Die deutsche Konferenz zum EU-Forschungsprojekt „Working, Yet Poor“ findet an der Goethe-Universität statt
FRANKFURT. Wie kann es sein, dass im reichen Europa fast zehn Prozent der Erwerbstätigen von Armut betroffen sind? Selbst in Europas führender Wirtschaftsnation Deutschland ist das Phänomen „arm trotz Arbeit“ verbreitet. Das europäische Forschungsprojekt „Working, Yet Poor“ (WorkYP) soll den Ursachen und Mechanismen auf den Grund gehen. Die Konferenz zur Situation in Deutschland findet
am Montag, 19. Juli, von 10 bis 16 Uhr
auf der Online-Plattform Zoom
statt,
organisiert an der Goethe-Universität. Hier ist auch das deutsche Teilprojekt
angesiedelt, nämlich an der Professur für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht
von Prof. Dr. Bernd Waas. Unter der Projektleitung von Dr. Christina Hießl wird
untersucht, welche sozialen und rechtlichen Gründe dafür verantwortlich sind,
dass immer mehr Menschen auch hierzulande trotz Erwerbstätigkeit
armutsgefährdet sind.
„Die
Konferenz dient dazu, das Problem ‚Armut trotz Arbeit' für Deutschland
möglichst transparent zu machen und Lösungsansätze zu diskutieren“, erklärt
Projektleiterin Dr. Christina Hießl im Interview für Goethe-Uni online (Link s.
unten). Die Beiträge auf der Frankfurter Konferenz werden von hochrangigen
Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und von den Sozialpartnern
bestritten. Katharina Erbeldinger, die Federführende Referentin für Armuts- und
Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung, spricht zum Beispiel über die
Sicherung auskömmlicher Erwerbsarbeit als gemeinsame Aufgabe von Arbeitsmarkt-
und Sozialpolitik. Prof. Dr. Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung befasst sich in seinem Vortrag u.a. mit aktuellen Befunden der
Armutsforschung, und Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des Tarifarchivs des
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung, wird die Bedeutung von Mindestlöhnen und Tarifbindung
für die Eindämmung des Niedriglohnsektors beleuchten. Die Rolle des
Niedriglohnsektors und atypischer Arbeitsformen wird von Benjamin Baykal aus
der Sicht der BDA und Ruxandra Empen aus der Perspektive des DGB beleuchtet.
Fast
zehn Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung der EU waren 2017 von Armut
bedroht, das entspricht etwa 20,5 Millionen EU-Bürgern. Außer den negativen
Folgen für den Einzelnen wie soziale Ausgrenzung und mangelnde Teilhabe
gefährdet Armut trotz Erwerbstätigkeit auch ein wesentliches Merkmal der
EU-Staatsbürgerschaft: den Anspruch auf ein menschenwürdiges Leben. Grundlage
staatlicher Maßnahmen ist die Kenntnis der Ursachen, wozu das WorkYP-Projekt
ins Leben gerufen wurde.
Die
Verteilung der Armut trotz Erwerbstätigkeit fällt in Europa sehr
unterschiedlich aus, was auf unterschiedliche soziale und rechtliche Systeme
oder Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zurückzuführen ist. Die Gründe für diese
Unterschiede werden jetzt im Rahmen des WorkYP-Projekts untersucht; die
Situation in sieben EU-Ländern mit unterschiedlichen Sozial- und Rechtssystemen
(Luxemburg, Belgien, Deutschland, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden)
wird analysiert, um Best-Practice-Lösungen zur Bekämpfung der Armut trotz
Erwerbstätigkeit in allen Systemen vorzuschlagen.
Horizon
2020 ist das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und
Innovation, das 2014 ins Leben gerufen wurde und Kooperationsprojekte in
Forschung und Innovation fördert. Teilnahmeberechtigt sind
Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen. Horizon 2020 finanziert
jährlich 6.000 Projekte.
Anmeldung zur Konferenz „Armut trotz Arbeit in Deutschland“ bis
14. Juli bei Frau Anna Jansen (jansen@jura.uni-frankfurt.de).
Das Programm finden Sie unter https://www.uni-frankfurt.de/102999140
Link zum
Interview mit Dr. Christina Hießl bei GOETHE-UNI online:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/interview-dr-christine-hiessl-zum-horizon-2020-projekt-armut-trotz-arbeit
Informationen:
Dr. Christina Hießl
Professur für Arbeitsrecht und
Bürgerliches Recht
Fachbereich Rechtswissenschaft
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail: hiessl@jura.uni-frankfurt.de