Neue Schmerzmittel effektiv testen

Lücke zwischen molekularer Forschung und Patient lässt sich mit gesunden Probanden besser überbrücken als erwartet

Veröffentlicht am: Donnerstag, 15. November 2012, 18:03 Uhr (054)

Eine effektive Methode, die schmerzhemmenden Effekte eines neuen Medikaments zu testen, besteht darin, an freiwilligen Versuchspersonen sorgfältig kontrollierte Schmerz-Reize anzuwenden. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe des „British Journal of Pharmacology“.

Schmerz ist ein wichtiger Alarmmechanismus, der uns vor körperlichem Schaden bewahrt. Er kann durch einen äußeren physikalischen Reiz wie einen Schnitt, eine Quetschung oder extreme Kälte oder Hitze ausgelöst werden. Innerlich kann er nach Verletzungen durch eingeklemmte oder beschädigte Nerven hervorgerufen werden. Unbehandelt kann Schmerz chronisch werden und noch lange, nachdem die eigentliche Ursache längst ausgeheilt ist, weiterbestehen. Dann ist Schmerz besonders schwer zu behandeln.

Ein Fünftel der Europäer leidet unter täglich wiederkehrenden Schmerzen und der Anteil bei den über 70jährigen nimmt stetig zu. Dennoch ist die Schmerzbekämpfung oft noch mangelhaft und unbefriedigend, da die eingesetzten Medikamente entweder nicht wirkungsvoll genug sind oder starke Nebenwirkungen hervorrufen. Schmerz ist daher eines der größten Probleme im Gesundheitswesen des 21. Jahrhunderts. Allein in den Vereinigten Staaten werden die sozio-ökonomischen Kosten durch Schmerzen auf jährlich über 500 Milliarden Dollar beziffert.

Die Erforschung und Entwicklung neuer wirksamer Schmerzmittel ist komplex, da Schmerz nicht direkt messbar ist. Während man in Tiermodellen Verhaltensänderungen beobachten muss, stützt man sich in Klinischen Studien am Menschen auf subjektive Berichte. Dadurch lassen sich Ergebnisse aus der Grundlagenforschung nur schwer auf den Menschen übertragen.

Dr. Bruno Georg Oertel und Prof. Jörn Lötsch analysierten die bereits veröffentlichte Literatur um herauszufinden, inwieweit sich die an gesunden Versuchspersonen ermittelten Ergebnisse zur Wirksamkeit bei Schmerzen auf Patienten in der Klinik übertragen lassen. „Die mittels experimenteller Schmerzmodelle am Menschen erhobenen Testergebnisse bilden die klinische Wirksamkeit am Patienten in der Regel besser ab, als bisher erwartet“, sagt Lötsch, der am Institut für Klinische Pharmakologie der Goethe-Universität arbeitet.

„Menschliche Schmerz-Modelle nicht bei der Entwicklung neuer Schmerzmedikamente einzusetzen, ist nicht zu rechtfertigen – tatsächlich sollten diese künftig routinemäßig in der Wirkstoffentwicklung eingesetzt werden“, folgert Oertel von der Fraunhofer-Projektgruppe für „Translationale Medizin und Pharmakologie“ (TMP). Diese Projektgruppe wird durch die hessische LOEWE-Initiative gefördert und hat das Ziel, akademische Forschung enger mit der klinischen und pharmazeutischen Forschung zu verzahnen.

Die Anwendung ist dennoch nicht trivial, da nicht jedes experimentelle Modell zur Vorhersage jeder klinischen Situation geeignet ist. Die Forscher haben vielmehr verschiedene Anordnungen mehrerer experimenteller Modelle identifiziert, die an Stelle einzelner Tests verwendet werden sollen. „Dieses Vorgehen ist am besten dazu geeignet, kostengünstige und zugleich aussagefähige Studien für die Entwicklung von Schmerzmitteln bereit zu stellen“, sagt Lötsch.

Weitere Arbeiten werden notwendig sein, bevor dieser Ansatz in der Praxis voll eingesetzt werden kann. Die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass ihre Herangehensweise dazu beitragen wird, Kosten zu sparen und neue wertvolle Informationen über die verschiedenen Wirkmechanismen neuer Medikamente zu gewinnen.

 

Publikation:

Bruno Georg Oertel and Jörn Lötsch; Clinical pharmacology of analgesics assessed with human experimental pain models: Bridging basic and clinical research; British Journal of Pharmacology 2012; DOI: 10.1111/bph.12023

URL: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/bph.12023/abstract