Lehre und Forschung an der
Professur befassen sich sowohl mit kriminologischen Fragestellungen als
auch mit solchen aus dem Strafrecht und dem Strafprozessrecht. Dabei
wird auf eine kritische und reflexive Herangehensweise Wert gelegt, die
Empirie und Dogmatik miteinander verbindet und Brücken zu den
Grundlagenfächern schlägt, insbesondere zur Rechtstheorie und
Rechtssoziologie. Theoretische Themen erhalten ebenso Raum wie Fragen
des „law in action“, also der Praxis der Rechtsanwendung, und
Zusammenhänge mit gesellschaftlichen Entwicklungen.
Lehre und
Forschung leben gerade in der Kriminologie von einem interdisziplinären
Verständnis und Vorgehen. Neben den Sozialwissenschaften und der
Psychologie ist für die Professur angesichts der inhaltlichen
Schwerpunktsetzungen auch die Informatik von besonderem Interesse.
Innerhalb der Rechtswissenschaft kommen neben dem Straf- und
Strafprozessrecht vor allem dem Verfassungsrecht, dem Polizeirecht und
dem Datenschutzrecht hervorgehobene Bedeutung zu.
In der
Kriminologie liegt
ein inhaltlicher Schwerpunkt zum einen auf der Befassung mit bestimmten
besonderen Delinquenzbereichen, wie rechtswidriger Polizeigewalt und
rechtsradikal sowie rassistisch motivierter Delinquenz. Zum anderen
befasst sich die Professur mit Abweichung und Kriminalität als
gesellschaftlichen Phänomenen, ihren sozialen Funktionen und den
gesellschaftlichen Weisen der Herstellung und des Umgangs mit diesen
Phänomenen, zu denen neben dem Strafrecht auch zahlreiche andere Formen
sozialer Kontrolle zu zählen sind. Dieses Feld beinhaltet einerseits
Themen aus dem Bereich Polizei und Justiz und im Besonderen aus der
Strafverfolgung einschließlich der Rechtstatsachenforschung zum
Strafverfahren. Andererseits wird der gesellschaftliche Umgang mit
Abweichung aber auch in einem grundlegenderen Sinne untersucht, indem
sonstige Formen sozialer Kontrolle, die soziale Konstruktion von
Abweichung, Kriminalitätseinstellungen und die gesellschaftlichen
Erwartungen und Bedürfnisse im Umgang mit Abweichung in den Blick
genommen werden. Dazu gehört auch die Erforschung der Viktimisierung
bestimmter gesellschaftlicher Gruppen sowie des staatlichen Umgangs
damit. Die Professur setzt sich demnach in ihrer Forschung mit der
zunehmenden Bedeutung individueller und bürgerlicher Sicherheit in den
westlichen Gesellschaften in ihren zahlreichen Facetten auseinander. Die
Forschung zu diesen Fragen ist in der Regel empirischer Natur und
findet zumeist im Rahmen von Drittmittelprojekten statt.
Im
materiellen Strafrecht
werden zum einen grundlegende Fragestellungen behandelt, die
insbesondere die gesellschaftliche Funktion des Strafrechts und die
entsprechenden fachlichen Gewissheiten thematisieren. Zum anderen liegt
ein Schwerpunkt auf Delikten von Amtsträger*innen und Tatbeständen zum
Schutz der Rechtspflege. In beiden Bereichen bestehen enge Bezüge zu den
kriminologischen Schwerpunkten. Darüber hinaus wird der strafrechtliche
Schutz von Daten und informationstechnischen Systemen, von
informationeller Selbstbestimmung bzw. des höchstpersönlichen
Lebensbereichs behandelt, insbesondere mit Bezug zur Digitalisierung.
Im
Strafprozessrecht liegen
Schwerpunkte vor allem auf dem Beweisrecht der StPO, auf
strafprozessualen Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen sowie auf
informationeller Selbstbestimmung und Datenverarbeitung im
Strafverfahren. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Erhebung und
Auswertung digital gespeicherter Daten gelegt, auf technikbasierte und
insbesondere heimliche Ermittlungsmaßnahmen sowie auf die
Weiterverwendung strafprozessual erhobener Daten, etwa in Form von
Dateien. Perspektivisch sollen zudem Fragen aus dem Ermittlungsverfahren
und Fehlerquellen im Strafprozess besonders behandelt werden, wobei
sich jeweils starke Bezüge zur empirischen kriminologischen Forschung
herstellen lassen.
Inhaber der Professur ist seit dem 1. April
2022 Prof. Dr. Tobias Singelnstein, der von der Ruhr-Universität Bochum
an die Goethe-Universität gewechselt ist und hier die Nachfolge von
Prof. Dr. Cornelius Prittwitz angetreten hat.