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Sep 11 2014
10:10

Kooperation von Frobenius-Institut und Institut français d’histoire en Allemagne mit dem historischen museum frankfurt

15 Porträtfotos von afrikanischen Kolonialsoldaten gaben Anstoß für die Ausstellung „Gefangene Bilder. Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg“

FRANKFURT. „Feldforschung“ der besonderen Art betrieb der später in Frankfurt arbeitende Ethnologe Leo Frobenius im Ersten Weltkrieg: Er beschäftigte sich intensiv mit afrikanischen Kriegsgefangenen, die für die Kolonialmacht Frankreich im Ersten Weltkrieg kämpfen mussten. Er ließ Porträtfotos von ihnen anfertigen, die ab 11. September (Donnerstag) bis zum 15. Februar 2015 im Historischen Museum (Fahrtor 2) zu sehen sein werden, und notierte Märchen und Erzählungen, die die Gefangenen ihm vortrugen. Die Ambivalenz seines Tuns und die spezielle Form der Kriegspropaganda dokumentieren u.a. sein 1916 erschienenes Buch „Der Völkerzirkus unserer Feinde“.

Das Konvolut von 15 Porträts afrikanischer Kriegsgefangener auf fotografischen Glasplatten hatte Peter Steigerwald, Fotograf und Dokumentar des Frobenius-Instituts an der Goethe-Universität, bereits vor über zehn Jahren entdeckt; Pläne für eine Ausstellung ließen sich aber erst jetzt realisieren. 2014 war – mit dem Rückblick auf den Beginn des Ersten Weltkriegs und dem 100-jährigen Jubiläum der Goethe-Universität – die Zeit reif für die Ausstellung „Gefangene Bilder. Wissenschaft und Propaganda im Ersten Weltkrieg“ im Historischen Museum und gleichzeitig für die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses spektakulären Fundes. Aus einer intensiven deutsch-französischen Kooperation ist die Ausstellung entstanden: Neben dem Frobenius-Institut beteiligt sich auch das Institut français d’histoire en Allemagne an der Goethe-Universität.

Die fünfzehn Fotografien stehen im Zentrum der Ausstellung; daneben werden auch Film- und Tonaufnahmen wie auch die Gipsabgüsse von menschlichen Körperteilen aus den Kriegsgefangenenlagern gezeigt. Ergänzt wird dieses Material durch Publikationen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, Plakaten, Postkarten sowie Akten der Wissenschaftler aus Berlin, Wien und Rumänien. Eine Begleitpublikation (Michael Imhof Verlag) stellt die Fotografien vor und zeichnet in mehreren Aufsätzen ein Bild der Umstände ihrer Entstehung und der späteren Verwendung. Eingebettet ist dies in die Geschichte der Ethnologie und der Erforschung der menschlichen Natur und Kultur in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Frankfurt und anderswo.

Unter den acht Millionen Soldaten, die für Frankreich in den Ersten Weltkrieg zogen, waren fast 500.000 Männer aus den französischen Kolonien. Oft wurden sie unter Zwang für die „Tirailleurs sénégalais“ („Senegalschützen“, auch wenn sie aus anderen Teilen Westafrikas stammten) rekrutiert. Die meisten mussten an der europäischen Westfront kämpfen. Dieser Einsatz und auch die Zwangsbeteiligung englischer Kolonialsoldaten gibt dem Terminus Weltkrieg erst seine wirklich globale Bedeutung. Dazu Prof.Pierre Monnet, Leiter des Institut français d’histoire en Allemagne: „Den außereuropäischen Teilnehmern des ‚Großen Krieges‘; von denen wenige Spuren in den Archiven sowie im kollektiven Gedächtnis geblieben sind, versucht die Ausstellung eine Stimme zu geben. Die Materialien sind aus einem rassistischen und kolonialistischen Blickwinkel heraus entstanden. Dieses so geschaffene Bild wirkt bis in die Gegenwart fort und stellt somit einen der Ursprünge des alltäglichen Rassismus dar.“ Der korrekte Umgang mit solch sensiblen Sammlungen sei eine Herausforderung für Museen und Universitäten, betont Monnet.

Die Ausstellung im Historischen Museum gab nun auch Anlass, sich mit der Rolle von Leo Frobenius (1873–1938) während des Ersten Weltkriegs näher zu befassen. Frobenius war erst Mitte der 1920er Jahre mit seinem von Mäzenen finanzierten Institut für Kulturmorphologie nach Frankfurt gekommen, er hatte einen Lehrauftrag an der Universität und war ab 1934 Direktor des „Völkermuseums“. Der Autodidakt war ein Außenseiter des akademischen Betriebs, fand aber nicht nur an der Frankfurter Universität zahlreiche Unterstützer. Frobenius‘ Ambivalenzen, die sein ganzes Leben und Werk durchzieht, werden auch in der Ausstellung gespiegelt: „Wie in einem Prisma lässt sich an Frobenius‘ Person das Engagement der ethnologischen Wissenschaft für das Kriegsgeschehen studieren. Gleichzeitig sind aber Frobenius‘ Aktivitäten einzigartig und nicht repräsentativ für die Ethnologen seiner Zeit“, betont Dr. Richard Kuba, der die wissenschaftliche Betreuung des Projekts am Frobenius-Institut innehat.

Frobenius, der als Sohn eine Festungsbaumeisters dem Militär nahe stand und ein glühender Verehrer der Monarchie war, wurde als „Bevollmächtigter des Königlich-Preußischen Kriegsministers“ zum Leiter des Kriegsgefangenen-Lagers im rumänischen Slobozia berufen. Dorthin waren die gefangenen Kolonialsoldaten vom „Mohammedanerlager“ in Wünsdorf bei Berlin gebracht worden, u.a. mit Rücksicht auf die osmanischen Bündnispartner – denn die Heeresleitung hoffte, dass bei dem wärmeren Klima in Rumänien weniger Gefangene sterben würden als in der kalten Berliner Region. Dazu schrieb Frobenius, der sich auch für eine bessere Versorgung der Afrikaner einsetzte, aus Rumänien: „In Wünsdorf hatten wir 9 Kranke pro Tag und Tausend. Hier haben wir nur ½ Krankheitsfall pro 100 und Tag.“ Überprüfen lassen sich diese Zahlen allerdings nicht.

Frobenius verfolgte in diesen Jahren zunächst seine eigenen Forschungsinteressen, ließ sich aber auch für die Propaganda der Mittelmächte einsetzen. Im Gegensatz zu anderen Ethnologen interessierte sich Frobenius bei seinen Recherchen nicht so sehr für die Erforschung der „rassetypischen Merkmale“, ihm ging es mehr um das kulturelle Afrika, die Erzählungen und Märchen, die in sein nach dem Krieg erschienenes dreibändiges Werk „Volksmärchen der Kabylen“ Eingang fanden – „ohne dass der Herausgeber seine Quelle vor der eigenen Haustür in der Mark Brandenburg offengelegt hätte“, so Kuba. In diesen Erzählungen schien der Anti-Modernist Frobenius viel Mythisches zu finden, während er gleichzeitig in Europa den Wert von Mythen schwinden sah. Auch die Beschreibungen der Kolonialsoldaten, die Frobenius nach dem Krieg für das Werk „Deutschlands Gegner im Weltkriege“ verfasste, heben sich – so Kuba – „trotz seines paternalistischen Stils wohltuend von denen seiner Mitautoren ab“. Frobenius zeige sogar des Öfteren Sympathie für die jeweiligen Völker. Kuba nennt ein paar Beispiele: „So glänzen die ‚Kru-Neger‘ durch ‚auffallende Arbeitsfreudigkeit‘, die Mandara aus dem Tschadseegebiet sind Träger einer tiefinnerlichen Religiösität‘, die Bobo vom oberen Volta zeigen sich ‚ebenso religiös wie arbeitsam‘.“

Den Wissenschaftlern des Frobenius-Instituts und des Institut français d’histoire en Allemagne liegt es gemeinsam mit dem Kurator Benedikt Burkard vom Historischen Museum, daran deutlich zu machen, dass sich Wissenschaftler und Intellektuelle auf beiden Seiten der Frontlinien an dem „Krieg der Federn“ („guerre des plumes“) aktiv beteiligt haben. Frobenius nutzte beispielsweise seine Stellung als renommierter Ethnologe, um die Kolonialmächte Frankreich und besonders England (den „Völkerdompteur“) dafür zu verurteilen, die Kolonialvölker für die eigenen Kriegsziele einzusetzen – „die farbige Bevölkerung nur als Kanonenfutter zu benutzen“.

Informationen: Dr. Richard Kuba, Frobenius-Institut, Campus Westend, Tel. (069) 798- 33056, kuba@em.uni-frankfurt.de, http://www.frobenius-institut.de; Prof. Dr. Pierre Monnet, Institut français d’histoire en Allemagne, Campus Westend, Tel: (069)798 31 900, ifha@institutfrancais.de , www.institutfrancais.de/frankfurt ; Corinna Engel, Museumskommunikation, historisches museum frankfurt, Tel. (069) 212 37776, corinna.engel@stadt-frankfurt.de, www.historisches-museum.frankfurt.de