiten stehen für qualitätsbewussten wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus, für den der Goethe-Medienpreis als bundesweit erste Auszeichnung dankenswerter Weise seit nunmehr 15 Jahren eine Bresche schlägt.“

Der 2008 von der Goethe-Universität ins Leben gerufene und von der FAZIT-Stiftung unterstützte, unabhängige Medienpreis prämiert 2022/23 zum achten Mal stilistisch und inhaltlich herausragende Beispiele für hochschul- und wissenschaftspolitischen Journalismus. Mit dem Preis wollen die Jury und die Initiatoren des Preises einen Impuls geben, um dieser Gattung von Journalismus mehr Beachtung zu verschaffen. Der Goethe-Medienpreis wurde am 3. April 2023 im Rahmen der „Gala der Deutschen Wissenschaft“ des DHV im Berliner Schauspielhaus verliehen.


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 30 2023
11:49

„Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt“ zeichnet kreative Konzepte von Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern aus 

Wie Frankfurt nachhaltig Artenvielfalt fördern kann 

Gemeinsame Pressemitteilung

Goethe-Universität Frankfurt, Palmengarten, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Stadt Frankfurt und Frankfurter Sparkasse

Ein MainWäldchen, Wildpflanzenbiotope für Nachtfalter sowie Totholzinseln sind die Projektideen von drei Frankfurter Initiativen, die am Mittwoch im Rahmen des „Ideenwettbewerbs Biodiversität Frankfurt“ in einem Festakt preisgekrönt wurden. Zehn Projekte für mehr Biodiversität und Gemeinwohl in der Stadt standen der Jury zur Auswahl.     

FRANKFURT. Eine Kleinstwildnis inmitten der Stadt, die heimischen Baumarten, Vögeln und Insekten ein Zuhause bietet – Vorbild für das Projekt des 1. Preisträgers „MainWäldchen – der Tiny Forest in Frankfurt a.M.“ des „Ideenwettbewerbs Biodiversität Frankfurt“ ist die Pflanzmethode des Japaners Akira Miyawaki. In dieser wird durch die Regeneration des Bodens und eine dichte, standortangepasste Bepflanzung mit heimischen Bäumen und Sträuchern eine – bislang ökologisch wertlose – Fläche in kurzer Zeit zu einem hochdiversen Waldsystem für zahlreiche Insekten- und Vogelarten. Für ihr Projekt – der erste Tiny Forest in Frankfurt – erhielt die Initiative Citizen Science Projekt „MainStadtBaum“ und Greenpeace Frankfurt ein Preisgeld von 15.000 Euro.  

Der Ideenwettbewerb von Goethe-Universität, Palmengarten, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Dezernat für Klima, Umwelt und Frauen der Stadt Frankfurt und Frankfurter Sparkasse hat zum Ziel, Projekte aus der Stadtgesellschaft zu unterstützen, die die urbane Artenvielfalt erhalten oder fördern. Zehn Projekte kamen nach der Ausschreibung im September 2022 in die engere Auswahl. Deren Vertreterinnen und Vertreter waren bei der Preisvergabe ebenso anwesend wie die Jury aus den beteiligten Institutionen: Prof. Dr. Enrico Schleiff, Goethe-Universität, Dr. Julia Krohmer, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Dr. Katja Heubach, Palmengarten, Stadträtin Rosemarie Heilig, Dezernat für Klima, Umwelt und Frauen der Stadt Frankfurt, und Bernd Jenne von der Frankfurter Sparkasse, die die Preisgelder anlässlich ihres 200-jährigen Jubiläums zur Verfügung stellte. Die Laudationen hielt Nele Kress, Referentin des im vergangenen Jahr gegründeten Nachhaltigkeitsbüros der Goethe-Universität, das den Ideenwettbewerb betreut hat.

Den 2. Platz, dotiert mit 10.000 Euro, sprach die Jury dem Projekt „Nektar-Bar für Nachtschwärmer“ von Christoph Schuch und Monika Peukert zu. Das Pilotprojekt sieht kleine Wildpflanzenbiotope nachtaktiver Flora in der Stadt vor – sie sollen als ein Standardmodell für Biotope dienen, welche die Population wichtiger Bestäuberinsekten wie etwa Nachtfalter und Fledermäuse erhöhen. Die Jury hob lobend hervor, dass das Projekt mit wenig Mitteln einen Lebensraum für Lebewesen schaffen will, die ansonsten wenig wahrgenommen werden. 

Den 3., mit 5.000 Euro dotierten Preis erhielt das Projekt „Ist das Lebensraum oder kann das weg? Totholz für ein lebendiges Frankfurt“ von Tim Milz und Aaron Kauffeldt. Das Konzept der beiden Studenten der Goethe-Universität sieht Totholzinseln in der Stadt vor, die den Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen fördern. Die Totholzinseln, so die Jury, verbesserten nicht nur die Fähigkeit, Wasser im Boden zu halten; sie trügen auch zur Bodenbildung wie zur Speicherung von Kohlenstoff bei und seien mit einfachen Mitteln nachahmbar.

„Die Biodiversität ist gefährdet wie noch nie – dabei ist diese so immens wichtig für unser Leben in Zeiten des Klimawandels. Schnelles globales und lokales Handeln ist das Gebot der Stunde! Und diese Aufgabe können wir nur als Gesellschaft lösen. Der Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt soll wachrütteln und die städtische Öffentlichkeit zum Nachdenken und zum Mitmachen bewegen“, so Universitätspräsident Enrico Schleiff. „Wir suchten – und bekamen! – kreative und pragmatische Projekte, die leicht kleine Inseln zur Förderung der lokalen Biodiversität im städtischen Asphaltdschungel schaffen, indem sie von jedermann und jederfrau selbst vor der Haustür umgesetzt werden können. Wir haben die Hoffnung, die Ideen, die wir riefen, nicht wieder loszuwerden!“ Als Stadtgesellschaft gemeinschaftlich vorzugehen, spielt in vielen Projekten eine zentrale Rolle – etwa durch das Ansprechen von Nachbarschaften, von angrenzenden Kindergärten, Schulen und Seniorenresidenzen. Zudem haben die Projektmitglieder bereits mögliche Standorte erkundet und Vorgespräche mit Institutionen geführt, die in die Umsetzung der Projekte miteinbezogen werden müssen.

Schleiff betonte das hohe Engagement aller Beteiligten, auch der nicht prämierten Projekte, deren Mitgliedern der Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Prof. Dr. Klement Tockner seine Anerkennung aussprach. Er ermunterte die Projektinitiator*innen sich untereinander weiterhin zu vernetzen und bei ihren Projekten unterstützend zu begleiten.

Die Auswahl der Initiativen erfolgte in einem zweistufigen Verfahren: Aus den 38 eingesandten Vorschlägen wählte die Jury zunächst zehn Ideen, die sogenannte „Shortlist“, aus. Die ausgewählten Gruppen oder Personen wurden dann zur Ausarbeitung eines detaillierten Konzepts aufgefordert – von Patinnen und Paten fachlich begleitet und unterstützt durch einen Workshop, der im Februar im Palmengarten mit den Partnerinstitutionen ausgerichtet wurde.

Zum Hintergrund:

Was ist Biodiversität?

Schwindende Populationen von Feldhamster und Hummel sind keine Bagatelle – als Biodiversität gilt eine Vielfalt der Ökosysteme, genetische Vielfalt und ein Reichtum an Arten bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen. Nur sie geben der Natur den Spielraum, auf Umweltveränderungen zu reagieren und sich zu regenerieren. Am Beispiel des Insektenschwunds zeigt sich, wie der Verlust einiger Mitspieler das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen kann: Mehr als 80 Prozent der Erträge im Pflanzen- und Obstbau sind hierzulande von der Insektenbestäubung abhängig.

Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) schätzt, dass weltweit rund eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Veränderungen der Land- und Meeresnutzung, direkte Ausbeutung von Organismen, Klimaveränderungen, Verschmutzung und invasive Arten bewirken den massiven Rückgang von Arten und den Verlust von Ökosystemen. Dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist eine der zentralen Aufgaben unserer Zeit, die eng verwoben ist mit drängenden Themen wie Ernährungssicherheit, Klimaschutz und -anpassung oder funktionierenden Stoffkreisläufen. 

“Shortlist" der ausgezeichneten Initiativen im „Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt“ (alphabetische Reihenfolge):

  1. Green it up! – mein kunterbuntes Quartier
  2. Interaktiver Naturerlebnispfad auf dem Hauptfriedhof: Wildes Leben auf dem Friedhof
  3. Ist das Lebensraum oder kann das weg? Totholz für ein lebendiges Frankfurt (3. Preis)
  4. MainWäldchen – der Tiny Forest in Frankfurt a.M.“ (1. Preis)
  5. Mehr Wasser für den Frankfurter Stadtwald (Oberwald)
  6. Nektar-Bar für Nachtschwärmer (2. Preis)
  7. Permakultur-Dachfarm – ein essbares Ökosystem für mehr Biodiversität
  8. Schmetterlingswiesen-Verbund Berger Südhang
  9. Sweetspot 1000+1: Ein Mosaik aus Trittsteinbiotopen für Frankfurt
  10. Waldgadde als Bildungs- und Begegnungsort

Eine kurze Vorstellung der Ideen findet sich auf der Projektwebseite www.ideen-biodiversitaet-frankfurt.de.

Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/134749029

Bildtext:
Wollen Inseln zur Förderung der lokalen Biodiversität im städtischen Asphaltdschungel schaffen: die Mitwirkenden des Ideenwettbewerbs Biodiversität Frankfurt (Foto: Jürgen Lecher/Goethe-Universität)

Weitere Informationen
Nele Kress
Referentin Nachhaltigkeitsbüro
Telefon +49 (0)69 798 12356  
E-Mail: kress@nachhaltigkeit.uni-frankfurt.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Mär 30 2023
10:25

Die Linguisten Helmut Weiß und Ewa Trutkowski weisen nach, dass maskuline Personenbezeichnungen im Deutschen stets generisch interpretierbar waren

Generische Maskulinum schon im Althochdeutschen vorhanden

Gendersternchen oder Binnen-i? Unterstrich oder Doppelpunkt? Die feinteilige Diskussion um Notwendigkeit und Ausgestaltung einer „gendergerechten“ Sprache hält an. Prof. Helmut Weiß, der an der Goethe-Universität deutsche Sprachgeschichte lehrt, ist dem sprachhistorischen Aspekt der Debatte auf den Grund gegangen und plädiert für eine Versachlichung.

FRANKFURT. Den tatsächlichen Sprachgebrauch in früheren Epochen des Deutschen haben Prof. Helmut Weiß und Dr. Ewa Trutkowski in einer Studie untersucht, die in der Zeitschrift „Linguistische Berichte“ veröffentlicht worden ist. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwiefern maskuline Personenbezeichnungen zu früheren Zeiten „generisch“ verwendet wurden. Mit dem Ausdruck „generisch“ bezeichnet man in der Grammatiklehre die Möglichkeit, solche Substantive geschlechtsabstrahierend zu verwenden. Weiß und Trutkowski, die gemeinsam in der DFG-Forschungsgruppe „Relativsätze“ forschten, führen den Nachweis darüber, dass maskuline Substantive bereits im Althochdeutschen für beide biologischen Geschlechter verwendet wurden – ebenso wie heute zum Beispiel das grammatikalisch feminine Wort Person oder das Neutrum Mitglied.

Der Auslöser für die Studie sei die E-Mail einer gendersprachkritischen Studentin gewesen, sagt Prof. Weiß, dessen Forschungsschwerpunkt eigentlich in der historischen Grammatik liegt. Die Studentin schrieb, dass das Wort „Studenten“ zwar aufgrund gesellschaftlicher Verhältnisse in der Vergangenheit nicht schon immer sowohl Männer als auch Frauen „gemeint habe“, in der Gegenwart aber durchaus generisch zu verstehen sei. Grammatikalisch maskuline Personenbezeichnungen könnten stets generisch interpretiert werden, antwortete Weiß spontan, hatte dann aber das Gefühl: Das müsste man einmal gründlicher betrachten. So nahmen er und Trutkowski dies als Ausgangshypothese für ihre sprachhistorische Untersuchung.

Für ihre Untersuchung nahmen sich die beiden Linguisten nicht in erster Linie Berufsbezeichnungen vor, sondern Personenbezeichnungen und Charakterisierungen, die seit jeher auch auf Frauen angewandt wurden. Indem man auf diese Weise nicht-linguistische Einflussfaktoren wie die Rolle der Frau in der Gesellschaft möglichst außen vor ließ, habe man das weit verbreitete Argument gegen den Gebrauch des generischen Maskulinums entkräften wollen – nämlich dass dieses eine sprachgeschichtlich sehr junge Erscheinung sei, die erst mit dem Vordringen der Frauen in Männerberufe entstanden sei. Denn das Gegenteil sei der Fall: Das Generische sei sozusagen schon immer im Deutschen fest verankert.

Beispiele wie das Messer, die Gabel, der Löffel machten, so Weiß, schon dem sprachwissenschaftlichen Laien deutlich, dass die Kategorie Genus kaum 1:1 mit einem etwaigen biologischen Geschlecht zusammenhänge. „Für die Verteilung des grammatischen ‚Geschlechts' gibt es durchaus Regeln, aber die sind nicht semantischer Art“, sagt er. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Genera ursprünglich Belebtes (maskulin) und Unbelebtes (neutrum) und Kollektiva (feminin) voneinander unterschieden. Das Genussystem hat vor allem einen syntaktischen Zweck: Da zugeordnete Wörter wie Adjektive formal übereinstimmen (kongruent sind), hilft es bei der Strukturierung von Sätzen und bei der Herstellung von Bezügen zwischen nominalen Ausdrücken (z.B. „Otto kennt Maria, seit er/sie 10 ist“). Zwar besteht durchaus eine Beziehung zwischen Genus und Sexus – allerdings nur in die eine Richtung: Sexus kann sich im Genus bemerkbar machen, der Umkehrschluss ist jedoch nicht zulässig.

Weiß und Trutkowski haben sich allgemeine Personenbezeichnungen vorgenommen wie Freund, Feind, Gast, Nachbar, Sünder – und konnten nachweisen, dass diese im Alt- und Mittelhochdeutschen keineswegs geschlechtsspezifisch verwendet wurden, sondern vielmehr generisch. So schrieb der althochdeutsche Dichter Otfrid von Weißenburg im 9. Jahrhundert von Jesus und Maria als Gästen der Hochzeit von Kana: „Ni ward io in wóroltzitin, / thiu zisámane gihitin, / thaz sih gésto guati / súlihhero rúamti. / Thar was Kríst guater / joh sélba ouh thiu sin múater“ („Zu keiner Zeit hat sich ein Hochzeitspaar rühmen können, so hohe Gäste zu haben (wie diese): Der heilige Christus und auch seine Mutter waren da erschienen.“). Oder im mittelhochdeutschen Frauenbuch von 1257 heißt es: „ir bedörft ein wîp ze friunde niht“ („ihr bedürft eines Weibes zum Freunde nicht“). Auch für die besonders in der Kritik stehenden Personenbezeichnungen auf -er belegt die Untersuchung eine sexusneutrale Verwendung, etwa in dem Satz: „die von alter har burgere zu Straßburg gewesen sind, es sigent frowen oder man“ („die von alters her Bürger in Straßburg gewesen sind, es seien Frauen oder Männer“). Die Endung -er wird auf die lateinische Endung -arius zurückgeführt, die im Althochdeutschen noch in einer maskulinen (-ari) und femininen Form (-âra) vorkam.

Der vor kurzem erschienene Beitrag sei in einer Vorversion von einem Preprint-Server (Lingbuzz) inzwischen mehr als zweieinhalbtausend mal heruntergeladen worden, berichtet Prof. Weiß. Die Reaktionen seien vor allem zustimmend. Insgesamt hofften er und Trutkowski, dass die Studie zur Versachlichung der Debatte beitrage. Weiß selbst ist überzeugt, dass sich die „gendergerechte“ Sprache allenfalls in Teilen der Sprachgemeinschaft durchsetzen werde.

Publikation: Ewa Trutkowski u. Helmut Weiß, Zeugen gesucht! Zur Geschichte des generischen Maskulinums im Deutschen. In: Linguistische Berichte 273/2023. https://doi.org/10.46771/9783967692792_2

Weitere Informationen
Prof. Dr. Helmut Weiß
Professur für Geschichte der deutschen Sprache
Institut für Linguistik
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Telefon 069 798-32674
E-Mail: weiss@lingua.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.uni-frankfurt.de/59458358/Prof_-Dr_-Weiss


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 27 2023
10:59

Veranstaltung im House of Labour erörtert, welche Bedeutung politische Bildung und Mitbestimmung für demokratische Gesellschaftssysteme und ihre Stabilität haben.

Gewaltsame Schließung der Akademie der Arbeit (AdA) jährt sich zum 90. Mal 

FRANKFURT. „Durch SA und Kriminalpolizei wurde gestern Nachmittag 5:15 Uhr die Akademie der Arbeit geschlossen.“ Mit diesen nüchternen Worten teilte Prof. Dr. Ernst Michel, der damalige Leiter der Akademie der Arbeit, dem Kuratorium der Goethe- Universität die gewaltsame Schließung AdA am Vortag, dem 31.03.1933 mit. Anlässlich der 90. Jährung der gewaltsamen Schließung soll sich genauer mit dem Tag, seinem Kontext und seiner Bedeutung befasst werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung soll dabei die Frage stehen, welche Bedeutung politische Bildung und Mitbestimmung für demokratische Gesellschaftssysteme und ihre Stabilität haben.

... damit er nicht betrachte, wenn er handeln solle." (Hugo Sinzheimer, 1921)
Veranstaltung zur 90. Jährung der gewaltsamen Schließung der AdA
31. März 2023, 17.00 bis 19.00 Uhr,
House of Labour,
Eschersheimer Landstr. 155-157,
60323 Frankfurt.

Programm:

17.00 – 17.05 Uhr: Begrüßung durch den Kuratoriumsvorsitzenden der EAdA - Rainer Gröbel, Kanzler der University of Labour

17.05 – 17.20 Uhr: Historische Einführung, Die Schließung der Akademie der Arbeit -  Tobias Schmitz, wissenschaftlicher Referent der EAdA

17.20 – 17.50 Uhr: Grußworte der Stifter:innen - Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt; Rolf Keil, Referatsleiter, Hessisches Ministerium für Soziales u. Integration; Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen

17.50 – 18.10 Uhr: Impulsvortrag - Wie können wir unsere Demokratie sichern und welche Rolle haben die Gewerkschaften? Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall

18.10 – 18.30 Uhr: Impulsvortrag - Bedeutung der politischen Bildung für demokratische Gesellschaftssysteme. Prof. Dr. Martin Allespach, Leiter und Direktor der EAdA

18.30 – 19.00 Uhr: Abschlussdiskussion

Es wird um eine Anmeldung per E-Mail gebeten an info@eada.uni-frankfurt.de.

Kontakt: Europäische Akademie der Arbeit, Eschersheimer Landstraße 155-157, 60323 Frankfurt a.M. info@eada.uni-frankfurt.de; https://tinygu.de/FQ0ek  

Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 27 2023
10:49

Die Goethe-Universität veröffentlicht ihr neues Programm der Bürger-Uni

Von Rechtsmedizin, Poetikvorlesung und dem Bauwerk der Demokratie

Den Dialog zwischen Frankfurter Bürger*innen und Wissenschaftler*innen zu fördern ist das Ziel der Bürger-Universität, die die Goethe-Universität jedes Semester veranstaltet. Ein Highlight des aktuellen Programms: Die Frankfurter Poetikvorlesung von Clemens Setz, einem der experimentierfreudigsten Schriftsteller der Gegenwartsliteratur.

FRANKFURT. Wie erforschen Naturwissenschaftler*innen das Klima der Vergangenheit? Wie kann die neue Generation Künstlicher Intelligenz wie ChatGTP für das Lehren in Schulen und Hochschulen produktiv genutzt werden? Und: Haben neue Formen der Bürgerbeteiligung in den vergangenen Jahrzehnten ihre Versprechen erfüllt?

Mit Vorträgen zu diesen und weiteren Themen lässt die Bürger-Uni die Stadtgesellschaft an der Forschung der Goethe-Universität teilhaben. Das Programm des Sommersemesters reicht von Fallbeispielen der interdisziplinären Rechtsmedizin über Gespräche über den Romantiker Ludwig Tieck bis hin zu Einblicken in die moderne Herzmedizin und Tumor-Patientenberatung.

Zahlreiche Veranstaltungen nehmen das 175-jährige Jubiläum der Nationalversammlung der Stadt Frankfurt im Mai zum Anlass: Die Frankfurter Filmtage etwa sind „Demokratie, Konflikt und Streit“ gewidmet, die Vortragsreihe „1848 in Perspektive“ untersucht die Rolle der Religion in krisenhaften Umbruchsituationen und eine weitere Vorlesungsreihe beleuchtet „die Paulskirche als Bauwerk der Demokratie“.

Im Projekt „Vergangene Warmzeiten“ arbeiten Spezialist*innen der Goethe-Universität eng mit Kolleg*innen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung zusammen – etwa um Klimaszenarien für die Zukunft unserer Erde zu entwerfen. Den Prozess dieser Forschung können Bürger*innen in der Ausstellung „Klimawissen schaffen“ verfolgen – und bei Formaten wie Meet the scientists und Science garden mit Expert*innen direkt ins Gespräch kommen.

Im Rahmen der Frankfurter Poetikvorlesung spricht im Mai zudem der prominente Schriftsteller und Autor Clemens Setz. Seine Vorträge werden von einer studentischen Ausstellung in der Universitätsbibliothek und einer Lesung im Frankfurter Literaturhaus begleitet. 

Das Programm der Bürger-Universität wird an einschlägigen Stellen in der Stadt ausgelegt und ist auf der Webseite der Goethe-Universität einsehbar unter: www.buerger.uni-frankfurt.de/

Die erste Bürger-Universität startete im Jahr 2008. In diesem Jahr kehrte die Goethe-Universität zu ihren Wurzeln als Stiftungsuniversität zurück, als die sie 1914 von Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern gegründet worden war. Seitdem fördert die Bürger-Universität den lebendigen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern aus Stadt und Region.


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Mär 21 2023
12:11

Festveranstaltung mit Vorträgen und Diskussionen. 28./29.03.2023, Campus Bockenheim. Erinnert wird auch an den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Prof. Günther Böhme, der in diesem Jahr 100 geworden wäre. 

Lust an der Bildung: 40 Jahre Universität des 3. Lebensalters (U3L)

FRANKFURT. Im Rahmen einer Festveranstaltung auf dem Campus Bockenheim wird das 40jährige Bestehen der U3L gefeiert und der 100. Geburtstag Günther Böhmes gewürdigt. Die Vorträge werden die bisherige Entwicklung aufzeigen und Überlegungen für die Zukunft vorstellen. Austausch und gemeinsamer Ausblick sind ebenfalls Teil des Programms. Die Tagung wird durch eine Fotoausstellung und ein Get-together abgerundet. Grußworte werden Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt a. M., Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, Prof. Dr. Christian Winter, Vorsitzender der U3L, sowie Thomas Bertram, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG WiWA), sprechen.

Herzlich eingeladen sind U3L-Studierende und -Lehrende, Wissenschaftler*innen, Fachkräfte aus Institutionen der Bildungsarbeit und der Politik, regulär Studierende und alle, die sich für das Thema interessieren:

Lust an der Bildung – Festtagung 40 Jahre U3L
28. und 29. März 2023,
Campus Bockenheim der Goethe-Universität,
Hörsaal V, Hörsaaltrakt, Gräfstraße 50-54

Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Im Wintersemester 1982/83 erschien erstmals ein Vorlesungsverzeichnis der „Universität des 3. Lebensalters“. Auf Initiative der Psychologieprofessorin und Gerontologin Anitra Karsten wurde ein Bildungsprogramm für Menschen in der nachberuflichen Lebensphase konzipiert, das einen Dialog zwischen Lebenserfahrung und wissenschaftlichen Ansichten ermöglichen sollte. Inzwischen hat die U3L sich zu einer der größten Einrichtungen der Wissenschaftlichen Weiterbildung für Ältere in Deutschland entwickelt. Das Programm ist orientiert am breiten fachlichen Spektrum der Goethe-Universität, charakterisiert durch die Bildungsinteressen, Motive und Beiträge der Teilnehmenden, durch hervorragende Lehrende und ihre gehaltvollen Veranstaltungen sowie durch partizipative Projekte.

Eine besondere Prägung hat die U3L durch Professor Günther Böhme (1923 - 2016) erfahren, dessen Geburtstag sich im Jahr 2023 zum hundertsten Mal jährt. Als Vorstandsvorsitzender hat er die U3L von 1984 bis 2012 geleitet und sowohl durch seine Persönlichkeit geprägt, als auch durch seine theoretischen und empirischen Forschungsarbeiten für ein solides wissenschaftliches Fundament gesorgt.

Mehr zum Programm: https://tinygu.de/ALpCZ 

Website zum Jubiläum: https://tinygu.de/nRJl4

Die Veranstaltung wird außerdem über den YouTube-Kanal der U3L gestreamt, nähere Infos dazu werden bald auf der Homepage verfügbar sein.

Kontakt: Universität des 3. Lebensalters an der Goethe-Universität Frankfurt am Main (U3L)
Tel.: 069 / 7 98-2 88 61; E-Mail: u3l@em.uni-frankfurt.de; www.u3l.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 17 2023
14:20

Vortrag von Prof. Christian Metz über das weltberühmte Gedicht aus Hölderlins Spätwerk

Hölderlins „Patmos“ in Homburg 

BAD HOMBURG. Friedrich Hölderlin lebte in den Jahren 1798 bis 1800 und 1804 bis 1806 in Homburg. Zwischen diesen beiden Aufenthalten hat er sein weltberühmtes Gedicht „Patmos“ vollendet, das er dem im Homburger Schloss residierenden Landgrafen Friedrich V. widmete und schenkte. Es ist nach der griechischen Insel Patmos benannt, auf der Johannes der Evangelist seine göttliche Offenbarung erhielt. Wie lässt sich das Gedicht und seine besondere Komposition aus der lokalen Homburger Konstellation und Perspektive verstehen?

Dieser Frage geht der Literaturwissenschaftler und -kritiker Prof. Christian Metz in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel „‚Patmos’ in Homburg. Die lokale Konstellation eines weltberühmten Gedichtes“

am Freitag, 24. März, um 18 Uhr
im Forschungskolleg Humanwissenschaften
(Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg vor der Höhe)

nach. Der Frankfurter Literaturwissenschaftler Prof. Achim Geisenhanslüke führt in das Thema des Abends ein. Anschließend entfaltet Christian Metz eine Homburger Perspektive auf „Patmos“, indem er einen Bogen spannt von der Ankunft des Gedichts in Homburg im Jahr 1803 bis zu Horst Hoheisels Kunstwerk „Patmos, eine Spur von Hölderlin“ von 1989, das die Gruft der Landgrafen von Homburg in der Bad Homburger Schlosskirche abdeckt.

Christian Metz ist Literaturkritiker und Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Aachen. Der gebürtige Bad Homburger war viele Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität tätig und zugleich Geschäftsführer des Fortbildungsprogramms „Buch- und Medienpraxis“ (2003 bis 2010). Vertretungsprofessuren und Lehraufträge führten ihn nach Berlin, Münster, Zürich, Wien und München. Als Literaturkritiker schreibt er für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und für den Deutschlandfunk. 2020 wurde er mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet.

Der Vortrag beschließt einen Workshop am Forschungskolleg Humanwissenschaften, den Prof. Achim Geisenhanslüke und Dr. Thomas Schröder vom Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Goethe-Universität leiten. Seit dem Hölderlin-Jahr 2020/21 finden jährlich Workshops über „Hölderlins Homburger Arbeiten oder Die Revolution der poetischen Sprache“ statt, die Hölderlin-Forscher zum regelmäßigen Austausch über das Spätwerk des Dichters in Bad Homburg zusammenbringen. In diesem Jahr nehmen u.a. Prof. Klaus-Michael Bogdal (Bielefeld), Prof. Anja Lemke (Köln), Prof. Alexander Honold (Basel) und der Referent des Abendvortrags Prof. Christian Metz (Aachen) teil.

Anmeldung zum Vortrag: Um vorherige Anmeldung per Email an anmeldung@forschungskolleg-humanwissenschaften.de wird gebeten.

Weitere Informationen: www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de

Kontakt: Beate Sutterlüty, Wissenschaftskommunikation, Forschungskolleg Humanwissenschaften (Tel.: 06172-13977-15; Email: b.sutterluety@forschungskolleg-humanwissenschaften.de)

Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 16 2023
16:26

Neue Veranstaltungsreihe von Kulturdezernat und Normative Orders

Was die Frankfurter Schule zur Lage der Gesellschaft sagt

Was sagt die Kritische Theorie der „Frankfurter Schule“ zur gegenwärtigen Lage der Gesellschaft – ob lokal, national oder international? Das Forschungszentrum „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität und das Dezernat für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main bieten den derzeitigen Vertreterinnen und Vertretern der berühmten Denkschule ein Podium: In der Reihe „Frankfurter Schule“ werden aktuelle Themen diskutiert.

FRANKFURT. Gesellschaftliche Normen, in Institutionen und Ordnungen manifestiert, bilden das Fundament unseres sozialen und politischen Zusammenlebens. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich die sogenannte Frankfurter Schule vorgenommen, diese Normen und ihre Widersprüche im Sinne einer umfassenden „Kritischen Theorie“ ganzheitlich und (ideologie-)kritisch in den Blick zu nehmen – eine Herangehensweise, deren Bedeutung und internationale Wirkmacht bis heute ungebrochen sind. Doch was sagt die Frankfurter Schule, die Gesellschaftsanalysen stets mit Ideologiekritik verbunden hat, zur derzeitigen Lage der Gesellschaft? Welche Antworten gibt die sogenannte „dritte und vierte Generation“ auf weltweite Krisen und Konflikte?

Darum soll es in einer neuen Veranstaltungsreihe gehen, zu der das Dezernat für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main und das Forschungszentrum „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität von März an gemeinsam einladen. Der Titel der neuen Reihe lautet „Frankfurter Schule“. Zu Gast sind Persönlichkeiten, die – geschult am „Frankfurter Denken“ – Position beziehen zu aktuellen Problemlagen. Kooperationspartner der einzigartigen Reihe sind das Institut für Sozialforschung, das Museumsufer Frankfurt und hr2-kultur.

Bei der Auftaktveranstaltung

am Montag, 20. März, um 18 Uhr
im MUSEUM MMK MODERNE KUNST
Domstraße 10, 60311 Frankfurt am Main

sprechen der Philosophieprofessor Christoph Menke (Goethe-Universität, Normative Orders) und der Autor Cord Riechelmann über das Thema „Was ist Befreiung?“. Im Mittelpunkt des Abends steht Menkes erst jüngst im Suhrkamp Verlag erschienenes Buch Theorie der Befreiung. Darin geht der Philosoph von der Diagnose aus, dass bisherige Befreiungsbewegungen stets in neue Abhängigkeitsordnungen gemündet seien und zeigt auf, wie Freiheit und Herrschaft unauflöslich miteinander verwoben sind.

Christoph Menke, geboren 1958 in Köln, hat Germanistik und Philosophie in Heidelberg und Konstanz studiert, wo er 1987 promoviert wurde. Die Habilitation Tragödie im Sittlichen. Hegel und die Freiheit der Moderne erfolgte 1995. Seit 2009 ist er Professor für Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Politische Philosophie und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität und Mitglied des Forschungszentrums „Normative Ordnungen“.

Cord Riechelmann, geboren 1960 in Celle, studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er war Lehrbeauftragter für das Sozialverhalten von Primaten und für die Geschichte biologischer Forschung. Außerdem arbeitete er als Kolumnist und Stadtnaturreporter für die Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

„Die Kritische Theorie ist heute wichtiger denn je. Aber eine Denktradition kann nur bestehen bleiben, wenn sie sich fortentwickelt. Sie muss nicht nur auf neue soziale, gerade auch globale, Herausforderungen eingehen, sondern hat, das ist das Besondere an dem Frankfurter Ansatz, einen umfassenden systematischen Anspruch. Auch dieser muss stetig überdacht werden; er läuft im Kern darauf hinaus, die Unvernunft dessen sichtbar zu machen, was im konventionellen Sinne als vernünftig gilt. Was das konkret bedeutet, wollen wir im Dialog mit der Stadtgesellschaft diskutieren“, sagt Prof. Rainer Forst, Direktor des Forschungszentrums Normative Ordnungen, zum Start der Reihe.

„Die Frankfurter Schule hat Frankfurt und die deutsche Nachkriegsöffentlichkeit geprägt wie keine andere Denkschule sonst und entscheidend dazu beigetragen, dass sich eine demokratische Öffentlichkeit herausbilden konnte“, sagt Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig. Die freiheitliche Ordnung, in der wir heute leben, sei dabei nicht weniger umstritten als in jenen Jahren. „Es gibt drängende Fragen unserer Zeit. Und es gibt Antworten, kritische Antworten, Frankfurter Antworten. Die Gesellschaft braucht den kritischen Blick der Frankfurter Schule, um Lösungen für aktuelle Probleme zu finden – etwa das Auseinanderdriften von Arm und Reich oder die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft“, so Hartwig weiter.

Susanne Pfeffer, Leiterin des Museums für Moderne Kunst, gab ihrer Freude Ausdruck, dass die neue Diskussionsreihe in Frankfurter Kultureinrichtungen stattfinden soll. „Museen sind wichtige Orte, um Diskussionen zu führen. So haben wir eine weitere Möglichkeit, einen Beitrag zu einer relevanten Thematik in der Stadt zu leisten.“

Die Reihe wird quartalsweise in den Frankfurter Museen fortgesetzt, beginnend im MMK Museum für Moderne Kunst.

Das Veranstaltungsplakat zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/134094396

Weitere Informationen
Anke Harms
Referentin für Wissenschaftskommunikation
des Forschungszentrums „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität
anke.harms@normativeorders.net
069/798-31407
www.normativeorders.net


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 16 2023
12:20

Die Ausstellung wird vom 31. März – 27. August 2023 gezeigt.  

Spontan und konstruktiv – Ernst Weil (1919–1981)

FRANKFURT. Erstmals stellt das MGGU – Museum Giersch der Goethe-Universität den spannenden Künstler Ernst Weil (1919–1981) in seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main umfassend vor. Mit etwa 120 Werken von privaten wie öffentlichen Leihgeber*innen wird das vielseitige Schaffen Weils in seiner ganzen Breite präsentiert. Die gezeigten Arbeiten bewegen sich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit und umfassen dabei Malerei, Zeichnung, Druckgraphik und angewandte Kunst. Basierend auf einer Teilübernahme der 2020 in der Kunstvilla Nürnberg gezeigten Retrospektive von Weils malerischen Arbeiten setzt die Ausstellung im MGGU auf die Sichtbarmachung der fruchtbaren Vernetzung des zeichnerischen und angewandten Schaffens mit den Gemälden des Künstlers.

„Der Titel der Ausstellung ‚Spontan und konstruktiv' bezieht sich auf zwei wichtige Merkmale von Weils Arbeiten, die zwischen spontaner Geste und sorgfältiger Konstruktion des Bildraums changieren. Gleichzeitig zeigen Weils Arbeiten eigentlich immer einen Rückbezug auf die klassischen Bildformen wie Landschaften, Stillleben oder menschliche Figur“, so die Kuratorin der Ausstellung Laura Domes.

Der Präsident der Goethe-Universität Enrico Schleiff kommentiert: „Die Ausstellungen des MGGU bereichern seit Jahren das breite Forschungsspektrum der Goethe-Universität. Die Ausstellung zu Ernst Weil, der einen engen Bezug zur Stadt Frankfurt hat, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie eine wissenschaftliche Begleitung eine Ausstellung bereichert und wie diese wiederum zu einem Beitrag der Wissenschaft und auch der Wissenschaftskommunikation unserer Goethe-Universität wird.“

ZUM KÜNSTLER

Nach dem Zweiten Weltkrieg an der Münchener Kunstakademie ausgebildet, verdiente Weil seinen Lebensunterhalt zunächst als Gebrauchsgraphiker und Raumgestalter. Zeitgleich entwickelte er in seinen freien Arbeiten ein eigenes Verständnis kubistischer Darstellung von Landschaften und Stillleben in der Tradition der klassischen Moderne. Von 1957 bis 1965 lebte er in Frankreich, wo er sich in seinen Zeichnungen und seiner Malerei auf die durch schnelle Geste erfasste menschliche Figur konzentrierte. Immer wieder war Weil in dieser Zeit mit seinen Arbeiten bei den Ausstellungen der Künstler*innengruppierung „Frankfurter Sezession“ präsent. 1965 kehrte der Künstler nach Deutschland zurück, um in Nürnberg eine Professur für Freie Malerei an der Akademie der Bildenden Künste anzutreten. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit der Entwicklung einer eigenen Farbtheorie. In seinen späten Landschaftsdarstellungen und figurativen Bildern betonte er das Gestische und Rhythmische, wobei die Farbe weiterhin eine wichtige Stellung einnahm. Seine Kompositionen verlieren trotz hohem Abstraktionsgrad nie den Bezug zur wahrnehmbaren Umwelt.

ZUR AUSSTELLUNG

Eigentlich sollte Ernst Weil bereits vor zwei Jahren im MGGU gezeigt werden, als Übernahme der Retrospektive „Ernst Weil – Abstraktion in Nürnberg“ der Kunstvilla Nürnberg. Die Bilder waren sogar schon im Depot in Frankfurt am Main. Dann allerdings sorgten die Corona-Pandemie und die technische Sanierung des Museums für eine Verschiebung der Planungen. Doch nicht immer sind solche Verzögerungen von Nachteil: Durch die zusätzliche Zeit ergab sich die Möglichkeit für eine Erweiterung des Ausstellungkonzepts. So widmet sich die Schau Weils Verbindung zur „Frankfurter Sezession“. Darüber hinaus wurden nun graphische und angewandte Arbeiten in das kuratorische Konzept miteinbezogen, wodurch die Ausstellung die Vielseitigkeit des Künstlers betont. Ernst Weil zeigte keinerlei Berührungsängste und entwarf für die unterschiedlichsten Orte, Techniken und Materialien. In der Ausstellung ergänzen daher knapp 60, zum Teil noch nie gezeigte Zeichnungen, Druckgraphiken und angewandte Arbeiten wie Illustrationen und Trickfilme sowie ein Beispiel einer Raumausstattung die chronologische Übersicht der malerischen Entwicklung. Dabei wird die besondere Bedeutung der Handzeichnungen für Ernst Weil sichtbar: Durch das ständige zeichnerische Erfassen von Seheindrücken gelang es ihm, sich ein Motivrepertoire anzueignen, das ihm in seinen malerischen Arbeiten als stilistischer und thematischer Fundus diente.

Kuratorin der Ausstellung: Laura Domes

Pressekonferenz: Mittwoch, 29. März 2023, 11 Uhr
Bitte um vorherige Anmeldung an presse@mggu.de

Podium:

• Katrin Kolk und Susanne Wartenberg, Kommissarische Leitung MGGU
• Laura Domes, Kuratorin der Ausstellung

Bilder und Texte zum Download unter: https://www.mggu.de/presse/

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft mit einem Essay von Laura Domes, Kuratorin der Ausstellung. Der Ausstellungkatalog „Ernst Weil – Das malerische Werk“ der Kunstvilla Nürnberg ist ebenfalls im Museumsshop erhältlich.

Die Ausstellung wird zudem begleitet von einem vielfältige Bildungs- und Vermittlungsangebot in analoger und digitaler Form. Aktuelle Informationen über alle Veranstaltungen finden Sie immer aktualisiert auf unserer Website: www.mggu.de

Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main
Eintritt: Erwachsene 7,- € / Ermäßigt 5,- €. Personen unter 18 Jahren haben freien Eintritt.
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr
An Feiertagen 10–18 Uhr geöffnet

Informationen: Christine Karmann, Kommunikation und Marketing Museum Giersch der Goethe-Universität, Tel: 069/138210121, E-Mail: presse@mggu.de

Adresse: Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main


Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter Büro für PR & Kommunikation, Tel.: 069 798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 16 2023
11:50

Internationales Team von Goethe-Uni und University of Kent identifiziert Nitroxolin als mögliches Medikament 

Bekannter Wirkstoff als neuer Arzneimittelkandidat gegen „Affenpocken“

Die Mpox – landläufig bekannt unter dem Namen „Affenpocken“ – verbreiten sich derzeit weltweit. Ein grenzüberschreitendes Forschungsteam von Goethe-Universität und University of Kent hat nun einen Wirkstoff identifiziert, der gegen die Krankheit helfen könnte. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Journal of Medical Virology“ erschienen.

FRANKFURT. Nitroxolin heißt der neue Arzneistoffkandidat, der womöglich zur Behandlung von Mpox eingesetzt werden kann. Identifiziert haben ihn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität und der University of Kent in einer standortübergreifenden Studie. Die Ergebnisse ihrer Forschung ermöglichen nun den baldigen Start klinischer Studien.

Der derzeitige Mpox-Ausbruch ist der erste in dieser Größe außerhalb von Afrika und zugleich der erste Mpoxausbruch, der durch Mensch-zu-Mensch Übertragung verursacht wird. Insbesondere Personen mit einem geschwächten Immunsystem sind stark gefährdet. In experimentellen Modellen wurden bereits antivirale Wirkstoffe getestet, die Replikation des Mpoxvirus hemmen können. Am Menschen konnte die Wirksamkeit dieser Stoffe jedoch noch nicht bestätigt werden. Einige der Wirkstoffe können erhebliche Nebenwirkungen haben. Außerdem sind derzeit nicht für alle Mpoxpatienten solche Medikamente verfügbar. Und gegenüber Tecovirimat, dem bisher vielversprechendsten Mpoxmedikament, sind bereits Resistenzen aufgetreten.

In der vorliegenden Studie hat das von Professor Jindrich Cinatl (Goethe-Universität und Dr. Petra Joh-Haus, Frankfurt am Main) und Professor Martin Michaelis (School of Biosciences, University of Kent) geleitete Konsortium mit dem für den Menschen gut verträglichen Antibiotikum Nitroxolin ein weiteres Medikament identifiziert, das die Vermehrung von Mpoxviren in Zellkulturmodellen und Gewebekulturen menschlicher Haut effektiv hemmt.

Nitroxolin ist darüber hinaus gegen einen Tecovirimat-resistenten Mpoxvirusstamm wirksam, sowie gegen weitere bakterielle und virale Krankheitserreger, die häufig gemeinsam mit Mpoxviren übertragen werden. Daher unterdrückt Nitroxolin gleichzeitig mehrere Krankheisterreger, die häufig an schweren Mpoxverläufen beteiligt sind. Da Nitroxolin ein gut verträgliches Antibiotikum ist, das seit langem zur Behandlung von Menschen eingesetzt wird, kann es direkt in klinischen Studien gegen Mpox getestet werden.

„Die Entstehung von resistenten Virusstämmen gibt Anlass zu ernsthafter Besorgnis“, sagt Professor Jindrich Cinatl von der Goethe-Universität und dem Dr. Petra Joh-Haus. „Daher ist die Wirkung von Nitroxolin gegenüber Tecovirimat-resistenten Viren besonders vielversprechend.”

Professor Martin Michaelis von der University of Kent fügt hinzu: „Je mehr unterschiedliche Medikamente zur Behandlung von viralen Erkrankungen zur Verfügung stehen, umso besser. Wir hoffen, dass Nitroxolin zur effektiven Behandlung von Mpoxpatienten beitragen wird.”

Publikation: Denisa Bojkova, Nadja Zöller, Manuela Tietgen, Katja Steinhorst, Marco Bechtel, Tamara Rothenburger, Joshua Kandler, Sandra Ciesek, Holger Rabenau, Jindrich Cinatl (Goethe-University Frankfurt); Mark Wass, Martin Michaelis (University of Kent); Julia Schneider, Victor Corman (Charité Berlin), Repurposing of the antibiotic nitroxoline for the treatment of mpox. In: Journal of Medical Virology
DOI: https://doi.org/10.1002/jmv.28652

Weitere Informationen
Prof. Jindrich Cinatl
Arbeitsgruppenleiter
Institut für Medizinische Virologie
Goethe-Universität
Telefon 069 6301-6409
E-Mail Cinatl@em.uni-frankfurt.de
https://www.kgu.de/einrichtungen/institute/zentrum-der-hygiene/medizinische-virologie/forschung/research-group-cinatl/


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 14 2023
14:00

Festakt in der Frankfurter Paulskirche – Ehrung der Hauptpreisträger Frederick W. Alt und David G. Schatz und des Nachwuchspreisträgers Leif S. Ludwig

Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis: Einblicke in die Evolution, Entstehung und Entwicklung unserer Immunität 

Für die Entdeckung von Molekülen und Mechanismen, die unser Immunsystem zu der erstaunlichen Leistung befähigen, Milliarden verschiedener Antigene von Bakterien, Viren und anderen Eindringlingen schon beim ersten Kontakt zu erkennen, werden die Immunologen Frederick W. Alt und David G. Schatz heute in der Frankfurter Paulskirche mit dem mit 120.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2023 ausgezeichnet. Den Nachwuchspreis erhält der Biochemiker und Arzt Leif S. Ludwig für ein von ihm erfundenes Verfahren zur Analyse der Abstammung und Entwicklung menschlicher Blutzellen, zu denen auch die Zellen des Immunsystems gehören.

FRANKFURT. Kiefertragende Wirbeltiere wie wir Menschen verfügen anders als primitivere Organismen nicht nur über ein angeborenes, sondern auch über ein adaptives Immunsystem, das in der Lage ist, sich auf alle möglichen Angreifer einzustellen. Denn irgendwann im Lauf der Evolution ist es einem unserer Vorfahren offenbar gelungen, einen DNA-Parasiten zu zähmen, der sich in sein Genom eingenistet hatte. So wurde aus dem Parasiten das Gen für ein Enzym, das zur Schaltzentrale immunologischer Diversität avancierte. Dieses Enzym RAG1/2 schneidet aus der DNA bestimmter Chromosomen in heranreifenden Immunzellen (Lymphozyten) Bruchstücke aus und rekombiniert sie in einem lotterieähnlichen Verfahren zu funktionsfähigen Genen. Diese somatische Rekombination vervielfacht die Variabilität von Antikörpern und T-Zell-Rezeptoren. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass unser Körper rund zehn Milliarden verschiedene Antikörper bilden kann, obwohl er nur rund 20.000 Proteinbaupläne in Form von Genen besitzt. David G. Schatz hat das Enzym RAG1/2 entdeckt, Frederick W. Alt die Enzyme, die die von RAG1/2 zerschnittene DNA reparieren. „Alt und Schatz haben in jahrzehntelanger Forschung Licht in die zuvor verborgene Entstehung unserer adaptiven Immunität gebracht und damit unser Wissen über die Entwicklung des Immunsystems auf eine neue Stufe gehoben“, würdigte Prof. Dr. Thomas Boehm, der Vorsitzende des Stiftungsrates der Paul-Ehrlich-Stiftung, die Leistung der beiden Hauptpreisträger.

Das Enzym RAG1/2 ist der Motor der somatischen Rekombination. Ohne ihn können keine funktionstüchtigen B- und T-Zellen, kann keine wirksame adaptive Immunabwehr entstehen. Viele Fälle schwerer Immundefizienz werden von Mutationen der RAG-Gene verursacht und manche Lymphome und Leukämien stehen mit Fehlfunktionen der von diesen Genen codierten Enzyme in Zusammenhang. Umso wichtiger ist es, neben dem molekularem Mechanismus auch deren evolutionären Ursprung und deren Verhalten im lebendigen Zellkern zu kennen.

Nach den Erkenntnissen von Schatz stammt RAG1/2 von einem Gen ab, das vor Jahrmillionen als eine Art eigennütziger Schmarotzer nach Belieben durch das Genom unserer sehr frühen Vorfahren zu springen begann. In strukturbiologischen Studien hat Schatz diese Sprünge (Transpositionen) über mehrere Stufen der Evolution nachvollzogen. Er hat gezeigt, mit welchen biochemischen Tricks es uns Wirbeltieren dabei gelang, das springende Gen RAG1/2 an einer bestimmten Stelle zu fixieren und für das Immunsystem nutzbar zu machen.

Während sie durch den Zellkern unreifer Lymphozyten wandern, führen RAG-Enzyme Chromatinknäuel, in denen die DNA platzsparend aufgewickelt ist, immer wieder vorübergehend zu Rekombinationszentren zusammen. Dort nehmen sie ein Chromatin-Scanning vor, das Alt erstmals beschrieben hat. Sie ziehen einen Chromatinfaden, der mehr als eine Million DNA-Buchstaben lang sein kann, wie eine Schlaufe durch das Rekombinationszentrum. So liegen weit entfernte Genabschnitte plötzlich einander gegenüber und können sicher miteinander verknüpft werden.

Die B- und die T-Lymphozyten, auf denen die erworbene Immunität gründet, sind Bestandteile unseres Blutes, in dem beim gesunden Menschen täglich mindestens 500 Milliarden alte Zellen durch neue ersetzt werden. Sie entstehen aus hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark, aus denen sie wie alle anderen Blutkörperchen auf divergierenden Entwicklungslinien über mehrere Stufen ausreifen. Die daraus resultierenden Stammbäume und Verwandtschaftsbeziehungen zu bestimmen, ist medizinisch von größtem Interesse, beispielsweise um festzustellen, an welcher Abzweigung eine Leukämiezelle entsteht. Der diesjährige Nachwuchspreisträger Leif S. Ludwig hat ein Verfahren erfunden, dass der Humanmedizin erstmals die Möglichkeit eröffnet, dies relativ preiswert, schnell und zuverlässig zu tun. Ludwigs bereits an einzelnen Patienten erprobte Methode verknüpft die Analyse von Mutationen in Mitochondrien mit neuesten Technologien zur Gensequenzierung einzelner Zellen.

Paul Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Preis 2023
https://www.uni-frankfurt.de/124912621/2023_Alt_Schatz

Frederick W. Alt, Ph.D., ist Charles A. Janeway Professor of Pediatrics und Director of the Program in Cellular and Molecular Medicine am Boston Children's Hospital, ein Howard Hughes Medical Institute Investigator sowie Professor of Genetics an der Harvard Medical School. https://www.childrenshospital.org/research/labs/alt-laboratory-research

David G. Schatz, Ph.D., ist Professor of Molecular Biophysics and Biochemistry an der Yale University und Chairperson of the Department of Immunobiology an der Yale School of Medicine. https://medicine.yale.edu/profile/david-schatz/

Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2023
https://www.uni-frankfurt.de/131228185/2023_Ludwig

Dr. rer. nat. Dr. med. Leif S. Ludwig leitet die Emmy Noether-Forschungsgruppe „Stammzelldynamiken und Mitochondriale Genomik“ am Berlin Institute of Health in der Charité und dem Max Delbrück Center. https://www.mdc-berlin.de/de/ludwig

Weitere Informationen
Pressestelle der Paul Ehrlich-Stiftung
Joachim Pietzsch
Tel.: +49 (0)69 36007188
E-Mail: j.pietzsch@wissenswort.com
www.paul-ehrlich-stiftung.de


Redaktion: Joachim Pietzsch / Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Mär 10 2023
10:51

Fehler in der Gensteuerung ist für hohes Leukämiekrebsrisiko bei Kindern mit Down-Syndrom verantwortlich – biochemische Analyse schafft Grundlage für Therapieentwicklung

Ursache von Leukämie bei Trisomie 21

Menschen mit einem dritten Chromosom 21, einer so genannten Trisomie 21, erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer aggressiven Form des Blutkrebses, der Akuten Myeloischen Leukämie (AML). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Federführung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt haben jetzt die Ursache dafür aufgedeckt: Das zusätzliche Chromosom 21 führt zwar zu einer Veränderung vieler Gene, doch scheint vor allem die Störung des so genannten RUNX1-Gens für die AML-Entstehung verantwortlich zu sein, eines Gens, dass viele weitere Gene reguliert. Die gezielte Behandlung des gestörten Regulators könnte den Weg für neue Therapien ebnen.

FRANKFURT. Blutkrebs, sogenannte Leukämien, sind bösartige und aggressive Erkrankungen der blutbildenden Zellen im Knochenmark. Heilung kann nur durch eine sehr intensive Chemotherapie und teilweise durch Knochenmarktransplantation erzielt werden. Leukämien gehen wie alle Krebsarten auf Veränderungen des Erbmoleküls DNA zurück, das in menschlichen Zellen in Form von 46 Chromosomen vorliegt. Bei vielen Leukämien sind große Teile von Chromosomen verändert. Sehr gefährdet sind Menschen mit Down-Syndrom, bei denen das Chromosom 21 dreimal vorkommt (Trisomie 21): Kinder mit Down-Syndrom haben in ihren ersten vier Lebensjahren ein 100-fach erhöhtes Risiko, an der aggressiven Akuten Myeloischen Leukämie (AML) zu erkranken. Das Down-Syndrom ist die häufigste angeborene Generkrankung, etwa eines von 700 Neugeborenen ist davon betroffen.

Transkriptionsfaktor RUNX1 ist verantwortlich

Die Arbeitsgruppe von Prof. Jan-Henning Klusmann, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, hat nun herausgefunden, wie das zusätzliche Chromosom 21 AML begünstigen kann. Mit Hilfe einer Genschere (CRISPR-Cas9) haben sie jedes der 218 Gene auf dem Chromosom 21 auf seine krebsfördernde Wirkung untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass das Gen RUNX1 für die spezifischen krebsbegünstigenden Eigenschaften des Chromosoms verantwortlich ist. In weiteren Analysen konnten die Forscher:innen nachweisen, dass nur eine bestimmte Variante des Gens die Entstehung einer Leukämie befördert. Klusmann erläutert: „Andere Varianten von RUNX1 waren sogar in der Lage, die Entartung der Zellen zu verhindern. Das erklärt, warum RUNX1 in mehreren Jahrzehnten intensiver Krebsforschung bislang nicht aufgefallen ist.“

Das Gen RUNX1 codiert für ein Protein, das die Aktivität anderer Gene steuert, einen so genannten Transkriptionsfaktor. RUNX1 reguliert viele Prozesse, einschließlich der embryonalen Entwicklung und der frühen und späten Blutbildung. Die Störung dieses wichtigen Regulators ist daher ein Schlüsselereignis in der Entwicklung einer AML. „Dank unserer Forschungsergebnisse können wir nun die Ereignisse bei der Leukämieentstehung besser verstehen“, erklärt Klusmann. „Die Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, alle Genvarianten bei der Krebsentstehung zu untersuchen. Die Bildung dieser Varianten ist häufig durch bestimmte Mutationen in Krebszellen verändert“, so der Kinderonkologe.

Entwicklung verfeinerter Therapieansätze

Die Forschungsresultate seien wichtig, um die komplexen Mechanismen der Krebsentstehung besser zu verstehen, erläutert Klusmann: „Wir haben damit die Grundlage für die Entwicklung verfeinerter Behandlungsansätze gelegt. Durch unsere biochemische Untersuchungen wissen wir nun, wie genau die Genvariante die Blutzellen verändert. Daraufhin konnten wir spezifische Substanzen einsetzen, die den Krankheitsmechanismus blockieren.“ Die Wirkung dieser Substanzen soll nun für die Umsetzung in der medizinischen Versorgung weiter untersucht werden. Klusmann: „Basierend auf unserer Expertise wollen wir nun Therapien zur Korrektur dieser Fehlsteuerung entwickeln. Deren klinischer Einsatz wird sicherlich noch einige Jahre dauern, aber sie werden hoffentlich dazu führen, dass unseren kleinen Patientinnen und Patienten in Zukunft schwere Chemotherapien erspart bleiben.“

Publikation: Gialesaki S, Bräuer-Hartmann D, Issa H, Bhayadia R, Alejo-Valle O, Verboon L, Schmell AL, Laszig S, Regenyi EM, Schuschel K, Labuhn M, Ng M, Winkler R, Ihling C, Sinz A, Glaß M, Hüttelmaier S, Matzk S, Schmid L, Strüwe FJ, Kadel SK, Reinhardt D, Yaspo ML, Heckl D, Klusmann JH. RUNX1 isoform disequilibrium promotes the development of trisomy 21 associated myeloid leukemia. Blood (2023) https://doi.org/10.1182/blood.2022017619

Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/131982088
Bildtext 1: Prof. Dr. med. Jan-Henning Klusmann, Universitätsklinikum Frankfurt. Foto: Klaus Waeldele, Universitätsklinikum Frankfurt
https://www.uni-frankfurt.de/131981757
Bildtext 2: Knochenmarkausstrich eines Kindes mit Down-Syndrom, das an einer Leukämie erkrankt ist. Die violett gefärbten unreifen Leukämiezellen (Blasten) verdrängen die normale Blutbildung. Foto: Jan Klusmann, Universitätsklinikum Frankfurt

Weitere Informationen
Prof. Dr. med. Jan-Henning Klusmann
Direktor
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 6301-5094
kkjm-direktor@kgu.de
www.kgu.de
www.leukemia-research.de

Twitter: @UK_Frankfurt @goetheuni


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Mär 7 2023
10:18

Virtueller Aktionstag informiert zu Studienangeboten elf hessischer Hochschulen 

„Gut beraten. Studieren in Hessen“: 50 Jahre Studienberatung 

FRANKFURT. Die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn ist Schirmherrin des Jubiläums, das die Hochschulen mit einem gemeinsamen Studienorientierungstag am 29. März 2023 ab 14.30 Uhr feiern. In ihrem virtuellen Grußwort betont die Ministerin: „Hessens Hochschulen bieten ein zukunftsorientiertes und spannendes Studienangebot. Beim Aktionstag erhalten Studieninteressierte Einblicke in unterschiedliche Fachbereiche, Infos zur Bewerbung und können Studierende nach ihren ganz persönlichen Erfahrungen fragen“, so Wissenschaftsministerin Angel Dorn. „Besonders angesprochen sind Studieninteressierte mit besonderen Herausforderungen; etwa, weil sie chronische Krankheiten haben oder die ersten sind, die in ihrer Familie studieren. Die Vielfalt an unseren Hochschulen wächst seit Jahren – das ist gut so, denn unsere Gesellschaft braucht unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen, um voranzukommen. Deshalb fördern wir zum Beispiel Initiativen und Programme, die Menschen zum Studienbeginn motivieren, für die dieser Weg nicht selbstverständlich ist.“

Für den Aktionstag wurde eine neue Landingpage erstellt. Sie ist unter www.studiereninhessen.de erreichbar und präsentiert das ansprechende Vortragsprogramm. Auch nach dem Aktionstag wird sie aktuelle Informationen zur Studienorientierung und zum Studienangebot in Hessen bereitstellen. Trotz digitalen Erstinformationen bleibt die persönliche Beratungssituation das Kerngeschäft der Studienberatungen: „Die Expertise in unseren Studienberatungen ist nach der Corona-Zeit wichtiger denn je. Der vielfältige Zugang zu digitalen Informationen ersetzt niemals das persönliche Gespräch in einer Studienberatung“, so Prof. Dr. Ute Clement, die als Präsidentin der Universität Kassel Vorsitzende der Konferenz hessischer Universitäten (KHU) ist. Als Sprecherin der Hochschulen für angewandte Wissenschaften ergänzt Prof. Dr. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain (HSRM): „Die Studienberatung begleitet Menschen auf ihrem persönlichen Bildungs- und Lebensweg und unterstützt sie dabei, ihre selbstgesteckten Ziele zu erreichen. In Zeiten eines immer größeren und differenzierteren Studienangebots bietet sie Orientierung."

Insbesondere junge Studieninteressierte fühlen sich mit Blick auf ihre berufliche Zukunft und die vielfältigen Studienmöglichkeiten oft verunsichert. Die Zentralen Studienberatungen der Hochschulen bieten seit 50 Jahren umfassende und stets aktuelle Beratung zur Studien- und Berufsorientierung. Zum Jubiläum zeigen sie in 25 Vorträgen zu Themen wie „Die Umwelt gestalten“, „Entwicklung fördern“ oder „Kreativ mit Formeln, Zahlen und Regeln“, welche hessischen Hochschulen passende Studiengänge bereithalten. Dabei gehen sie auf die Unterschiede zwischen den stärker forschungsorientierten und mehr anwendungsbezogenen Studienangeboten ein. Weitere hochschulübergreifende Vortragsthemen sind zum Beispiel „Studieren mit Behinderung oder chronischer Erkrankung“, „Dual Studieren in Hessen“ und „Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte“. Auch Eltern und Lehrkräfte erhalten in zwei Angeboten Informationen darüber, wie sie Schüler*innen bei der Studien- und Berufsorientierung unterstützen können. Zudem berichten Studierende darüber, wie sie den Studieneinstieg bewältigt haben und sprechen über den Unterschied von Schule und Studium. Im letzten Zeitfenster um 18 Uhr stellen sich die beteiligten Hochschulen vor und bieten Raum für konkrete Studieninformationen und Rückfragen.

Der schon lange gesetzlich verankerte Auftrag der Studienberatung ist die Unterstützung zukünftiger Studierender bei der Hochschul- und Fächerwahl, die Information über Anforderungen und Inhalte des Studiums, die Beratung bei Entscheidungskonflikten und die Verbesserung der Passgenauigkeit der Studienwahl für Studieninteressierte. Das setzt eine ergebnisoffene, vertrauliche Beratung und grundlegende Kenntnisse verschiedener Bildungsmöglichkeiten und des Studienangebots voraus. Aktuelles Wissen zur Bildungslaufbahngestaltung und hohe Sensibilität für ungleiche, konflikthafte Voraussetzungen und Diversität bringen die Studienberater*innen durch regelmäßige Fortbildung mit.

Das Programm im Überblick

Einen Überblick über das vielseitige Programm und weitere Informationen gibt es unter:  www.studiereninhessen.de. Neben der Informationsveranstaltung besteht auch jederzeit die Möglichkeit, individuelle Beratungstermine bei den Studienberatungen der einzelnen Hochschulen zu vereinbaren.

•        Frankfurt University of Applied Sciences
•        Goethe-Universität Frankfurt
•        Hochschule Darmstadt
•        Hochschule Fulda
•        Hochschule Geisenheim
•        Hochschule RheinMain
•        Justus-Liebig-Universität Gießen
•        Philipps-Universität Marburg
•        Technische Hochschule Mittelhessen
•        Technische Universität Darmstadt
•        Universität Kassel

Kontakt und Rückfragen:
Marco Blasczyk, Abteilungsleitung Orientierung und Beratung, Studium Lehre Internationales. Goethe-Universität Frankfurt. Telefon +49 (0)69 798 13835; E-Mail: blasczyk@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 3 2023
10:30

Hessischer Lohnatlas gibt Aufschluss über Gegenmaßnahmen

Equal Pay Day: Die Lücke klafft auch 2023 

FRANKFURT. Im Jahr 2023 verdienen Frauen im Schnitt immer noch weniger als Männer, und zwar beträchtlich weniger. Bis zum 7. März hätten Frauen umsonst gearbeitet – ginge man vom selben Monatslohn aus wie bei Männern. Zum diesjährigen „Equal Pay Day“ am 7. März laden das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur und das Hessische Sozialministerium ein, um über Lösungsmöglichkeiten zu informieren, wie sie im Hessischen Lohnatlas erarbeitet worden sind. Im Zentrum der Veranstaltung, die

am Dienstag, 7. März,
von 10 bis 12 Uhr
auf der Onlineplattform Zoom

stattfindet, steht der Hessische Lohnatlas. Das vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität im Auftrag der Landesregierung erstellte Datenwerk schafft Transparenz und macht deutlich, wo die Entgeltlücken noch groß sind und entsprechend Handlungsbedarf besteht. Ziel ist es, möglichst effektiv zur Verbesserung der Entgeltgleichheit beizutragen.

Mit dem Hessischen Lohnatlas liegt in Hessen ein besonderes Instrument vor, um die Probleme zu lösen. „Kein anderes Bundesland hat eine solch umfangreiche Datenaufbereitung zum Thema Entgeltlücken zwischen Frauen und Männern wie das Land Hessen“, sagt Anne Janz, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Auf mehr als 700 Seiten werden Ergebnisse von Entgeltanalysen vorgestellt, seit Dezember 2022 im digitalen Format. Das umfassende Werk ist klar strukturiert, es spricht jeweils spezifische Nutzergruppen an wie Unternehmen, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und Entscheider in Kommunen. „Wir haben gezielt Informationen zusammengestellt, die jeweils in spezifischen Bereichen eingesetzt werden können“, sagt Christa Larsen, Leiterin des IWAK.

Bei der virtuellen Veranstaltung anlässlich des Equal Pay Days stellen Vertreterinnen einschlägiger Organisationen vor, wie sie die Informationen nutzen: Elke Reuschel, Vorstandsmitglied im hessischen Landesverband des Verbands der deutschen Unternehmerinnen erläutert, wie vor allem Führungskräfte darin eine wichtige Grundlage für ihre Arbeit, aber auch für Kampagnen und Veranstaltungen des Verbandes finden. Juliane Elpelt, Gewerkschaftssekretärin für Frauen- und Gleichstellungspolitik bei ver.di Hessen zeigt, wie Daten im Dialog zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Politik eingesetzt werden. Judith Kolbe schließlich berichtet, wie sie in ihrer Funktion als Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Groß-Gerau die Daten aus dem Lohnatlas gezielt zur Sensibilisierung von Entscheidern für das Thema Lohngleichheit einsetzt.

„Wir freuen uns sehr, dass an diesem wichtigen Tag für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Hessen die Goethe-Universität und die Landesregierung gemeinsam zur Diskussion darüber einladen, wie wir der Entgeltgleichheit näherkommen können“, sagt Dr. Anja Wolde, die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Goethe-Universität, die in die Veranstaltung einführen wird. 

Alle Informationen zum Hessischen Lohnatlas können auf der Webseite www.hessischer-lohnatlas.de eingesehen, heruntergeladen oder gedruckt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eigene Analysen durchzuführen.

Einladung und Programm finden Sie unter https://www.iwak-frankfurt.de/wp-content/uploads/2022/12/Einladung-und-Programm-fur-Equal-Pay-Day-_7-Marz-2023.pdf

Die Teilnahme ist per Zoom möglich unter folgendem Link: https://uni-frankfurt.zoom.us/j/66568766040?pwd=bEpmbStVcTl1eHQrWkNpTlBPMkxqQT09
Meeting-ID: 665 6876 6040
Kenncode: 741630

Weitere Informationen
Dr. Christa Larsen
Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität
Telefon 069 798-22152
E-Mail c.larsen@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Mär 2 2023
11:21

Künftig anlassbezogene Gestaltung der Zusammenarbeit/Kooperation mit Fudan-Universität soll weiterentwickelt werden

Kooperation mit Konfuzius-Institut Frankfurt auf neuer Basis 

FRANKFURT. Die Goethe-Universität bewertet ihre bisherige, seit 2008 bestehende vertragliche Kooperation mit dem Frankfurter Konfuzius-Institut (KIF) neu. Der bisher bestehende Kooperationsvertrag, der bis Ende Februar 2023 galt, wurde nicht mehr verlängert. Stattdessen soll die Kooperation mit dem KIF anlassbezogen fortgesetzt werden – zum Beispiel durch die Nutzung chinesischer Sprachkurse durch Angehörige oder Einheiten der Goethe-Universität.

Die Neuausrichtung der Kooperation findet im Kontext einer grundsätzlichen Überprüfung wissenschaftlicher Kooperationen der Goethe-Universität mit nationalen und internationalen Partnerorganisationen statt. Für Partnerschaften gilt künftig die Maxime, dass diese einen konkreten Mehrwert für das Forschungs- und Lehrprofil der Goethe-Universität erbringen sollen. Nach grundsätzlicher Überprüfung bestehender Kooperationsbeziehungen hat sich die Goethe-Universität daher in Abstimmung mit dem Akademischen Senat u.a. entschieden, den seit 2008 bestehenden Kooperationsvertrag mit der Trägergesellschaft der Konfuzius-Institute zum Betrieb des Frankfurter Konfuzius-Instituts (KIF) auslaufen zu lassen.

Parallel strebt die Goethe-Universität an, ihre institutionelle und wissenschaftliche Kooperation mit der Fudan-Universität in Shanghai auszuweiten und hat dazu bereits erste Schritte unternommen. Mit der renommierten chinesischen Universität verbindet die Goethe-Universität bereits seit längerem ein für beide Seiten fruchtbarer studentischer Austausch: „Wir freuen uns darauf, diesen Austausch auch auf wissenschaftlicher Basis weiter zu entwickeln – vorurteilsfrei, jedoch auch mit dem nötigen Augenmaß, was die Freiheit von Forschung und Lehre betrifft“, sagte der für Strategische Organisations- und Qualitätsentwicklung zuständige Vizepräsident Prof. Dr. Michael Huth.

Der Neubewertung der Kooperation mit dem Konfuzius-Institut vorangegangen war eine Überprüfung durch eine unabhängige Expertenkommission. Die Kommission hob hervor, dass die seit 2008 bestehende Kooperation insofern positiv bewertet werde, als keine erkennbare Einflussnahme chinesischer Stellen auf Forschung und Lehre der Goethe-Universität stattgefunden habe. Vizepräsident Huth: „Wir danken den Verantwortlichen des KIF – insbesondere der Geschäftsführung um Frau Werum-Wang – für die langjährige gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Auch wenn die Goethe-Universität keine Notwendigkeit für einen Kooperationsvertrag mehr sieht, so schließt sie anlassbezogene Zusammenarbeiten auch in Zukunft nicht aus.

Angesichts der grundsätzlichen Neuausrichtung der Forschungs- und Lehrkooperationen sei es jetzt an der Zeit, die gemeinsame Zusammenarbeit neu zu definieren und mit den bewährten chinesischen Expert*innen fortzusetzen. Die Angebote des KIF könnten Lehrende und Forschende der Goethe-Universität bei Bedarf und Interesse individuell weiterhin nutzen.


Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter Büro für PR & Kommunikation, Tel: 069 798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de

 

Feb 28 2023
11:32

Machbarkeitsstudie des IWAK der Goethe-Universität zeigt, wie Betriebe und Berufsschulen digital besser miteinander vernetzt werden können 

Duale Ausbildung: Modernisierung tut not

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt im Ausland als Erfolgsmodell. Doch längst hat dieser Weg ins Arbeitsleben an Attraktivität eingebüßt. Die Zahl der Bewerber ist seit Jahren rückläufig – was gerade angesichts des wachsenden Fachkräftemangels alarmierend ist. Eine Machbarkeitsstudie des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur zeigt, wie die duale Ausbildung im digitalen Zeitalter attraktiver werden könnte.

FRANKFURT. Insbesondere eine bessere digitale Vernetzung könnte die Attraktivität steigern. Deshalb hat das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität in Kooperation mit der hessischen Wirtschaft eine Machbarkeitsstudie erstellt. Schließlich soll die Ausbildung auf eine Arbeitswelt vorbereiten, die bereits heute in hohem Maße von digitalen Technologien bestimmt wird – mit steigender Tendenz.

Der Kern der dualen Ausbildung ist die Verzahnung von Theorie und Praxis in Form der systematischen Kooperation der Lernorte Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Diese Verzahnung würde mit Hilfe der Digitalisierung der Lernortkooperation erheblich vereinfacht werden, was sich positiv auf das kollaborative Lernen der Auszubildenden auswirken würde, die praktisches Knowhow und theoretisches Wissen einfacher verknüpfen könnten. So würde der Mehrwert einer dualen Ausbildung noch gesteigert.

Doch dies ist in Hessen noch Zukunftsmusik. Hier wird die Lernort-Kooperation bisher vor allem analog umgesetzt, erst wenige Kooperationen sind (teil)digitalisiert. Dabei handelt es sich zumeist um standortbezogene Einzellösungen, die zu den jeweiligen Rahmenbedingungen passen und stark vom Engagement der beteiligten Ausbilder und Lehrkräfte der Berufsschulen abhängen. Solche „Insellösungen“ sind weder strukturell verankert noch skalierbar, also auf andere Bereiche übertragbar. Sie bringen die notwendige hessenweite Digitalisierung also nicht gezielt voran. „Bis heute hängt es vom Engagement und den Ressourcen des Betriebs und der Berufsschule ab, ob Auszubildende digitale Rahmenbedingungen vorfinden oder eben nicht“, stellt Dr. Christa Larsen, Leitung des IWAK fest. Gerade Auszubildende in kleinen Betrieben hätten oft das Nachsehen.

Machbarkeitsstudie erstellt Zukunftsszenarien
Die Machbarkeitsstudie „Digitale Lernort-Kooperation in der Dualen Ausbildung. Bestandsaufnahme und hessenweite Umsetzungsszenarien“ (digi-leokop) soll jetzt Wege aufzeigen, wie die Lernort-Kooperation in Hessen flächendeckend digitalisiert werden kann. Dabei wurden die Erfahrungen, Praktiken und Wünsche der an der Lernort-Kooperation Beteiligten einbezogen. Von Januar bis Dezember 2022 hat das IWAK Experteninterviews geführt, einschlägige Pilotstudien untersucht und die Befunde mit den Spitzen der hessischen Wirtschaft diskutiert. Die Machbarkeitsstudie zeigt nun die Eckpunkte einer erfolgreichen digitalen Lernort-Kooperation auf und spezifiziert drei Szenarien zur Umsetzung. In Szenario 1 stellt das Land eine zentrale digitale Plattform zur Verfügung, steuert und finanziert diese auch. Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen würden dabei unterstützt, dass sie sich die notwendigen Kompetenzen aneignen. Über eine Expertengruppe fließen die bereits vorliegenden Erfahrungen ein. Diese Lösung scheint auch deshalb den höchsten Beitrag zur Modernisierung der Lernort-Kooperation zu leisten, weil sich alle Betriebe und Berufsschulen mit geringem zeitlichem Aufwand daran beteiligen könnten. Diese „Landeslösung“ würde eine flächendeckende Digitalisierung der Lernort-Kooperation in Hessen rasch voranbringen. Die beiden anderen Szenarien, die in der Machbarkeitsstudie vorgelegt werden, lassen zwar eine Verbesserung der Lage erwarten, würden die hessenweite Digitalisierung der Lernort-Kooperation aber nicht im selben Ausmaß voranbringen können.

Die Machbarkeitsstudie wurde mit Mitteln aus dem Förderprogramm Distr@l der Hessischen Staatskanzlei im Bereich der Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung unterstützt. Initiiert und begleitet wurde die Machbarkeitsstudie durch die Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände (VhU), die Arbeitgeberverbände HESSENMETALL und HessenChemie, die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern (ARGE) sowie den Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK). Entsprechend stellt Prof. Bernhard Brüne, der an der Goethe-Universität für das Thema Transfer zuständige Vizepräsident, fest: „Diese Machbarkeitsstudie zeigt, wie die Kooperation der Goethe-Universität mit den Spitzen der hessischen Wirtschaft wichtige Grundlagen für die Modernisierung des Ausbildungssystems schafft. Die Digitalisierung ist für die berufliche Bildung ebenso wichtig wie für die akademische Bildung. Wir müssen junge Menschen auf die digitale Zukunft der Arbeitswelt vorbereiten und in allen Bildungsgängen optimale Bedingungen schaffen.“ Die Goethe-Universität leiste einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung in Hessen durch die angewandte Forschung in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Politik. 

Die Machbarkeitsstudie kann vom 28. Februar 2023 an heruntergeladen werden unter: https://www.iwak-frankfurt.de/wp-content/uploads/2023/02/Machbarkeitsstudie-zur-digitalen-Lernort-Kooperation-in-der-dualen-Ausbildung_Bestandsaufnahme-und-hessenweite-Umsetzungsszenarien_-digi_leokop.pdf

Weitere Informationen:
Dr. Christa Larsen, Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität
Telefon 069 798- 22152, E-Mail c.larsen@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Feb 27 2023
12:06

Archäologie der Goethe-Uni wirkt an neuem DFG-geförderten Projekt mit – Kooperation mit Landesamt für Denkmalpflege und Unis Mainz und Kiel 

Hat der Landgraben im Hessischen Ried eine römische Vergangenheit?

Der Landgraben, das Gewässer zwischen Groß-Gerau und Trebur, mündet nordwestlich von Astheim in den Rhein. Sein Name geht auf den Landgrafen Georg I. (1547-1596) von Hessen-Darmstadt zurück, dem der Ursprung dieses künstlichen Gewässers bisher zugeschrieben wurde. Archäologen vermuten aber eine andere Entstehungsgeschichte. Ein Team des Landesamts für Denkmalpflege Hessen und der Universitäten Frankfurt, Mainz und Kiel kann nun mit Mitteln der DFG nach der römischen Vergangenheit forschen.

FRANKFURT. Archäologische Untersuchungen im Hessischen Ried haben erste Hinweise darauf erbracht, dass der Kanal deutlich früher angelegt worden sein könnte als bisher angenommen. Vermutet wird, dass es das römische Militär war, das bei der Eroberung und Erschließung des rechtsrheinischen Rieds im 1. Jahrhundert nach Christus das künstliche Gewässer angelegt hat. Der Landgraben, der bei Trebur in den heutigen Schwarzbach überging, diente wahrscheinlich zur Material- und Warenversorgung des römischen Kastells und der zugehörigen Zivilsiedlung in Groß-Gerau. Nun können weitere Forschungen in Angriff genommen werden.

Gefördert werden die Untersuchungen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 370.000 Euro. Mit Hilfe dieser Mittel kann durch geophysikalische Untersuchungen, Bohrungen und kleinere archäologische Ausgrabungen der ursprüngliche Verlauf des Kanals gesucht und die entlang seines Verlaufes gelegenen römischen Siedlungsstellen in Berkach, Groß-Gerau, Wallerstädten, Trebur und Astheim sowie ihr Verhältnis zum Gewässer näher betrachtet werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für zwei Dissertationen in den Fächern Archäologie und Geographie an den Universitäten Frankfurt und Mainz.

Aktuell wird im Bereich von Groß-Gerau – Wallerstädten nach dem römischen Landgrabenverlauf gesucht. Im Rahmen des Geländepraktikums der Universität Mainz vermisst eine Studierendengruppe das Areal, nimmt Messungen des elektrischen Widerstands im Untergrund vor und bohrt an ausgewählten Stellen, um den Bodenaufbau zu klären sowie Datierungsanhalte für das ursprüngliche Aussehen des Geländes zu gewinnen. Gleichzeitig führt die Universität Kiel großflächige geophysikalische Messungen durch, um das Verhältnis des römischen Siedlungsplatzes und des Landgrabens in diesem Bereich zu klären.

Dass die Römer bereits über die technischen Fähigkeiten verfügten, Gewässer zu lenken und zu manipulieren oder gar künstliche Kanäle anzulegen, das belegen sowohl schriftliche Überlieferungen als auch entsprechende Befunde wie der sogenannte Kanal des Corbulo in den Niederlanden. Sollten die nun anstehenden Untersuchungen die Hypothese vom römischen Ursprung des Landgrabens erhärten, wäre dies der erste Nachweis eines solchen Bauwerks aus der Römerzeit in Deutschland. Dass die Römer damit einen massiven und nachhaltigen Eingriff in die Landschaft vorgenommen hätten, würde die Existenz des Landgrabens als Gewässer bis heute deutlich zeigen.

Für die Anfangsdatierung des Landgrabens sei das römische Kastell „Biebelslache“ bei Wallerstädten von entscheidender Bedeutung, gewesen, erklärt Prof. Markus Scholz, Archäologe an der Goethe-Universität. Das Kastell grenze direkt an den Kanal oder – das gelte es zu überprüfen – werde von diesem geschnitten. Im ersten Fall wäre der Kanal mindestens so alt wie das Lager. Im zweiten Fall würde das Lager, das von etwa 40 bis 70 n. Chr. bestand, einen Terminus post quem für den Bau des Kanals liefern. „Im Kastell ‚Biebelslache' fanden zwischen 2008 und 2012 Lehrgrabungen unseres Instituts statt“, erklärt Scholz. Nun biete sich die Chance, die Ausgrabungen unter der neuen Fragestellung auszuwerten. Der Doktorand Henrik Leif Schäfer werde in seiner Dissertation auch andere römische Fundplätze entlang des Grabens datieren und analysieren. Den Studierenden biete sich im Rahmen des Projekts die Gelegenheit für Feldpraktika.

Bilder zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/132990291

Bild 1: Beim Ortstermin im Hessischen Ried: Prof. Andreas Vött (von links), Universität Mainz, Prof. Markus Scholz, Goethe-Universität, Dr. Thomas Becker, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Prof. Udo Recker, Landesamt für Denkmalpflege Hessen. (Foto: Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege)

Bild 2: Mithilfe geophysikalischer Untersuchungen, Bohrungen und kleinerer archäologischer Ausgrabungen soll die Geschichte des Landgrabens erforscht werden. (Foto: Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege)

Bild 3: Die Untersuchungen am Landgraben werden mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Dr. Thomas Becker (von links), Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Prof. Dr. Markus Scholz, Goethe-Universität. (Foto: Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege)

Informationen:
Prof. Dr. Markus Scholz, Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
Institute für archäologische Wissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Tel. +49 (0)69 798 32265
Fax +49 (0)69 798 32268
E-Mail: m.scholz@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de